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Staatsunterneh­men: Mehr Staat statt privat

15-10-2017, 06:00

Nicht alle Privatisierungen wurden eine Erfolgsgeschichte wie die Voest. Die Wickel mit den Mexikanern bei der Telekom Austria, der Wirbel um Kassemachen und Russen-Interessen beim Öl- und Gaskonzern OMV, zuvor die Schließung des letzten Werkes der Austria Tabak – inzwischen wettern nicht nur Gewerkschaft und Linke gegen den Abverkauf von Staatsbeteiligungen. Auch in konservativen Wirtschaftskreisen wurde die Kritik am Kontrollverlust über maßgebliche österreichische Unternehmen und kritische öffentliche Infrastruktur immer lauter.

Die Doktrin von ÖVP-Übervater Wolfgang Schüssel – "mehr privat, weniger Staat" – gilt nicht mehr. Für Parteichef Sebastian Kurz und sein Wirtschaftsteam sind Privatisierungen kein ideologisches Kampfthema mehr, mit dem man heute wahltaktisch ohnehin kaum noch jemanden begeistern kann, sondern eine Frage pragmatischer wirtschaftspolitischer Abwägungen.

"Wir brauchen eine mittel- und langfristige Strategie, wie mit den gesamten Beteiligungen der Republik umzugehen ist", heißt es aus dem Umfeld von Kurz. Was so logisch klingt, schafften alle rot-schwarzen Regierungen trotzdem bis heute nicht. Zu hoch waren die ideologischen Hürden. Kam man sich endlich einmal näher, scheiterte eine Lösung verlässlich an den ÖBB.

Die Pläne von Kurz & Co. für die Unternehmen bzw. die Beteiligungen der Republik sind noch nicht bis ins Detail ausgefeilt, die große Linie zeichnet sich aber klar ab.

Nicht zum Verkauf ausgeschrieben sollen die klassischen Infrastruktur-Unternehmen werden. Wie die ÖBB, der Autobahnbetreiber Asfinag sowie die noch verbliebenen Anteile an Telekom Austria, dem Stromkonzern Verbund und der OMV. Wieder ist die Rede von einer Infrastruktur-Holding, die Finanzminister Hans-Jörg Schelling bereits skizzierte. Das Konzept landete damals im Papierkorb.

In dieser Holding sollen alle für die öffentliche Daseinsvorsorge bedeutsamen Unternehmensteile gebunkert werden, vom Breitband bis zu den Strom- und Gasleitungen. Die ÖBB allerdings könnte als Ganzes unter das Dach dieser neuen Holding fahren, womit die alten Ängste über eine Zerschlagung der Bahn neutralisiert würden.

Wo diese Steuerungsholding angesiedelt würde, ist noch nicht klar. Ihre Notwendigkeit wird mit der Puffer-Funktion zwischen der Politik bzw. den Ministerien und den Unternehmen erklärt.

Die Bedeutung der teilstaatlichen Casinos Austria für die Infrastruktur hält sich zwar in Grenzen, das Kurz-Team will trotzdem die Drittel-Beteiligung des Staates erhalten. Glücksspiel ist sozialpolitisch heikel, wirft aber hohe Steuern ab. Pech für die tschechischen Milliardäre, die auch noch auf den Staatsanteil spitzen.

Ein bisserl Privatisieren ginge für das neue ÖVP-Team schon, konkrete Unternehmen will allerdings niemand nennen. Kann sich wohl nur um wirtschaftspolitisch "unverdächtige" Betriebe wie die Bundesforste oder die BIG handeln. Möglicherweise auch Teile der Post, die nicht in der Infrastruktur-Holding abgesichert wären. "Keine Schnellschüsse, kein Husch-Pfusch" wird versichert. So schön Einmal-Effekte fürs Budget seien, müsse man auch die langfristigen laufenden Dividendenaussichten und die Folgen für den Wirtschaftsstandort berücksichtigen.

Ganz neue Töne für die ÖVP, die man am Schwarzenbergplatz (Sitz der Industriellenvereinigung) nicht sehr goutieren wird.

Die Kurz-Truppe geht noch weiter und diskutiert darüber, neue Beteiligungen an Unternehmen einzugehen. Vorausgesetzt, "es macht industriepolitisch und für den Standort Österreich Sinn". Das bedeute aber, wird betont, "keine groß angelegten Verstaatlichtungen". Die Beteiligungen sollen befristet sein und nicht für alle Ewigkeit.

Von der SPÖ ist Kurz damit nicht so weit entfernt. Die frühere SPÖ-Politikerin und ehemalige Spitzenmanagerin, ÖBB-Aufsichtsratschefin Brigitte Ederer, hatte im Frühjahr einen Österreich-Fonds vorgeschlagen. Etwa, um Firmenübernahmen durch die Chinesen zu verhindern. Ihr Parteikollege, Infrastruktur-Minister Jörg Leichtfried , forderte Ähnliches.

Wird Kurz die Nummer eins, dürfte auch die Staatsholding ÖBIB neu aufgestellt werden. Das reichlich seltsame Auswahl-Prozedere bei der Bestellung von Aufsichtsräten für die Unternehmen wäre vermutlich Geschichte. Der Vertrag von ÖBIB-Chefin Martha Oberndorfer (ÖVP)läuft ohnehin im Juni 2018 aus.

Beim Name-Dropping, wer sonst noch verabschiedet wird, sind alle Insider noch vorsichtig. Sollten die Roten nicht mehr in der Regierung sein, könnte Telekom-Aufsichtsratsschef Wolfgang Ruttenstorfer (SPÖ) gehen. Der von der ÖVP nicht besonders wertgeschätzte ÖBB-Chef Andreas Matthä ist bis 2021 bestellt, eine vorzeitige Vertragsauflösung wäre für die Steuerzahler teuer. Keine Kosten würde die Demontage von Ederer verursachen, aber die Top-Wirtschaftsfrau der SPÖ abzumontieren, ist politisch nicht geschickt.

ORF

Wäre noch der ORF. ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel bestätigt, dass man eine Privatisierung des Staatsfunks nicht auf der Agenda habe. Ihm schwebt stattdessen eine große digitale Vermarktungskooperation vor. Mit Beteiligung des ORF, aller Privatsender und den digitalen Bereichen der Printmedien. Der ORF sollte online wie ein Medienkonzern agieren dürfen, aber einen Teil des Gewinns an die Privaten abgeben. Was die mit Steuergeld finanzierte Presseförderung ersetzen sollte.

Noch offen ist die Umwandlung des ORF in eine Aktiengesellschaft, eine alte Idee der ÖVP. Der auf 35 Mitglieder aufgeblähte, politisch austarierte Stiftungsrat könnte durch einen wesentlich kleineren Aufsichtsrat ersetzt werden, dessen Haftung für seine Entscheidung endlich ganz klar definiert wäre. Außerdem könnten die Betriebsräte bei der Bestellung des Spitzenmanagements nicht mitstimmen. Andererseits, gibt Blümel zu bedenken,"wie werden dann die Aufsichtsräte nominiert? Vermutlich so wie derzeit die Stiftungsräte". Was dann keinen Unterschied machen würde. ORF-General Alexander Wrabetz würde sich bei einer schwarz-blauen Regierung vermutlich nicht lange halten. Oder doch – beim Taktier-Weltmeister Wrabetz ist alles möglich.

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