KURIER: Im Burgenland stehen so viele Windräder wie in keinem anderen Bundesland. Sie wollen weiter ausbauen. Gibt es noch Platz dafür?
Michael Gerbavsits: Ja. Im Mittelburgenland stehen erst zwei Windparks und es ist auch im Norden noch etwas möglich.
Kein Widerstand der Bürger?
Eine konkrete Planung gibt es erst dann, wenn die Landesregierung Eignungszonen festgelegt hat. Das war schon bisher der Erfolgsweg im Burgenland. Deswegen hat es nie Bürgerproteste gegen Windräder gegeben. Im Vorfeld wurde alles mit Vogelschutz, Umweltschutz, Weltkulturerbe und den Gemeinden abgeklärt.
Nun kommt die dritte Ausbaustufe. Was haben Sie da vor?
Wir planen 67 Anlagen, davon sind 19 neu und 48 Repowering-Projekte. Das sind Windräder aus der ersten Ausbauphase 2003, die abgebaut und durch neue ersetzt werden. Das Spannende daran: Nach dieser Ausbauphase werden weniger Anlagen stehen als bisher. Ende des Jahres haben wir heuer 225 Windanlagen. Nach der dritten Ausbauphase von 2019 bis 2022 werden wir nur 215 Anlagen mit 100 MW mehr Leistung haben.
Wie geht das?
Die neuen Anlagen sind leistungsfähiger. Wir feiern heuer 20 Jahre Windkraft. Die ersten Anlagen hatten 0,5 MW, die aktuellen haben 3,3 MW Leistung.
Möglich ist der Ausbau trotzdem nur mit Förderungen. Würden Sie ohne die im Sommer beschlossene Ökostromnovelle auch so stark ausbauen?
Für uns war diese Novelle sehr wichtig. Sie bringt 45 Millionen Euro pro Jahr auf 13 Jahre, also insgesamt 585 Millionen Euro. Damit werden österreichweit rund 600 MW Windenergieleistung dazu kommen.
Das ist viel Geld, das die Stromkunden zahlen müssen ...
Ich glaube, dass wir nicht so viel brauchen werden, weil der Strompreis allmählich steigt.
Die kommende Regierung kann sich also gemütlich zurücklehnen, wenn es um Ökostrom geht ...
Nein. Wir brauchen ein neues Ökostromgesetz. Mit der Novelle werden ja nur die bereits eingereichten Projekte umgesetzt. Das nächste Ökostromgesetz aber muss die Voraussetzungen schaffen, dass auch langfristig die Klimaziele eingehalten werden können. Da geht es auch um CO2-Reduktion im Verkehr und der Raumwärme. Dort wird Strom wichtiger.
Der Strombedarf wird also steigen müssen?
Der Anteil von Strom am Gesamtenergieverbrauch wird um rund ein Drittel zunehmen. Das ist machbar. Aber der Gesetzgeber ist gefordert, dafür Gesetze zu beschließen.
Was wünschen Sie sich von einem neuen Ökostromgesetz?
Es ist klar, dass nicht zuletzt wegen der EU-Vorgaben ein wettbewerbsorientierteres System kommen muss.
Das heißt?
Ich präferiere ganz klar ein Marktprämienmodell. Dabei gleitet die Förderung mit den Großhandelspreisen mit. Steigen diese, geht die Prämie zurück. Investitionsförderungen haben nämlich einen großen Nachteil: Sie werden vor Baubeginn vergeben. Bei niedrigem Großhandels-Strompreis wie jetzt würde man eine sehr hohe Invest-Förderung brauchen. Wenn der Großhandelspreis steigt, ist der Invest-Zuschuss schon vergeben.
In Deutschland gab es kürzlich Ausschreibungen für neue Anlagen. Da gab es Angebote, die ohne Förderung auskommen. Warum nicht auch bei uns?
Bei den Ausschreibungen bin ich skeptisch. Denn es ist nicht Sinn der Sache, dass Projekte eingereicht werden, die dann nicht umgesetzt werden. Mit null Förderung gibt es keinen Ausbau.
Welchen Preis braucht Windenergie, damit sie sich rechnet?
Wir haben 2015 eingereicht. Da lag der Fördertarif bei 9,27 Cent je kWh. Ab 2020 wird er unter acht Cent liegen. Da müssen wir schauen, dass wir die Kosten entsprechend senken.
Wo kann die Energie Burgenland sparen?
Etwa bei den Wartungskosten und generell beim Personal. Wir wollen ab 2020 jährlich sieben Millionen Euro gegenüber 2015 einsparen. Das heißt Personalreduktion um etwa sechs Prozent. Derzeit beschäftigen wir 900 Mitarbeiter. Es werden aber auch die Anlagenbauer nachgeben müssen. Sie werden leistungsfähigere Anlagen anbieten müssen, aber bei den Preisen moderat bleiben. Die goldene Zeit mit zweistelligen Renditen ist jedenfalls vorbei.
Zweistellige Renditen haben der Branche viel Antipathie eingebracht ...
Diese Renditen hat es nur in der Anfangszeit gegeben. Davon sind wir jetzt deutlich entfernt. Die Gesamtkapitalrendite liegt um die sechs Prozent und es wird eher noch weniger.
Auch diese sechs Prozent sind in einem Nullzins-Umfeld noch viel ...
Das kann man nicht vergleichen. Man trägt ja trotzdem das Investitionsrisiko und das Vermarktungsrisiko. Derzeit hat die Energie Burgenland ungefähr 200 Megawatt aus der Förderung draußen. Diesen Strom bei den tiefen Marktpreisen zu verkaufen und eine schwarze Null damit zu schreiben, ist schwierig.
Trotzdem nimmt die Energie Burgenland für den Wind-Ausbau viel Geld in die Hand. Wie viel kostet das?
In die dritte Wind-Ausbauphase fließen 420 Millionen Euro – in Anlagen und Netz. Allein wenn sich die E-Mobility durchsetzt, werden die Anforderungen ans Netz enorm steigen. Zum Beispiel: Alle Haushalte wollen nach 18 Uhr ihr Auto zu Hause mit einem Schnelllader auftanken. Dafür wird es intelligente Systeme und stärkere Netze geben müssen.
Wird das Netz für die Kunden dadurch teurer?
Nicht unbedingt. Der Regulator gibt ja strenge Effizienz-Kriterien vor. Seit Beginn der Liberalisierung 1999 haben sich die Netzkosten damit halbiert. Wenn jetzt große Investitionen kommen, wird das aber über etwas höhere Netzkosten abgegolten werden müssen.
Könnte die Digitalisierung den starken Netzausbau überflüssig machen?
Man muss realistisch bleiben. Blockchain wird das eine oder andere Marktfeld gewinnen. Aber wir reden von einem großen Ausbau der Stromerzeugung. Dafür werden die Netze massiv ausgebaut werden müssen.
Foto: /STEVE HAIDER/www.steve.haider.co
Zur Person:
Der gebürtige Burgenländer (Jahrgang 1967) Michael Gerbavsits kam 2010 in den Vorstand des Stromversorgers Bewag, der ein Jahr später mit der Begas zur Energie Burgenland fusioniert wurde, der er seither vorsteht. Vor seinem Einstieg in den Energiebereich war er Landesdirektor der Bank Austria und saß im Bewag-Aufsichtsrat. Politisch ist Gerbavsits in der SPÖ verankert, 1995/96 war er Wahlkampfmanager der Partei im Burgenland. Er ist Vater von drei Söhnen.