Der Verfassungsgerichtshof befasst sich mit der Übertragung von Bank-Austria-Mitarbeitern in die allgemeine Sozialversicherung und damit in die staatliche Pensionsversicherung. Die Hauptfrage ist, ob die Bank nach langjähriger Praxis eine Mitgift von 240 Mio. Euro leisten muss, oder ob es ein Sonderfall war, für den ein eigenes Gesetz mit einer Verdreifachung auf 790 Mio. Euro gerechtfertigt ist.
Ausgangspunkt für den Streit ist die Entscheidung der Bank Austria von Ende 2015, ab 2016 Mitarbeiter von der hauseigenen Sozialversicherung in das ASVG zu übertragen. Als Ausgleich für Pensionsbeiträge hat die Bank Austria vorgesehen, pro Arbeitsjahr 7 Prozent des letzten Gehalts jedes Mitarbeiters an die Pensionsversicherungsanstalt zu zahlen. Dieser Satz wurde für ähnliche Fälle seit 1955 angewendet. Das hätte für die laut Gerichtsunterlagen betroffenen 3.028 Mitarbeiter rund 240 Mio. Euro ausgemacht. Nach einem öffentlichen Aufschrei hat die Republik Österreich aber daraufhin im März 2016 rückwirkend das ASVG novelliert und dabei den Beitragssatz auf 22,8 Prozent mehr als verdreifacht. Dadurch wären 790 Mio. Euro fällig. In diesem Streit geht es also nicht nur juristische Spitzfindigkeiten, sondern um mehr als eine halbe Mrd. Euro.
Die Bank Austria beruft sich für ihren Schritt auf eine seit 1955 bestehende gesetzliche Grundlage und gelebte Praxis, wonach Dienstgeber für Arbeitnehmer beim Wechsel aus dem ASVG in andere Systeme (Beamte oder Banken) pro Arbeitsjahr 7 Prozent Beitrag nachzahlen musste - aber auch umgekehrt, wenn Beamte oder Bankmitarbeiter in das ASVG wechselten, eben dieser Satz von 7 Prozent zur Anwendung kam. Dies sei eine ohne Ausnahmen durchgehend gelebte Praxis gewesen, argumentierten Vertreter der Bank heute Mittwoch vor dem VfGH. Das sei zwar im konkreten Fall vorteilhaft für die Bank, in der Vergangenheit sei es aber auch schon von Nachteil gewesen.
Unterstützung erhält die Bank Austria vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG), der den VfGH angerufen hatte und wie die Bank Austria argumentiert, dass das Gesetz 2016 anlassbezogen und rückwirkend geändert wurde und dass die "Sachlichkeit" einer Verdreifachung des Beitragssatzes "zumindest als fraglich" erscheine. Es stimme zwar, dass der Übergang der Pensionsansprüche ohne Beendigung des Dienstverhältnisses bis zur Novelle 2016 nicht ausdrücklich geregelt war, man hätte aber aus Sicht des BVwG diese Lücke der Judikatur per Analogie schließen können und hätte keine Novelle gebraucht. Aufgrund des Volumens von 500 Mio. Euro sei es eine erhebliche, systemwidrige, rückwirkende und damit möglicherweise verfassungswidrige Regelung.
Vertreter der Republik Österreich verweisen hingegen darauf, dass das Sozialministerium ab den ersten Gesprächen im Jänner 2016 immer darauf hingewiesen habe, dass diese Übertragung aus ihrer Sicht nicht vom ASVG gedeckt sei. Es habe sich daher kein Vertrauen auf die Zulässigkeit der Vorgehensweise entwickeln können. Der Vorgang sei nicht schützenswert, weil sich dadurch die Bank Austria Vorteile verschafft habe, die zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft gingen. Das Gesetz verlange die Beendigung des Dienstverhältnisses, um einen Übergang in das ASVG zu ermöglichen. Dazu komme, dass bisher Wechsel in beide Richtungen vorkamen, mögliche Systemfehler sich also ausglichen. Da aber das Bank-Austria-Versicherungssystem beendet wurde, sei ein Wechsel zurück unmöglich, es sei eine "Einbahnstraße" geworden.
"Es mag sein", dass es in der Vergangenheit "den einen oder anderen Fall" gegeben habe, wo ein Arbeitnehmer ohne Beendigung des Dienstverhältnisses in das ASVG gewechselt sei, aber nur weil "in der Verwaltungspraxis der eine oder andere Fall durchgerutscht ist", könne man nicht aus einer "rechtswidrigen Verwaltungspraxis in einzelnen Fällen" einen allgemeine Anspruch ableiten.
Umstritten ist auch ein VwGH-Urteil aus dem Jahr 1993. Damals wurde einem deutschen Professor der Übergang aus der Beamtenpension in das ASVG erlaubt, weil er seine österreichische Staatsbürgerschaft verlor, bevor sein Dienstverhältnis endete. Aus Sicht der Bank Austria ist das beispielhaft dafür, dass das Ende des Pensionsanspruches entscheidet und nicht das Ende der Anstellung. Aus Sicht der Republik Österreich war es ein Sonderfall für eine Person, die sonst alle Ansprüche verloren hätte.
Einig sind sich alle, dass der Beitragssatz von sieben Prozent, der seit 1955 nicht angehoben wurde - obwohl die Pensionsbeiträge des ASVG seither gestiegen sind - heute zu niedrig liegt. Bank-Austria-Vertreter deuteten an, dass sie nicht vor Gericht gezogen wären, wenn der Beitragssatz nur auf ein aktuelles Niveau angehoben worden wäre.
In vorsichtigen Worten deuteten die Bank-Austria-Vertreter an, dass der Staat mit dem jahrzehntelang stabil gehaltenen Beitragssatz wohl den Übergang von Beamten in das ASVG fördern und erleichtern wollte und "möglicherweise" ein Anreiz zum Übergang in das ASVG bestand. Vertreter der Republik Österreich wiesen das von sich, der Gesetzgeber habe keinen Anreiz geschaffen, so vorzugehen, wie es die Bank Austria tat, denn man habe davon ausgehen "müssen", dass das Gesetz auf diesen Fall nicht anzuwenden ist.
Vor dem VfGH fand heute, Mittwoch, eine mündliche Verhandlung statt, der Gerichtshof wird in den nächsten Wochen mündlich oder schriftlich die Entscheidung verkünden. Verfassungsrechtler Theo Öhlinger von der Universität Wien sagte noch vor der mündlichen Verhandlung im "ORF-Morgenjournal", es sei ein allgemein gültiges Gesetz, das nur aus Anlass der Bank Austria so gemacht worden sei "und insofern ist es natürlich eine Lex Bank Austria". "Ich glaube, dass die Bank Austria gute Aussichten hat", dass der VfGH in ihrem Sinne entscheidet. "Leider, würde ich als Steuerzahler sagen, aber der Gesetzgeber scheint hier wirklich einen gewissen Murks gemacht zu haben, weil er so spät das Gesetz änderte", so Öhlinger.
SPÖ-Sozialminister Alois Stöger sagte hingegen laut "Ö1-Morgenjournal": "Für mich ist es wichtig, dass es keine Sanierung einer Bank auf Kosten der Steuerzahler gibt. Für die Bank Austria gilt der gleiche Beitragssatz wie für alle anderen, nämlich 22,8 Prozent. Das ist eine faire Lösung und ich bin mir sicher, sie ist auch verfassungskonform."