Brüssel. Die Erwartungen waren hoch: Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs rangen gestern in Brüssel um Lösungen. Ab 19.30 Uhr sollte es beim Abendessen um die Migration und Merkels Zukunft gehen.
CSU-Innenminister Horst Seehofer hatte den Streit mit dem Ultimatum an Merkel – EU-Einigung bis 1. Juli oder er beginne, Flüchtlinge zurückzuweisen – ausgelöst. Die deutsche Kanzlerin beharrte auch gestern vor ihren Kollegen auf einer „europäischen Lösung“ – zumindest in dieser Frage wurde sie auch von VP-Kanzler Sebastian Kurz unterstützt.
Flüchtlinge zurück. Der freute sich aber über eine „Trendwende“: Tatsächlich sah das Papier, das EU-Ratspräsident Donald Tusk den Regierungschefs vorlegte, einen verstärkten EU-Außengrenzschutz vor, ein neues Mandat für Frontex, die gemeinsam mit UNHCR dafür sorgen sollen, dass Migranten in „Ausschiffungsplattformen“ in Drittstaaten überprüft werden. Soll heißen: Gerettete Flüchtlinge würden nicht nach Europa, sondern nach Nordafrika zurückgebracht werden. Vor allem diese Asyl-Zentren – bislang umstritten – sollen die Migration nach Europa stark drosseln. Als möglicher Staat für die Zentren wurde Marokko genannt – das sich aber querlegte. Auch Algerien, Tunesien und Ägypten wollen sich das nicht antun – möglicherweise geht es aber auch im Fall von Marokko um Geld.
Die Fronten in der Causa prima – EU-Flüchtlingsquoten – blieben verhärtet. Aber: Merkel hatte angekündigt, „bilaterale Abkommen“ mit Staaten über die Rücknahme von Flüchtlingen, die über andere EU-Länder nach Deutschland kommen, abzuschließen.
Genau hier deutete sich Entspannung an. Frankreich, Spanien, Dänemark und Griechenland sind dafür. Sogar Ungarns Hardliner Viktor Orbán signalisierte ein Ja. Damit könnte Merkel in der „Schicksalsfrage Migration“ Zeit gewinnen. Allerdings: Italiens Regierungschef Giuseppe Conte blockierte bis Redaktionsschluss alle Vorschläge – er will in Italien aufhältige Flüchtlinge auf die EU verteilen. Ein No-Go …