Bei der Präsidenten- und Parlamentswahl in der Türkei droht ein massiver Konflikt zwischen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und der Opposition. Die größte Oppositionspartei CHP wies die Möglichkeit einer absoluten Mehrheit für Erdogan in der ersten Wahlrunde auf Basis von Teilergebnissen als "Manipulation" zurück.
CHP-Sprecher Bülent Tezcan rief die Bürger dazu auf, sich vor der Wahlkommission in Ankara zu versammeln und dort bis zum Morgen auszuharren. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, nach Auszählung von mehr als 60 Prozent der Stimmen liege Erdogan bei 55,76 Prozent. Der CHP-Kandidat Muharrem Ince kam demnach auf 29,04 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag in der Türkei bei gut 87 Prozent.
Anadolu ist die einzige offizielle Quelle für Teilergebnisse. Sollte Erdogan bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag die absolute Mehrheit verlieren, müsste er am 8. Juli gegen den Zweitplatzierten in die Stichwahl. Tezcan sagte, nach den seiner Partei vorliegenden Teilergebnissen habe Erdogan zu keiner Zeit 48 Prozent der Stimmen überschritten. "Wir rufen alle unsere Bürger in 81 Provinzen dazu auf, in den Bezirken vor die Wahlkommissionen zu gehen. Haltet Wache bis morgen früh, sowohl vor den Wahlkommissionen in den Bezirken, als auch vor der Wahlkommission in Ankara."
Die "Plattform für faire Wahlen" aus Wahlbeobachtern der Opposition sah Erdogan deutlich unter den Teilergebnissen von Anadolu - jedoch auf der Basis von nur 11,7 Prozent der ausgezählten Stimmen. Demnach kam Erdogan auf 43,51 Prozent, Ince auf 33,92 Prozent.
Anadolu hatte Erdogan kurz nach Beginn der Auszählung noch bei mehr als 60 Prozent gesehen. Auch bei früheren Wahlen startete Erdogans Lager bei Anadolu mit großem Vorsprung, der dann schrumpfte. Beim Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr lag das Erdogan-Lager nach Auszählung von einem Viertel der Stimmen bei 62,6 Prozent. Am Ende war es dann eine nur knappe Mehrheit von 51,5 Prozent.
Ince rief seine Anhänger nach Schließung der Wahllokale auf, sich nicht von zunächst oftmals hohen Teilergebnissen von Anadolu für Erdogan "in die Irre führen" zu lassen. Experten bemängelten, dass dadurch Wahlbeobachter der Opposition bei der Auszählung der Stimmen entmutigt würden und womöglich frühzeitig nach Hause gingen. Ince forderte Wahlbeobachter dazu auf, unbedingt bis zum Vorliegen der unterschriebenen Ergebnisprotokolle an den Urnen zu bleiben.
Bei der Parlamentswahl lag beim Stand von rund der Hälfte der ausgezählten Stimmen das von Erdogans islamisch-konservativer AKP geführte Regierungsbündnis mit 57,48 Prozent der Stimmen vorne. Es hätte mit 354 der 600 Abgeordneten eine komfortable Mehrheit. Auf Platz zwei kam demnach mit 31,51 Prozent das Oppositionsbündnis, dem unter anderem die Mitte-Links-Partei CHP angehört. Die pro-kurdische HDP würde diesen Teilergebnissen zufolge mit 9,56 Prozent die Zehn-Prozent-Hürde knapp verfehlen. Auch hier schrumpfte allerdings im Laufe des Abends das AKP-Lager, während die Oppositionsparteien zulegten.
Die Auslandsstimmen - bei denen Erdogan besonders bei der größten Gruppe in Deutschland generell auf ein besseres Ergebnis als in der Türkei kommt - waren am Abend erst zu einem geringen Teil ausgezählt.
Mit den Wahlen wurde die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems abgeschlossen. Der neue Präsident wird Staats- und Regierungschef und ist mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Einen Ministerpräsidenten gibt es künftig nicht mehr. Erdogan ging als Favorit in die Wahl. Wahlbeobachter meldeten Unregelmäßigkeiten.
Erdogan unterstrich nach der Abgabe seiner Stimme in Istanbul die Bedeutung der Wahlen. "Im Moment durchlebt die Türkei mit dieser Wahl regelrecht eine demokratische Revolution", sagte er. Ince schrieb am Sonntag auf Twitter: "Was sie auch tun, sie werden verlieren. Die Zeiten, in denen mit Betrug und Schwindeleien Wahlen gewonnen wurden, sind nun vorbei. (...) Ich werde Eure Stimmen mit meinem Leben verteidigen, wir werden es schaffen."
