Die Türkei erwartet keine positiven Entwicklungen in den Beziehungen zur EU während der österreichischen Ratspräsidentschaft. Das erklärte der türkische Außenminister Mevlüt Cavosuglu am Freitag im türkischen Sender NTV angesichts der Spannungen zwischen Wien und Ankara.
"Wir haben lange mit der österreichischen Außenministerin gesprochen, aber unglücklicherweise ist der derzeitige Bundeskanzler noch extremer als die rechtsextreme Partei", meinte Cavosoglu unter Bezugnahme auf Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ), Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen Koalitionspartnerin FPÖ. Sowohl die ÖVP als auch die FPÖ treten für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein.
Cavusoglu geht nach eigenen Worten davon aus, dass unter der österreichischen Ratspräsidentschaft keine neuen Verhandlungskapitel eröffnet werden. Allerdings würden die von Ankara geforderte Visaliberalisierung und eine Erweiterung der Zollunion mit EU-Vertretern erörtert werden.
Die Türkei hat 2005 Beitrittsverhandlungen mit der EU begonnen, 18 Jahre, nachdem Ankara dies beantragt hatte. Die Verhandlungen sind allerdings ins Stocken geraten. Gründe dafür sind unter anderem das ungelöste Zypern-Problem und die Vorbehalte Deutschlands und Frankreichs gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft. Seit 2016 sind die Verhandlungen praktisch zum Stillstand gekommen.
EU-Minister erklärten diese Woche, Brüssel könne keine weiteren Verhandlungskapitel eröffnen oder die Zollunion vertiefen, da Ankara die europäischen Standards in verschiedenen Bereichen nicht erfülle. Seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 herrscht in der Türkei der Ausnahmezustand. Hunderttausende Staatsbedienstete wurden entlassen, zahlreiche Politiker und Journalisten sitzen im Gefängnis. Die Türkei protestierte gegen die Haltung der EU und betonte, die EU-Mitgliedschaft bleibe weiterhin ein strategisches Ziel.
"Es gibt Bereiche, wo wir zusammenarbeiten können, aber ob neue Verhandlungskapitel eröffnet werden oder nicht ist eine politische Frage. Wir hoffen auf eine bessere Zusammenarbeit nach dem Ende des österreichischem Ratsvorsitzes", sagte Cavusoglu. Anfang nächsten Jahres übernimmt Rumänien die Ratspräsidentschaft.
Der türkische Außenminister erklärte ferner, er hoffe auf die umgehende Auszahlung der von der EU versprochenen drei Milliarden Euro für die Hilfe zur Versorgung der rund 3,5 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei. Ankara hat die EU dafür kritisiert, dass erst ein Bruchteil der im Zuge des 2016 geschlossenen Flüchtlingsdeals vereinbarten Hilfsgelder ausgezahlt worden sei.