Der ursprüngliche Plan war gut: Arbeitskräfte sollten ohne große bürokratische Hemmnisse von ihrem Heimatunternehmen für einen zeitlich beschränkten Einsatz in ein anderes EU-Land geschickt werden können. Das Lohnniveau der Entsandten, die oft aus den EU-Ländern im Osten kommen, hätte sich dem des Gastlandes angleichen und so deutlich steigen sollen.
So weit die Idee der heute mehr als zwanzig Jahre alten EU-Entsenderichtlinie, die ganz andere als die erwünschten Folgen zeitigte: Weil die entsandten Arbeitnehmer zwar denselben Stundensatz wie einheimische Beschäftigte erhalten, alle – viel niedrigeren – Lohnnebenkosten aber im Entsendeland entrichtet werden, können ausländische Unternehmen ihre Dienste meist erheblich billiger anbieten: In Bulgarien etwa betragen die Lohn und Nebenkosten pro Stunde nur rund ein Zehntel des Niveaus von Österreich.
"Ganze Branchen werden durch diesen schiefen Wettbewerb gefährdet", führt Maria Smodics-Neumann gegenüber dem KURIER aus. Die Obfrau der Sparte Gerwebe und Handwerk der Wirtschaftskammer Wien konstatiert speziell im Bau- und Baunebengewerbe das größte Problem – in diesem Bereich ist das Gros der im Vorjahr rund 170.000 nach Österreich entsandten Arbeitnehmer tätig.
Nach monatelangem Streit um eine Reform der Entsenderichtlinie erzielten die EU-Sozialminister gestern bei ihrem Treffen in Luxemburg spät Nachts doch noch einen Durchbruch. Der Kompromiss zwischen den überwiegend unzufriedenen westeuropäischen und den gegenüber Änderungen skeptischen osteuropäischen Staaten sieht vor, die Wettbewerbsbedingungen zwischen entsendenden und lokale Unternehmen anzugleichen. Nicht alle EU-Staaten trugen den Kompromiss mit, er wurde aber mit einer Mehrheit der Länder beschlossen.
Er bedeutet: Gleiche Regeln für einheimische und entsandte Arbeitnehmer, also nicht nur Mindestlohn, sondern auch bei allen Gehaltsbestandteilen wie Weihnachtsgeld, Prämien, 13. Monatsgehalt, Schlechtwettergeld und Ähnliches. Ziel ist, Beschäftigte besser vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen. Deshalb sollen Entsendungen künftig in der Regel nicht länger als zwölf Monate dauern, in Ausnahmen höchstens 18 Monate, wie aus Verhandlungskreisen bekannt wurde. Das Transportgewerbe bleibt zunächst von den neuen Regeln ausgenommen.
Nach der Einigung der EU-Sozialminister können nun Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen, das seinerseits in der Vorwoche eine Reform zur Entsenderichtlinie verabschiedet hat.
Eine Studie der KMU-Forschung Austria hat ergeben, dass Österreich wegen der Entsenderichtlinie knapp 985 Millionen Euro an Steuern pro Jahr entgehen. Den Umsatzentgang beziffert die Studie auf jährliche 4,4 Milliarden Euro. "Die Regeln so zu belassen, wäre Wahnsinn", sagt Smodics-Neumann, "sie ziehen alles nach unten. Das ist unserer Volkswirtschaft auf Dauer nicht zuzumuten."