Heimische Manager verfolgen den Wahlkampf mit Spannung. "Es gibt eine Reihe neuer Proponenten, die die Situation verändert haben", sagt der Investor und Sanierer Erhard Grossnigg. Die SPÖ habe mit ihrem Wahlslogan "Hol dir, was dir zusteht" die Wähler verschreckt. Gleichzeitig kritisiert er Kurz’ Rückzieher beim Anheben des Frauenpensionsalters. "Es erweckt den Eindruck, dass er es mit Reformen nicht so ernst meint", sagt Grossnigg.
Dass der Ex-Grüne Peter Pilz für seine eigene Liste so viel Zulauf bekomme, wundert ihn. Der Wert "Loyalität" scheint verloren gegangen zu sein. Ob sich Irmgard Griss im harten Politikeralltag so gut wie im Bundespräsidentschaftswahlkampf schlagen werde, sei fraglich. An Umfragen glaubt Grossnigg nicht. Er wünscht sich ein Ergebnis, das die fälligen Reformen endlich möglich macht. "Umverteilen kann man nur, wenn es etwas zum Umverteilen gibt." Und das könne nur die Wirtschaft schaffen, die dafür gute Rahmenbedingungen brauche.
"Die SPÖ glänzte zu Beginn des Wahlkampfs mit organisatorischen und personellen Pannen und hat ihr inhaltliches Pulver zu früh verschossen", sagt Norbert Zimmermann, Vorsitzender des Aufsichtsrats bei der Berndorf AG. Kanzler Kern wirke isoliert von der Basis. Die ÖVP zeige genau das Gegenteil, lange Zeit agierte der Spitzenkandidat Kurz nahezu fehlerlos.
Die FPÖ gebe sich offenbar mit Platz drei zufrieden, die frühere Streitbarkeit und Polarisierung sei Gott sei Dank abhandengekommen. Strache mache auf Staatsmann. NEOS haben sich nach dem Kurz-Schock gut konsolidiert, Griss sei eine Verstärkung, die Erneuerungsvorschläge seien erfrischend und originell. Die Grünen sollten laut Zimmermann auf der Hut sein, nicht aus dem Parlament hinausgewählt zu werden. "Es ist kein Profil erkennbar, die Doppelspitze verwirrt."
Die Liste Pilz werde Stimmen der Grünen, SPÖ und FPÖ abwerben, aber nur Links, Aufdecker und ein bisschen Sicherheit sei allerdings noch kein Programm. Wenn Kurz keine Fehler mache, werde er gewinnen und SPÖ und FPÖ sich im Bereich 25 Prozent duellieren. Die Neos schaffen es knapp, die Grünen und Pilz nicht, lautet seine Prognose.
Christian Knill, Geschäftsführer der Knill Gruppe, rechnet ebenfalls mit einem Sieg der ÖVP, vor SPÖ und FPÖ und somit mit einer Koalition zwischen ÖVP mit FPÖ. An diese hätte er auch schon konkrete Wünsche: "Ich fordere eine Reduktion der Lohnnebenkosten durch Einsparungen in der Verwaltung und ohne neue Steuern", sagt Knill. Das Pensionsalter müsse erhöht und an die demografische Entwicklung angepasst werden. "Es muss einen Plan geben, wie wir in der nächsten Regierungsperiode keine neuen Schulden mehr machen", sagt Knill. Abgesehen davon gehöre auch das Arbeitszeitgesetz dringend reformiert.
Heimo Scheuch, Vorstandschef des Ziegelproduzenten Wienerberger, wünscht sich von einer neuen Regierung eine Stärkung des Industriestandortes Österreich. "In Österreich haben wir mit einer Industriequote von 20 Prozent (Anteil an der Bruttowertschöpfung, Anm.) neben Deutschland eine der höchsten Industriequoten der EU. Darauf können wir stolz sein", sagt er. Eine starke Industrie mache Österreich krisenresistenter und schaffe langfristig Arbeitsplätze.
"Die heimische Industrie ist der wichtigste Partner für Wachstum, Innovation und die Bereitstellung von zukunftsorientierten Arbeitsplätzen", meint Scheuch. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, die den Veränderungen der Gesellschaft Rechnung tragen, Investitionen fördern und Arbeitnehmer und Industrie stärken.
Für Johann Marihart, Vorstandschef des Zucker-, Stärke- und Fruchtkonzerns Agrana, war der erste Teil des Wahlkampfs vor allem durch taktische Geplänkel geprägt. Auch er rechnet mit einem Sieg der ÖVP vor SPÖ und FPÖ. Sein dringlichster Wunsch: "Eine Lösung des Ausgabenproblems und damit Entlastung statt Belastung."
Der KURIER hat zahlreiche Unternehmen kontaktiert. Die meisten wollten sich vor der Wahl nicht äußern, daher ist auch leider keine Frau zitiert.
Muss Österreich erst wie das Schweden der Neunzigerjahre mit dem Rücken zur Wand stehen, um echte Reformen durchzusetzen? Gut möglich, meinten Miba-Vorständin Therese Niss und ORF-Stiftungsrat Siegfried Meryn. Beide sind Teil der Experten- und Manager-Initiative „Anpacken“, die der Politik Unterstützung für Veränderung anbietet.
Montagabend diskutierten Vertreter dieser „zivilgesellschaftlichen Initiative“ im Wiener Uniqa-Tower. Hauptproblem für Uniqa-Vorstandsvorsitzenden Andreas Brandstetter ist, dass wir „immer noch Zustände fördern, die nicht zukunftsfähig sind: Wir haben Menschen ohne Jobs und Jobs ohne Menschen“.
Für Bestsellerautor Andreas Salcher ist klar: Würde man heute das Schulwesen neu gründen, würde es niemand mehr in 50-Minuten-Häppchen sowie in Fächer aufteilen, die schon in der Monarchie unterrichtet wurden.
Die Arbeitsmarktspezialistin des Thinktanks „Agenda Austria“, Monika Köppl-Turyna, wünscht sich, dass in Zukunft mehr berufsorientierte Fähigkeiten wie Flexibilität und Teamarbeit vermittelt werden. Und sie warnte davor, dass die hohen Pensionszahlungen Österreichs (Bundeszuschuss zu Pensionen plus Beamtenpensionen: rund 20 Milliarden Euro jährlich) zwar gesellschaftlich akzeptiert seien, jedoch Geld für anderes – etwa Forschung und Universitäten – abziehen. Alle Diskutanten hielten es für ein Warnsignal, dass gut Ausgebildete tendenziell aus Österreich wegziehen. Man müsse eine Vision entwickeln, wo Österreich in einigen Jahren stehen wolle, meinten alle übereinstimmend. Foto: /Uniqa