Ince rief die Mitarbeiter der Wahlkommission auf: "Erfüllt Eure Aufgabe richtig, wie es sich gehört. Erfüllt sie, indem Ihr Euch an die Gesetze und die Verfassung haltet. Seid niemandes Marionette. Lasst euch von niemandem verunsichern. Fürchtet Euch vor niemandem." Er fügte hinzu: "Wir wollen einen fairen Wettkampf. Wir wollen einen korrekten Wettkampf. Und ich will bloß nicht, dass es bei dem Ergebnis, das herauskommt, zu Ausschreitungen kommt."
Drei Deutsche, die auf Einladung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP die Wahl beobachten wollten, wurden bei der Wahl festgenommen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden die beiden Männer aus Köln und die Frau aus Halle in Sachsen-Anhalt in Uludere in der südosttürkischen Provinz Sirnak von der Polizei festgenommen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Festnahme.
Wahlbeobachter meldeten besonders aus dem Südosten der Türkei Unregelmäßigkeiten. Bei Auseinandersetzungen während der Wahlen wurden ein Oppositionspolitiker getötet. Dabei handele es sich um den Bezirksvorsteher der national-konservativen Iyi-Partei in der osttürkischen Provinz Erzurum, wie die Oppositionspartei mitteilte. Die Nachrichtenagentur DHA sprach von einer weiteren getöteten Person. Es habe sich um eine Fehde zwischen zwei Familien gehandelt.
Knapp 60 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen. Mehr als drei Millionen davon leben im Ausland. Neben Erdogan bewarben sich fünf Politiker um das Präsidentenamt, darunter neben Ince der inhaftierte HDP-Kandidat Selahattin Demirtas. Die Opposition warnte vor einer "Ein-Mann-Herrschaft" Erdogans. Die Einführung des Präsidialsystems ist sein wichtigstes politisches Projekt. Die Opposition hat die Rückkehr zum parlamentarischen System versprochen. Dafür wäre allerdings eine erneute Verfassungsänderung notwendig. Die Opposition will außerdem den Ausnahmezustand aufheben.
Nach der Wahl tritt das Präsidialsystem in Kraft, das bei einem umstrittenen Referendum im April 2017 knapp gebilligt worden war. Die Opposition fürchtet, dass damit die Demokratie untergraben und ein Ein-Mann-Regime zementiert wird. Der CHP-Kandidat Ince hat versprochen, das Präsidialsystem zurückzunehmen, den Ausnahmezustand aufzuheben und Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bürgerrechte wiederherzustellen.
Anders als bei früheren Wahlen spielte die Frage von Islam und Säkularismus kaum eine Rolle, stattdessen drehte sich der Wahlkampf um Demokratie, Bürgerrechte und die Lage der Wirtschaft, die zunehmend Sorgen bereitet. Erdogan hob hervor, was er für die Entwicklung des Landes und den Ausbau der Infrastruktur geleistet habe. Die Opposition warf ihm dagegen vor, mit seinem autoritären Kurs das Land zu spalten.
Ein Teeverkäufer in Ankara sagte vor der Stimmabgabe, die Regierung habe so viel für das Land getan, daher stimme er für Erdogan. Die Opposition dagegen sei von "ausländischen Mächten manipuliert", die die Türkei niederdrücken wollen, besonders die Wirtschaft. Ein anderer Wähler sagte, er hoffe auf eine hohe Wahlbeteiligung. Wenn 90 Prozent der Wähler zu den Urnen gingen, werde die Regierung fallen.
Die Stimmabgabe war am Sonntag noch bis 17.00 Uhr (Ortszeit/16.00 Uhr MESZ) möglich. Knapp 60 Millionen Türken waren wahlberechtigt. Mehr als drei Millionen davon leben im Ausland, wo die Abstimmung bis zum vergangenen Dienstag möglich war. In Österreich lag die Wahlbeteiligung bei 51,8 Prozent, das entsprach 55.273 der 106.657 registrierten Wähler.
Auslandstürken können aber auch am Sonntag noch an Grenzübergängen, Häfen und Flughäfen der Türkei wählen. Durch die Einführung eines Präsidialsystems wird der neue Präsident Staats-und Regierungschef und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft.
