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Volksbank-Wien-Chef: "Sparer werden immer ärmer"

16-10-2017, 06:00

Österreichs Volksbanken haben einen Rosskur hinter sich. Nach der Fast-Pleite ihres Spitzeninstituts ÖVAG und staatlicher Hilfe wurde der Sektor radikal umgebaut. Aus 56 Volksbanken wurden durch einen Fusions-Marathon neun plus eine Spezialbank, die Ärzte- und Apothekerbank. Was die nächste Herkulesaufgabe für die Volksbanken ist und warum die tiefen Zinsen für Bank und Kunden ein Drama sind, erklärt Gerald Fleischmann, Chef des Sektor-Spitzeninstituts Volksbank Wien, im KURIER-Gespräch.

KURIER: Können Sie nach so vielen Fusionen das Wort Fusion überhaupt noch hören?

Gerald Fleischmann: Es fehlt noch die Fusion der Volksbank Horn mit der Landeshauptstadt-Volksbank. Die kommt im zweiten Quartal 2018. Dann erst ist es geschafft.

Was war das Schwierigste auf diesem Weg?

Das Schwierigste war, allen Beteiligten klar zu machen, dass die Fusionen notwendig sind, dass wir nur damit zu einer effizienten Struktur kommen. Außerdem war das eine Auflage der Europäischen Zentralbank und des Staates für das Fortbestehen des Sektors. Aber alle Fusionen waren auf freiwilliger Basis. Das heißt: Wir mussten 48 Mal verhandeln, 48 Mal überzeugen.

Sind die Volksbanken jetzt so stark, dass sie schon Börsepläne wälzen?

Das ist derzeit kein Thema. Als Volksbank Wien sind wir eine Aktiengesellschaft. Wir haben im Moment ausreichend Kapital. Sollten wir einmal Kapital brauchen, kann das eine Option sein. Wir haben durch die Fusionen viel eingespart. Was es vorher zum Beispiel drei Mal in drei Volksbanken in Tirol gegeben hat, gibt es jetzt nur noch ein Mal in Innsbruck. Betriebsmitarbeiter gibt es außerhalb der Landeshauptstadt nicht mehr. Und das in allen Bundesländern, wobei das Burgenland von Wien mitbetreut wird.

Reicht das?

Nein. Wir fassen die kleineren Filialen in größere zusammen, die mindestens fünf Mitarbeiter haben. Wir sind bereits von 460 auf 360 Filialen zurückgegangen. Mit dem Filialnetz sind viele Kosten verbunden: 100 Filialen weniger heißt 100 Mal weniger Miete und Instandhaltung. Wir waren vor 18 Monaten noch bei 4600 Mitarbeitern, jetzt sind wir unter 4000. Diese Reise ist nicht zu Ende.

Eine neue Sparwelle?

Wir müssen von einem Verhältnis der Kosten zu den Erträgen von derzeit über 80 Prozent auf 60 Prozent kommen. Das heißt mindestens 100 Millionen Euro einsparen.

Andere Banken digitalisieren massiv, um die Kosten zu senken. Kommen die Volksbanken da noch nach?

Ja, wir haben einen Startnachteil, weil wir erst vor zwei Jahren mit Kosteneinsparungen begonnen haben. Unser Vorteil aber ist, wir sind jetzt eine Bankengruppe mit nur noch neun Banken. Und wir haben ein ausgeprägtes Weisungsrecht der Zentrale. Da setzt man Effizienzmaßnahmen schneller durch als wenn man 40 oder 50 Einzelbanken hat. Und die Digitalisierung schreitet so schnell voran, dass das, was vor fünf Jahren neu war, heute alt ist. Die Umsetzung neuer IT geht auch viel rascher als früher. Da sind wir gut dabei. Wir bieten Online-Kredite und Handy-zu-Handy-Banking.

Kunden verstehen das Jammern der Banken nicht, da die Banken keine Sparzinsen mehr zahlen ...

Die Nullzinsen sind auch für Banken ein Problem. Wir zahlen 0,1 Prozent an die Sparer und müssen das Geld, das wir bekommen, zu minus 0,4 Prozent bei der Europäischen Zentralbank anlegen. Wir haben noch immer eine Milliarde bei der EZB liegen.

Sie könnten auch mehr Kredite vergeben ...

Tun wir auch. Aber die Kunden legen noch immer sehr viel Geld aufs Sparbuch, der Zufluss ist groß. Die Idee der Sparer ist offenbar: Ich bekommen weniger Zinsen, daher muss ich mehr sparen, um künftig das gleiche Kapital zu haben. Aber die Sparer werden ständig ärmer. Mit dem niedrigen Zinsniveau dauert es Hunderte von Jahren, bis man sein eingesetztes Kapital verdoppelt. Unser Pensionssystem ist aber auf Kapitalaufbau aufgesetzt.

Wer soll das ändern?Ich glaube, die EZB wird die Zinsen nicht so schnell anheben. Wir müssen mit diesem System leben lernen. Langfristig ist das ein großes politisches Thema: Wie funktioniert der Aufbau von Vermögen, wenn es keine Zinsen mehr gibt? Da ist die Politik gefordert. Das ist von der EZB eine sehr kurzfristige Sichtweise.

Die Politik wird die Zinsen nicht anheben können. Was soll sie tun?

Die Politik muss dafür sorgen, dass die Wirtschaft stärker wächst. Sie muss die Rahmenbedingungen dafür setzen. Dann können auch die Zinsen wieder steigen. Die Amerikaner schaffen das ja auch.

Eigentlich ist Gerald Fleischmann Techniker und Mathematiker. 1994 begann er in der GiroCredit denn auch in einem „technischen Bereich“, dem Handel mit strukturierten Produkten. 1998 wechselte er zur Erste Bank, wo er zunächst für Derivate, dann für das Treasury  zuständig war. 2014 wurde er Chef der Salzburger Sparkasse, 2015 dann der Volksbank Wien.

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