Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Konjunkturprognose für das laufende Jahr deutlich angehoben. Die deutsche Wirtschaft werde 2017 um 1,9 Prozent wachsen, heißt es im Herbstgutachten, das die fünf Institute am Donnerstag veröffentlicht haben. Bisher waren sie von 1,5 Prozent Wachstum ausgegangen.
Dank des anhaltenden Wirtschaftsbooms erwarten die Ökonomen in ihrer Gemeinschaftsdiagnose stärker sprudelnde Einnahmen: Für dieses Jahr zeichne sich ein Anstieg des Budgetüberschusses des Gesamtstaates von fast 26 Mrd. auf gut 28 Mrd. Euro ab. 2018 dürfte das Etatplus auf gut 37 Mrd. und 2019 auf 44 Mrd. Euro klettern. Die Überschüsse seien nur zum kleineren Teil konjunkturell bedingt.
Von der künftigen Koalition fordern die Top-Ökonomen eine Entlastung der Steuerzahler bei der Einkommensteuer. "Aber auch bei den Sozialabgaben, die gerade für Bezieher niedrigerer Einkommen von besonderer Bedeutung sind, bestehen Spielräume, insbesondere in der Arbeitslosenversicherung." Angesichts der Alterung der Gesellschaft seien Korrekturen bei den Sozialversicherungen angezeigt.
Vor allem die Situation der gesetzlichen Rentenversicherung dürfte sich mittel- bis langfristig spürbar verschlechtern, warnen die Forscher. Die deutsche Wirtschaft durchlaufe ein Zwischenhoch bei den potenziellen Wachstumsraten, "die im kommenden Jahrzehnt aus demografischen Gründen deutlich geringer ausfallen werden".
Die führenden Institute sehen Deutschland im Dauer-Aufschwung. Das sagen die Ökonomen in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Herbstgutachten für die Bundesregierung konkret voraus:
WACHSTUM
Die deutsche Wirtschaft ist besser in Schwung als noch im Frühjahr erwartet. Die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes wurde für dieses Jahr von 1,5 auf 1,9 Prozent angehoben, für 2018 von 1,8 auf 2,0 Prozent. Für 2019 erwarten die Forscher ein ähnlich starkes Plus von 1,8 Prozent. Konsum, Investitionen, Bauboom und Exporte sollen jeweils zum Wachstum beitragen.
ARBEITSMARKT
Der jahrelange Boom schlägt sich in der Beschäftigung nieder. Bis 2019 soll die Zahl der Erwerbstätigen auf den Rekordwert von rund 45,2 Millionen steigen. Das wären rund eineinhalb Millionen Beschäftigte mehr als 2016. Die Arbeitslosigkeit wird den Prognosen zufolge im kommenden Jahr erstmals seit der Wiedervereinigung unter die Marke von 2,5 Millionen fallen und 2019 bei 2,38 Millionen liegen. Das wären gut 300.000 weniger als 2016.
INFLATION
Die Verbraucher müssen sich auf stärker steigende Preise einstellen. Lag die Inflationsrate im vergangenen Jahr noch bei 0,5 Prozent, so dürfte sie sowohl 2017 als auch 2018 bei 1,7 Prozent und 2019 sogar bei 1,8 Prozent liegen. Ein Grund dafür sind die Ölpreise, bei denen kein Rückgang mehr erwartet wird.
LÖHNE
Auch hier rechnen die Experten mit einem verstärkten Aufwärtstrend. Die Verdienste je Arbeitnehmer sollen in diesem Jahr um 2,5 Prozent zunehmen, 2018 um 2,9 Prozent und 2019 um 3,2 Prozent. Im Vorjahr waren es 2,4 Prozent. Den Unternehmen fällt es schwerer, neue Mitarbeiter zu finden. Sie dürften daher eher bereit sein zu Lohnerhöhungen, um Beschäftigte zu locken und zu halten. Wegen der steigenden Inflation dürften zudem die Gewerkschaften auf höhere Tarifabschlüsse drängen, erwarten die Ökonomen.
STAATSFINANZEN
Hier kann die neue Regierung wegen der im Aufschwung sprudelnden Steuerquellen aus dem Vollen schöpfen. In diesem Jahr sollen die Staatseinnahmen die Ausgaben um gut 28 Mrd. Euro übertreffen, 2018 sogar um 37 Mrd. Euro und 2019 um fast 44 Mrd. Euro. 2019 soll der Schuldenstand des Staates erstmals seit Jahren unter die Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen, die in den EU-Verträgen als Obergrenze vorgesehen ist.
LEISTUNGSBILANZ
An den von den USA und der EU-Kommission kritisierten enormen Exportüberschüssen soll sich in den nächsten Jahren kaum etwas ändern. Der Leistungsbilanzüberschuss soll bei jeweils knapp acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes verharren. Die EU-Kommission erachtet schon Werte von mehr als sechs Prozent als dauerhaft stabilitätsgefährdend ein - stehen doch Ländern mit Überschüssen solche mit Defiziten gegenüber, die mit Schulden geschlossen werden müssen.
Die traditionell starke Nachfrage aus dem Ausland füllt den deutschen Maschinenbauern die Auftragsbücher. Im August seien die Bestellungen insgesamt um zehn Prozent gestiegen, teilte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) am Donnerstag mit.
Während die Orders aus dem Inland nur um ein Prozent zulegten, habe die Nachfrage im Ausland um 15 Prozent angezogen. Sowohl aus den Euro-Partnerländern als auch aus den Nicht-Euro-Ländern habe es deutliche Zuwächse gegeben.
Die Branche mit rund einer Million Beschäftigten steht vor weiteren Rekordjahren. Sowohl 2017 als auch 2018 wollen die Hersteller ihre Produktion um je drei Prozent steigern.