Die "Vereinigung Europäischer Journalisten" ("Association of European Journalists"/AEJ) forderte den künftigen Präsidenten der Türkei in einem offenen Brief auf, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in seinem Land zu gewährleisten sowie unabhängigen Journalismus in der Türkei zu schützen. Insbesondere die Meinungsfreiheit sei in den vergangenen Jahren in Ihrem Land drastisch zurückgegangen. Bis heute seien mehr als 150 Journalisten im Gefängnis, tausende kritische Vordenker hätten ihren Arbeitsplatz verloren und eine große Anzahl das Land verlassen.
Während der Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei ist bei Auseinandersetzungen ein Oppositionspolitiker getötet worden. Dabei handle es sich um den Bezirksvorsteher der Iyi-Partei in der osttürkischen Provinz Erzurum, teilte der Generalsekretär der Iyi-Partei, Aytun Ciray, am Sonntag auf Twitter mit.
Nach ersten Erkenntnissen habe es sich um einen Streit zwischen zwei Familien gehandelt. Ermittlungen hätten begonnen. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.
Die Vorsitzende der nationalkonservativen Iyi-Partei, Meral Aksener, ist Kandidatin für die Präsidentenwahl am Sonntag. Die Wahllokale für die gleichzeitig stattfindenden Parlaments- und Präsidentenwahlen schlossen um 16.00 Nach ersten Erkenntnissen habe es sich um einen Streit zwischen zwei FamilienUhr MESZ (17.00 Uhr Ortszeit).
- Die größte Oppositionspartei CHP hat die Teilergebnisse, die eine absolute Mehrheit für Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ergeben haben, als "Manipulation" bezeichnet. Nach den seiner Partei vorliegenden Teilergebnissen habe Erdogan zu keiner Zeit 48 Prozent der Stimmen überschritten, sagte CHP-Sprecher Bülent Tezcan am Sonntag vor Journalisten in Ankara. Das sei eine ganz offene Manipulation.
Nach Auszählung von 10 Prozent der Stimmen kam der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdogan unter den Auslandstürken auf 60 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der oppositionellen Mitte-Links-Partei CHP, Muharrem Ince, lag bei 25 Prozent, geht aus einer Aufstellung der Zeitung Milliyet hervor.
Bei der Parlamentswahl kamen demnach die Allianz der islamisch-konservativen AKP von Erdogan und der nationalistischen MHP gemeinsam auf 53 Prozent (AKP 45 Prozent, MHP 8 Prozent), das größte Oppositionsbündnis auf 27 Prozent, die pro-kurdische HDP auf 14 Prozent.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan lag nach Auszählung von 40 Prozent der Stimmen bei 57,02 Prozent, sein wichtigster Herausforderer Muharrem Ince bei 28,3 Prozent, zeigen Zahlen von TV-Stationen. Allgemein war erwartet worden, dass Erdogan nach ersten Ergebnisse klar führt, aber mit dem Auszählungsgrad zurückfällt. Sollte er unter 50 Prozent bleiben, gibt es am 8. Juli eine Stichwahl.
Die Wahlbeteiligung bei den heutigen Wahlen in der Türkei lag nach angaben des staatlichen Fernsehens bei 87 Prozent für die Parlamentswahlen und bei 86,62 Prozent bei der Wahl des neuen Präsidenten.
Nach Angaben des türkischen Innenministerium war der heutige Urnengang der ruhigste der jüngsten vier Wahlen. Zwischen 8 und 17 Uhr habe es nur 362 "Ereignisse" gegeben. Acht Menschen wurden dabei - nicht lebensgefährlich - verletzt. 100 der "Ereignisse" hatten mit dem Fotografieren der Wahlurnen zu tun, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu.
Bleibt es für Erdogan bei diesem Ergebnis, dann reicht es für den Sieg bei dieser Präsidentschaftswahl. Sein Herausforderer Muharrem Ince von der CHP liegt derzeit bei 26,3 Prozent.
Die türkische Opposition hat sich alarmiert über Berichte zu Manipulationen bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am Sonntag gezeigt. Der Sprecher der Republikanischen Volkspartei (CHP), Bülent Tezcan, sprach von mehreren Vorfällen in der Provinz Sanliurfa im Südosten der Türkei.
Es habe Beschwerden gegenüber den örtlichen Wahlkomitees gegeben und Beamte hätten sich an die zentrale Wahlkommission gewandt, sagte er. Gegen mehrere ausländische Beobachter, darunter auch Deutsche, wurden rechtliche Schritte eingeleitet.
