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Monopoly in der Luft

24-09-2017, 06:00

Ein Jahr schon hat sich die Lufthansa akribisch auf das Sterben des Rivalen Air Berlin vorbereitet. Vergangene Woche ließ Carsten Spohr endlich die Katze aus dem Sack. Er sprach von 78 Flugzeugen – die Hälfte der Air-Berlin-Flotte. Sowie von 3000 Mitarbeitern.

Wenige Stunde später wurde in Deutschland publik, dass Europas größter Luftfahrtkonzern sich die attraktivsten Teile der insolventen Air Berlin herausschneiden darf. Dazu gehört natürlich die Österreich-Tochter NIKI. Die vom Ex-Formel-1-Weltmeister Niki Lauda gegründete Airline beförderte in besten Zeiten knapp fünf Millionen Passagiere.

Ein bisschen was von Air Berlin soll die britsche EasyJet bekommen. Für Laudas Bieterkonsortium mit dem Reiseveranstalter Thomas Cook und dessen deutscher Ferienflug-Tochter Condor würden nur noch einige unattraktive Slots (Start- und Landerechte) bleiben.

70 Prozent Marktanteil in Wien

Geht der Plan des Lufthansa-Chefs auf, der von der deutschen Bundesregierung voll unterstützt wird, bekommt Österreich ein gravierendes Wettbewerbsproblem.

Im ersten Halbjahr 2017 lag der Marktanteil der AUA-Mutter samt allen ihren Töchtern und von Air Berlin bzw. NIKI am Flughafen Wien bei rund 70 Prozent.

Wesentlich wichtiger für die Beurteilung, ob Wettbewerb funktioniert oder nicht, sind in der Luftfahrt aber die Slots. In den ersten beiden Morgenspitzen, den attraktivsten Flugzeiten, kämen der Lufthansa-Konzern und NIKI auf 86 Prozent.

Theo Thanner, Chef der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), ist in Alarmbereitschaft. Auf 19 der 21 NIKI-Destinationen ist auch die Lufthansa unterwegs. Betroffen sind beispielsweise Rennstrecken wie Gran Canaria, Mallorca, Teneriffa, Rhodos, Ibiza und Malaga.

"Die Bildung eines Monopols muss verhindert werden", tönt Österreichs oberster Wettbewerbshüter. Dass ein Monopol die Preise steigen lässt, dafür gebe es genügend Beispiele. Nach der Übernahme der AUA durch die Lufthansa wurden die Tickets von Wien nach Brüssel sofort um 26 Prozent teurer, rechnet Thanner vor. Heute zahle man "bis zu 600 Euro, für nur 900 Flugkilometer".

War der Lufthansa-Boss doch zu optimistisch, als er frohlockte, "dass das, was wir uns vorstellen, genehmigungsfähig ist"?

Kritik von Wettbewerbshüter Thanner

"Kartellrechtliche Sachverhalte beurteilen immer noch die nationalen und die europäischen Wettbewerbsbehörden und nicht Herr Spohr von der Lufthansa", sagt Thanner in die Richtung von Europas einflussreichstem Airline-Chef. Die "Deutungshoheit haben die Europäische Kommission und die Gerichte".

Das Wettbewerbsverfahren wird in Brüssel abgewickelt. Österreichs BWB "kann jederzeit dazu Stellung nehmen und das werden wir auch heftig tun", kündigt Thanner Ungemach an. Die heimischen Wettbewerbshüter sind angeblich schon seit einigen Monaten in Kontakt mit der Lufthansa, haben aber seit August nichts mehr aus Deutschland gehört.

Es geht in der Sache allerdings um viel mehr, als nur um günstige Urlaubsflüge für die Österreicher. Gregor Kadanka, Chef von Mondial und Branchenvertreter der Reisewirtschaft, sorgt sich um den Wirtschaftsstandort: "Wir werden nur noch auf sehr wenigen Strecken Wettbewerb haben". Besonders betroffen seien die Vielflieger in den Unternehmen, "das wirkt sich auf die Reisebudgets großer Firmen in Millionenhöhe aus".

Hohe Preise schaden dem Tourismus

Internationale Unternehmen würden sehr genau überlegen, sich bei hohen Flugkosten in Wien anzusiedeln. Das gelte auch für Institutionen wie etwa die EU-Arzneimittelbehörde EMA, die von London nach Wien kommen könnte.

Negative Auswirkungen befürchtet Kadanka auch auf den Kongress-Tourismus und das Incoming: "Ein Hamburger beispielsweise wird keine Lust haben, das Wochenende in Wien zu verbringen, wenn der Flug alleine schon 300 Euro kostet".

Wäre noch das Cargo-Geschäft. Nicht nur, dass Luftfracht teurer werden könnte. Die zahlreichen Streiks der Lufthansa-Piloten sind noch in schlechter Erinnerung. "Wenn beim Monopolisten gestreikt wird, dann steht zum Beispiel die ganze Autoindustrie", warnt Thanner.

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