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Arbeitsmarkt: Agenda-Ideen basieren auf "Mythen"

24-10-2017, 06:00

Die 10 Vorschläge für einen flexibleren Arbeitsmarkt, die die Denkfabrik Agenda Austria via KURIER (Freitag) zur Debatte gestellt hatte, stoßen nicht auf ungeteilte Zustimmung. Unternehmer begrüßten viele der Ideen (Samstag), die Arbeitnehmervertretung zerpflückt das Papier indes als Sammlung von "Mythen".

Niedriglohnsektor

"Was dahintersteckt, wäre eine deutliche Öffnung und Vergrößerung des Niedriglohnsektors", sagt Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der Arbeiterkammer Wien. Höherer finanzieller Druck auf Jobsuchende, Kollektivverträge auf Betriebsebene und Kombilohn mit Staatszuschuss – all das weise in diese Richtung, die die AK ablehnt. Aus sozialen wie ökonomischen Gründen: "Österreichs Wirtschaft wird im globalen Wettbewerb sicher nicht bestehen, wenn sie ihr Heil bei niedrigen Löhnen und geringer Produktivität sucht."

Obendrein würde es dadurch noch schwieriger, mit einem einzigen Job das Auslangen zu finden; Kaufkraft und Konsum würden leiden. Und es sei wettbewerbsschädlich: Wenn sich marode Betriebe über günstigere Lohnvereinbarungen retten können, bleiben sie künstlich am Leben. Und machen allen anderen das Leben schwer.

Kündigungen

Dass der Kündigungsschutz gelockert werden müsse, hält Mitter für einen Mythos. Österreich habe eine der flexibelsten Regelungen; anders als in Deutschland ist keine Begründung der Kündigung nötig, die kann sogar während des Krankenstandes ausgesprochen werden. "Was soll da noch lockerer werden?", fragt sich Mitter: "Es sei denn, es ist der Schutz für behinderte Menschen, für schwangere Frauen oder für Betriebsräte gemeint. Wenn jemand das abschaffen will, soll er es laut und deutlich sagen."

"Aktion 20.000"

Die Agenda will das Programm, das gemeinnützige Tätigkeiten für ältere Langzeitarbeitslose vorsieht, stoppen und durch Lohnzuschüsse für "echte" Beschäftigungsverhältnisse ersetzen. "Diese Gruppe von Menschen wird von den Unternehmen einfach nicht beschäftigt", sagt dazu Mitter. Darunter seien mehr als 50 Prozent mit gesundheitlicher Beeinträchtigung. Und staatliche Zuschüsse für die Einstellung Langzeitarbeitsloser gebe es bereits – mehr als 300 Mio. Euro pro Jahr.

Sozialleistungen bündeln

Weniger Bürokratie verspricht sich Agenda-Chef Franz Schellhorn davon, die Arbeitslosen-, Notstandshilfe und Mindestsicherung bei einer Stelle zu bündeln. Es sei schwer vorstellbar, dass das AMS als Arbeitsmarktdienstleister zusätzlich die Betreuung von Menschen übernimmt, die von Geburt an arbeitsunfähig sind, sagt Mitter. Das würde erst recht Doppelstrukturen schaffen – die Länder hätten dafür die nötigen Betreuungsangebote.

Verursacherprinzip

Praktische Probleme sieht die AK in der Idee, die Kosten für die Invaliditätspension teilweise jenen Betrieben aufzubrummen, die quasi zu wenig für die Gesundheit ihrer Arbeitnehmer getan haben. Denn pro Jahr würden in Österreich 1,7 Millionen Arbeitsplätze neu besetzt. "Und wenn jemand fünf Jahre am Bau und dann zwanzig Jahre im Handel gearbeitet hat, wer ist dann schuld? Wer muss zahlen?", fragt sich Mitter.

Die Vorschläge seien "schnell und leicht dahingesagt", tragfähige Arbeitsmarktlösungen sollten aber besser den Sozialpartnern überlassen werden. Aus Mitters Sicht leiste zudem keiner der zehn Punkte einen Beitrag, um auf die Umwälzungen, die die Digitalisierung bringen, zu reagieren.

Foto: /AK Wien/Erwin Schuh

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