Während der Parlaments- und Präsidentenwahlen in der Türkei ist bei Auseinandersetzungen ein Oppositionspolitiker getötet worden. Dabei handle es sich um den Bezirksvorsteher der Iyi-Partei in der osttürkischen Provinz Erzurum, teilte der Generalsekretär der Iyi-Partei, Aytun Ciray, am Sonntag auf Twitter mit.
Nach ersten Erkenntnissen habe es sich um einen Streit zwischen zwei Familien gehandelt. Ermittlungen hätten begonnen. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.
Mit Ergebnissen wird erst am späten Abend gerechnet.
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Er rief alle Beamten auf, nicht zu vergessen, dass sie dem Staat und nicht einer Partei dienen. "Sie sind verpflichtet, für die Gerechtigkeit, die Zukunft und die Demokratie zu arbeiten", so Kilicdaroglu angesichts der Beschwerden über Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.
Josef Weidenholzer, Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, bewertete die Lage in der Türkei in einer Aussendung kritisch: "Erdogan hat die Türkei um Jahrzehnte zurückgeworfen. Es gibt keine freie Presse mehr, die Türkei ist ein großes Gefängnis für journalistisch, schriftstellerisch und politisch tätige Menschen. Tausende hat Erdogan unter fadenscheinigen Vorwänden eingesperrt. Bis heute sitzt HDP-Chef Demirtas in Haft. Ein Justizskandal."
Wahltage sind in der Türkei trockene Tage, das gilt auch für die Präsidenten- und Parlamentswahl am Sonntag: Bis Mitternacht ist der Verkauf von alkoholischen Getränken und deren Konsum an öffentlichen Orten verboten. Das Tragen von Waffen ist ebenfalls untersagt, ausgenommen davon sind Sicherheitskräfte. Teehäuser sind geschlossen. Hochzeitsfeiern sind ab 18.00 Uhr (Ortszeit/17.00 MESZ) erlaubt, aber nur ohne Alkohol.
Demirtas gab seine Stimme im Gefängnis in Edirne ab. Demirtas ist seit November 2016 in Haft und führte seinen Wahlkampf von der Zelle aus. Nach der Stimmabgabe twitterte er: "Ich wünsche mir, dass jeder seine Stimme zum Wohle der Demokratie in unserem Land nutzt."
Biz de oyumuzu, cezaevinde kullandık. Herkesin sandığa giderek ülkenin geleceği için, tercihini demokrasiden yana kullanmasını diliyorum. Oy verme işleminin sakin ve huzurlu bir ortamda tamamlanmasını umuyorum. Sonuçların çok güzel olacağına inanıyorum. Hepimize hayırlı olsun.
— Selahattin Demirtaş (@hdpdemirtas)
Mit ersten Ergebnissen wird ab 18.00 Uhr MESZ gerechnet, der Sieger dürfte gegen 20.00 Uhr MESZ feststehen.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan geht bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen von einer hohen Wahlbeteiligung aus. "Die Beteiligung sieht gut aus", sagte Erdogan am Sonntagmittag nach Abgabe seiner Stimme im Istanbuler Stadtteil Üsküdar auf der asiatischen Seite der Metropole.
Er unterstrich zugleich die Bedeutung der Wahlen, mit denen die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems abgeschlossen wird. "Im Moment durchlebt die Türkei mit dieser Wahl regelrecht eine demokratische Revolution." Die Wahllokale sind noch bis 17.00 Uhr (16.00 Uhr MESZ) geöffnet. Mit Ergebnissen wird am späteren Abend gerechnet.
Beim Verlassen des Wahllokals wurde der türkische Präsident von Dutzenden Anhängern begrüßt.
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In Suruc sei darüber hinaus in einem Stimmlokal eine Urne mit offenbar vorbereitet eingelegten Stimmzetteln aufgetaucht sein, berichtet der "Standard".
Suruç’ta -043 nolu sandığa sabahın köründe bu kadar oy toplu şekilde atılmış ve bütün görevliler orada Suruç’ta yaptığınız katliamın üstünü ve oylarla örtemezsiniz o sizin alın lekenizdir
— Ramazan Yalçın (@DHorozu7220)
Bei den Präsidenten- und Parlamentswahlen in der Türkei haben Wahlbeobachter erste Unregelmäßigkeiten gemeldet. Der Sprecher der größten Oppositionspartei CHP, Bülent Tezcan, sagte, in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa sei beispielsweise am Sonntag versucht worden, Wahlbeobachter mit "Schlägen, Drohungen und Angriffen" von den Urnen fernzuhalten.
