Die Arzneimittelwirkstoff-Produktionskette bis nach China sorgt für eine Medikamenten-Affäre. In Europa, auch in Österreich, erfolgt der Rückruf von oft verschriebenen Valsartan-Blutdruckmitteln aus chinesischer Herstellung. Eine Verunreinigung steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Akute Gefahr dürfte kaum bestehen, hieß es beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) in Wien.
"In Österreich sind acht Hersteller betroffen. Es geht um etwa die Hälfte der auf dem Markt befindlichen Valsartan-Arzneimittel", sagte Christoph Baumgärtel vom BASG gegenüber der APA. Die Affäre dürfte europaweit für Schlagzeilen sorgen. Der Wirkstoff Valsartan als Angiotensin-II-Rezeptorblocker ist einer der wichtigsten Wirkstoffe in der Therapie der Hypertonie und in zahlreichen Arzneimitteln als Monosubstanz oder in Kombinationspräparaten enthalten. Brisant ist die Angelegenheit vor allem deshalb, weil in dem Wirkstoff des chinesischen Herstellers Zhejiang Huahai Pharmaceutical N-Nitrosodimethylamin-Verunreinigungen gefunden wurden, welche von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft worden ist. "Es dürfte bei einer Umstellung der Synthese über Lösungsmittel hineingeraten sein", sagte Baumgärtel. Europaweit werde daran gearbeitet, das Ausmaß der Verunreinigung und deren Wertigkeit zu bestimmen. "Soweit man es sagen kann, ist das akut nicht gefährlich."
Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) betonte zu der Valsartan-Affäre, dass Patienten, die Valsartan-haltige Arzneimittel einnehmen, die Medikamente nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen sollten. Denn das gesundheitliche Risiko eines Absetzens liege aktuell um ein Vielfaches höher, als das mögliche Risiko durch eine Verunreinigung.
Laut den Behörden liegen bisher noch keine Erkenntnisse darüber vor, ob und in welchen Konzentrationen die Verunreinigung in den daraus hergestellten Arzneimitteln enthalten ist. Der Rückruf aller betroffenen Chargen erfolge somit europaweit vorsorglich - bis zur Klärung des Sachverhaltes, war am Donnerstag in der Deutschen Apothekerzeitung Online (DAZ Online) zu lesen. Eine erste wissenschaftliche Bewertung des Gefährdungspotenzials habe bereits auf europäischer Ebene stattgefunden. Eine weitergehende Untersuchung finde derzeit europaweit statt.
"Ob möglicherweise noch andere Arzneimittel betroffen sein könnten, die chemisch verwandte Wirkstoffe enthalten, muss noch untersucht werden. Daraus könnten also eventuell weitere Rückrufe folgen. Auf der Internetseite des chinesischen Wirkstoffherstellers lässt sich nachlesen, dass er beispielsweise neben Valsartan auch Telmisartan und Irbesartan (ähnliche Wirkstoffe zur Behandlung von Hypertonie) herstellt", hieß es bei der DAZ. "Ein akutes Patientenrisiko besteht nicht", wurde bei den deutschen Behörden betont.
Das Problem liegt auch darin, dass die Produktionsketten für Wirkstoffe von häufig verwendeten und oft nicht mehr unter Patentschutz stehenden Arzneimitteln immer weiter in Entwicklungs-und Schwellenländer reichen. Die Herstellung wird dort Subunternehmern überlassen. Erst 2015 überprüfte die Europäische Arzneimittelagentur EMA mehr als 1.000 Zulassungen von Medikamenten mit Wirkstoffen aus Indien. Das Unternehmen GVK Biosciences (GVK BIO) stand damals in Verdacht, Sicherheitsstudien unzureichend durchgeführt zu haben. Auch viele Arzneimittel in Österreich waren damals betroffen. Es ging damals ebenfalls um Medikamente, die häufig verschrieben werden: Magenschutzmittel (Esomeprazol), Blutdruckmedikamente (Nebivolol) oder Antiallergika (Desloratadin).
Generikahersteller, aber auch Pharmakonzerne mit ihren Originalpräparaten, kaufen Wirkstoffe international zu oder lassen sie in Lizenz herstellen. Die Produktionskapazitäten für Pharmazeutika sind international begrenzt. Der Ausfall einer Produktion kann zu problematischen Situationen führen.