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Wieder Wirbel um die Richter-Posten

22-10-2017, 06:00

Österreichs größtes Gericht beschäftigt schon wieder die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Genauer gesagt der für die Postenbesetzungen zuständige Personalsenat. Bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ging dieser Tage die bereits zweite Sachverhaltsdarstellung ein, die wieder die Bestellung von Richtern betrifft und den Vorwurf des Amtsmissbrauchs erhebt. Absender ist auch diesmal der "Verein gegen die Freunderlwirtschaft", eine parteiunabhängige Plattform von Juristen und verärgerten Bürgern.

Die Anzeige wird derzeit geprüft, bestätigt die WKStA. Auch die Anfangsverdachtsprüfung der ersten Sachverhaltsdarstellung von Frühjahr sei "derzeit noch nicht abgeschlossen". Es gilt die Unschuldsvermutung.

Foto: / Georg Stefanik/Bundespressedienst Der parteipolitisch austarierte Personalsenat besteht aus SPÖ-Gerichtspräsident Harald Perl (Bild), seinem ÖVP-Vize Michael Sachs und fünf Richtern. Den Vorwurf parteinaher Postenbesetzungen muss sich das Gremium seit seinem Bestehen gefallen lassen. Gleich beim Start wechselten Mitarbeiter aus roten und schwarzen Ministerkabinetten auf die sicheren Richterjobs, das ging so weiter.

Die aktuelle Anzeige bezieht sich auf die Bestellung von fünf Richtern mit 1. September. Wieder wurden die heftig umstrittenen Kreuzreihungen vorgenommen.

Das System funktioniert so: Der Senat schlägt pro Posten die drei bestgereihten Kandidaten vor, die jeweilige Nummer eins wird dann von der Regierung im Ministerrat abgenickt. Kandidat A wird beispielsweise für Posten Nummer eins als Erstgereihter (= Bestqualifizierter) gereiht. Kandidat B ist Zweitgereihter. Für einen anderen Posten ist plötzlich Kandidat B der Erstgereihte, Kandidat A scheint als Nummer zwei auf. Obwohl für jeden Posten dieselbe Qualifikation erforderlich ist. Übers Kreuz gereiht wurde auch im Vorjahr bei fast allen Dreier-Vorschlägen für die Bestellung von 40 Richtern.

Kandidat A könne nicht ein Mal als Bester gereiht sein, das andere Mal aber plötzlich der schlechtere Kandidat sein, argumentieren die Kritiker. Sinn des Systems sei es, unliebsame Kandidaten auszuschließen und die Gesamtzahl der Spitzenkandidaten einzugrenzen.

BVwG-Sprecherin Dagmar Strobel-Langpaul erklärt dazu, der Personalsenat mache der Regierung "einen eindeutigen Vorschalg, wer die am besten Qualifizierten sind". Die Regierung sei an diese Empfehlung nicht gebunden, "bisher wurden allerdings immer die Erstgereihten dem Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen". Das Prozedere durch den Ministerrat sei ein reiner Formalakt, kontern die Kritiker.

Vielen Richtern stößt besonders auf, dass ausgerechnet Mitarbeiter von Ministern, die es auf Richterposten geschafft haben, anschließend doch Wichtigeres vorhaben. Das Gericht leidet ohnehin nicht an Personalüberschuss.

Eine Mitarbeiterin aus dem Kabinett von Noch-Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ), die mit Jahresbeginn 2017 in den Richterstand wechselte, zog ihren Karenzierungsantrag jedoch einen Tag später wieder zurück.

Alpenkonvention wichtiger als Gericht

Anders der Fall des Ex-Sekretärs von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP). Kurz nachdem Stephan Wiener im Vorjahr zum Richter bestellt wurde, vermeldeten Gerüchte, er wolle sich karenzieren lassen. "Stimmt nicht, ist nicht geplant", dementierte man damals im Ministerkabinett auf die Anfrage des KURIER.

Wiener jobbte gerade mal drei Monate als Richter in Innsbruck, mit 1. April 2017 musste er karenziert werden. Die Betonung liegt auf musste.

Der Tiroler Jurist werkt derzeit nämlich für die Internationale Alpenkonvention in Innsbruck. Österreich hat bis Oktober den Vorsitz, geleitet von Minister Rupprechter.

Wird ein Richter befristet zum Mitglied einer "zwischenstaatlichen Einrichtung" bestellt, kann sein Antrag auf Karenzurlaub gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, heißt es im Gesetz. Wiener ist bis Ende 2018 beurlaubt, dann kann er auf die sichere Richterbank zurück.

Sein Richterjob wurde im September nachbesetzt. Gemeinsam mit vier weiteren Posten, einer wegen Pensionierung, der Rest "vor allem wegen mutterschaftsbedingter Karenzierungen", so die Gerichtssprecherin. Die Nachbesetzungen seien notwendig, weil das Gericht "mit einem extrem hohen Verfahrenseingang konfrontiert ist. Allein 2017 ist ein Neueingang von über 40.000 Verfahren zu erwarten". Den Vorwurf parteinaher Besetzungen weist Strobel-Langpaul vehement zurück. Der Personalsenat sei unabhängig und von der Mehrheit der Richter gewählt worden.

3. Flughafenpiste: Ermittlungen

Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt indessen nach wie vor gegen zwei der drei Richter, die gegen den Bau der dritten Piste am Flughafen Wien entschieden haben. Der Vorwurf lautet auf Befangenheit bzw. Amtsmissbrauch. Das Verfahren ist über das Stadium der Vorprüfung hinaus.

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