Im Bezirk Suruc in Sanliurfa "laufen bewaffnete Personen ganz offen herum und bedrohen die Wahlatmosphäre". Die regierungskritische Wahlbeobachter-Plattform dokuz8haber teilte mit, in Sanliurfa gebe es Berichte, wonach Männer für ihre Frauen abgestimmt hätten und ein Wähler verprügelt worden sei. Sanliurfa ist eine Hochburg der Regierungspartei AKP. In manchen Regionen dort ist aber die pro-kurdische HDP dominant.
Einwohner: rund 81 Millionen; knapp 40 Prozent unter 25 Jahre alt
Lebenserwartung: Männer 75,3 Jahre; Frauen 80,7 Jahre
Fläche: etwa 800.000 km2
Hauptstadt: Ankara (rund 5,5 Millionen Einwohner)
Staatsoberhaupt: Präsident Recep Tayyip Erdogan, seit August 2014
Religion: fast 100 Prozent Muslime, mehrheitlich Sunniten
Jugendarbeitslosigkeit: 19 Prozent
Oppositionskandidat Muharrem Ince gab seine Stimme am Vormittag in seiner Heimatstadt Yalova bei Istanbul ab. "Ich hoffe auf das Beste für unsere Nation", sagte er. Nach der Stimmabgabe wollte er nach Ankara reisen, um dort die Nacht vor der Zentrale der Wahlbehörde zu verbringen.
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Tausende weitere Türken folgten landesweit einem Aufruf der Opposition, vor die Auszählungsbüros zu ziehen, um eine korrekte Stimmauszählung zu gewährleisten. Die Opposition hatte sich bereist im Wahlkampf ungewohnt geeint, mit dem CHP-Politiker Ince ist Präsident Recep Tayyip Erdogan laut Beobachtern ein ernstzunehmender Herausforderer erwachsen. Erdogan hofft auf ein weiteres Mandat im Präsidentenpalast und eine neue Mehrheit für seine islamisch-konservative AKP in der Nationalversammlung.
Die "Vereinigung Europäischer Journalisten" ("Association of European Journalists"/AEJ) hat den künftigen Präsidenten der Türkei anlässlich der Präsidenten- und Parlamentswahlen vom Sonntag aufgefordert, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in seinem Land zu gewährleisten.
In einem am Wochenende veröffentlichten offenen Brief hieß es, insbesondere die Meinungsfreiheit sei in den vergangenen Jahren in Ihrem Land drastisch zurückgegangen. Bis heute seien mehr als 150 Journalisten im Gefängnis, tausende kritische Vordenker hätten ihren Arbeitsplatz verloren und eine große Anzahl von ihnen habe das Land verlassen.
Für die Präsidentenwahl gibt es einen gesonderten Stimmzettel. Gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan treten fünf Kandidaten an: Muharrem Ince für die CHP, Meral Aksener für die Iyi-Partei, der inhaftierte Politiker Selahattin Demirtas für die HDP, Temel Karamollaoglu für die Saadet-Partei und Dogu Perincek für die Vatan-Partei. Stimmzettel der Parlaments- und der Präsidentenwahl werden zusammen in ein Kuvert gesteckt und abgegeben.
Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP hat eine Allianz mit der ultranationalistischen MHP und der nationalistischen BBP gebildet. Die größte Oppositionspartei CHP ist ein Bündnis mit der nationalkonservativen Iyi-Partei, der islamistischen Saadet-Partei und der konservativ-liberalen DP eingegangen. Die pro-kurdische HDP tritt als einzelne Partei an.
Es gibt eine Zehn-Prozent-Hürde. Überschreiten die gültigen Gesamtstimmen aller Parteien einer Allianz diese Hürde, ziehen alle Parteien des Bündnisses ins Parlament ein.
Die Parlaments- und Präsidentenwahlen finden erstmals gleichzeitig statt. Für die Abstimmung zum Parlament kann der Wähler sich für eine Partei oder eine Wahlallianz entscheiden.
Bei der Türkei-Wahl an diesem Sonntag sind 59,33 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, einen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen. Davon sind 3,05 Millionen im Ausland registriert. Dort wurde bereits abgestimmt. Am Wahltag werden nach Regierungsangaben rund 500.000 Sicherheitskräfte eingesetzt.
Muharrem Ince will als Präsident für alle Menschen in der Türkei da sein und nach Jahren der Polarisierung die Gesellschaft wieder vereinen. Mit diesem Versprechen hat der Kandidat der säkularen Republikanischen Volkspartei (CHP) es vor der Präsidentenwahl geschafft, zu einem ernstzunehmenden Herausforderer des islamisch-konservativen Amtsinhabers Recep Tayyip Erdogan zu werden.
