Die ehemalige Gewerkschaftbank Bawag schreibt wieder einmal Geschichte: dieses Mal kein Skandal, sondern Kapitalmarkthistorie. Das Finanzinstitut, das den US-Hedgefonds Cerberus und Golden Tree sowie zu einem sehr kleinen Teil heimischen Industriellen (unter anderem Hannes Androsch) und der Post gehört, hat am Mittwoch den größten Börsegang, den es in Wien jemals gab, abgeschlossen. 40 Prozent haben die Eigentümer abgegeben und dafür 1,93 Milliarden Euro lukriert.
Foto: /Grafik Bisher hatte die Strabag, die 2007 mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro an die Wiener Börse gegangen war, diese Spitzenposition inne. Die Bawag-Aktienemission liegt aber auch im internationalen Vergleich ganz vorne. In Deutschland war nur der Börsegang von T-Online mit 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2000 größer, global gesehen kommt die Bawag laut einer Studie von PWC immerhin auf Platz zehn.
Den ersten Handelstag in Wien begann die Bawag in alter Tradition: Börsenchef Christoph Boschan und Bawag-Boss Anas Abuzaakouk läuteten die Börsenglocke. Das war es dann auch schon mit alten Traditionen. Die Öffentlichkeit in Österreich wurde von den Bawag-Eigentümern eher gemieden. Journalisten erhielten nur knapp gehaltene Aussendungen, um Privatanleger warb die Bank gar nicht. Fast das gesamte Emissionsvolumen landete denn auch bei Großinvestoren. Diese dürften sogar mehr Aktien als gewünscht zugeteilt bekommen haben. Denn gleich nach Handelsbeginn sackte der Bawag-Aktienkurs ab und erreichte bis zum späten Nachmittag das Ausgabe-Niveau von 48 Euro nicht mehr.
Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessensverbands für Anleger (IVA), der den Emissionskurs stets als "ambitioniert" bezeichnet hatte, ist jetzt froh, dass das heimische Privatpublikum bei der Bawag-Emission nicht angesprochen wurde. "Das hat die Bank gut gemacht. Denn Kleinanleger würden sich jetzt über den Aktienkurs sehr aufregen", sagt Rasinger zum KURIER.
Die Bank-Führung, die heuer mit insgesamt 25 Millionen Euro fürstliche Vergütungen erhält, stünde jetzt jedenfalls gehörig unter Druck. Denn sie müsste nun beweisen, dass die wirtschaftlichen Ergebnisse der Bank den Aktienkurs auch rechtfertigten. Das wird nicht einfach, sind sich Bank-Analysten einig. Denn die Bawag arbeitet im Gegensatz zu vielen anderen Finanzinstituten nicht in den Wachstumsmärkten Osteuropas, sondern ausschließlich in den gesättigten Märkten Österreich und Deutschland.
An der Wiener Börse sorgt die Bawag-Aktie für ein noch stärkeres Übergewicht an Finanztiteln als bisher. Ab Freitag ist die Aktie Teil des ATX, der mit Erste Group, Raiffeisen Bank International, Uniqa und Vienna Insurance schon jetzt finanzlastig ist.