Ob er mit seinem volksnahen, energischen Auftreten eine Mehrheit erhält, wird aber vor allem von den Kurden und Konservativen abhängen."Die Türkei will atmen, sie will Frieden, sie will Ruhe", sagte der 54-jährige CHP-Kandidat kürzlich in einem Interview in seiner Heimatstadt Yalova. "Sie will keinen erschöpften Mann, der schreit und tobt, sondern jemand jüngeres, gelasseneres." Seit 16 Jahren polarisiere und spalte Erdogan die Gesellschaft, er werde jedoch "ganz das Gegenteil" sein, versprach der frühere Physiklehrer und Abgeordnete. "Ich werde ein Präsident sein, der vereint."
Noch hat Recep Tayyip Erdogan jede Wahl gewonnen, doch bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am Sonntag könnte es eng für den 64-Jährigen werden, der wie kein anderer Politiker der letzten Jahrzehnte die Türkei geprägt hat. Während seine Anhänger ihn wie einen Heiligen verehren, gilt er seinen Gegnern als Diktator.
In den 15 Jahren an der Macht hat er dem Land einen beispiellosen Entwicklungsschub beschert, aber auch die Gesellschaft tief gespalten. Seitdem Erdogan vor den Wahlen 2002 die islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) gegründet hat, hat der Bub aus dem Istanbuler Arbeiterviertel Kasimpasa fünf Parlamentswahlen, drei Kommunalwahlen, eine Präsidentschaftswahl und zwei Referenden gewonnen - zuletzt den Volksentscheid über das umstrittene Präsidialsystem im April 2017. Allerdings fiel diese Abstimmung sehr knapp aus und war auch nicht frei von Unregelmäßigkeiten.
Der neue Präsident wird Staats- und Regierungschef und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Die Opposition warnt vor einer "Ein-Mann-Herrschaft" des derzeitigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Verfassungsreform ist sein wichtigstes politisches Projekt. Umfragen zufolge geht Erdogan - der Vorsitzender der islamisch-konservativen AKP ist - als Favorit in die Präsidentenwahl.
Demnach könnte das Wahlbündnis der AKP mit der ultrarechten MHP im Parlament die absolute Mehrheit verlieren. Erhält Erdogan bei der Präsidentenwahl in der ersten Runde nicht 50 Prozent plus eine Stimme, muss er am 8. Juli in eine Stichwahl - vermutlich gegen Ince. Die Wahl ist auch wichtig, da anschließend das umstrittene Präsidialsystem vollends in Kraft tritt, das bei einem Volksentscheid im April 2017 mit knapper Mehrheit gebilligt worden war.
Erdogan hat im Wahlkampf hervorgehoben, was er in seiner Regierungszeit für die Entwicklung der Wirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur in der Türkei geleistet hat. Die Opposition wirft ihm jedoch vor, mit seinem autoritären Kurs das Land zu spalten. Sein Hauptgegenkandidat Ince verspricht, das Präsidialsystem zurückzunehmen, den Ausnahmezustand aufzuheben und Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bürgerrechte wiederherzustellen.
In der Türkei haben Sonntag früh die vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begonnen. Präsident Recep Tayyip Erdogan hofft auf ein weiteres Mandat im Präsidentenpalast und eine neue Mehrheit für seine islamisch-konservative AKP in der Nationalversammlung. Mit dem Kandidaten der oppositionellen CHP, Muharrem Ince, ist Erdogan aber ein ernstzunehmender Herausforderer erwachsen.
Die Opposition zeigte sich im Wahlkampf generell ungewohnt geeint. Die knapp 181.000 Wahllokale öffneten im ganzen Land um 08.00 Uhr (07.00 Uhr MESZ). Die 56,3 Millionen Wahlberechtigten haben bis 17.00 Uhr (16.00 Uhr MESZ) Zeit, ihre Stimme abzugeben. Mit ersten Ergebnissen wird zwei Stunden später gerechnet, der Sieger dürfte gegen 21.00 Uhr (20.00 Uhr MESZ) feststehen. Die rund drei Millionen Auslandswähler haben bereits in den vergangenen Wahlen abgestimmt. Umfragen deuten auf ein knappes Ergebnis hin.
Hier berichten wir heute über die aktuellen Entwicklungen der Türkei-Wahl.