Die Affäre um Unregelmäßigkeiten bei Flüchtlingsentscheidungen in Deutschland weitet sich aus. So wird ein Dolmetscher bei der Bremer Stelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verdächtigt, Schmiergeldzahlungen für falsche Angaben genommen zu haben. Auch soll schon vor Monaten eine andere Regionalstelle bei der Zentrale wegen zu hoher Anerkennungsquoten Alarm geschlagen haben.
Den Aufzeichnungen zufolge erhielten im rheinland-pfälzischen Bingen zwischen Jänner und Oktober vergangenen Jahres 97 Prozent der Iraner Flüchtlingsschutz oder eine Asylanerkennung. 90 Prozent der Antragsteller aus Afghanistan erhielten in der einen oder anderen Form Schutz. Zum Vergleich: In Deutschland erhielten im Vorjahr knapp 50 Prozent der Iraner und 44 Prozent der Afghanen Schutz.
Nicht ganz sauber lief es offensichtlich bei der Schulung neuer Mitarbeiter, die in Asylverfahren zur Prüfung von Ausweisdokumenten eingesetzt werden. Interne Dokumente belegen, dass - womöglich versehentlich - auch Zertifikate für die Teilnahme von Mitarbeitern ausgestellt wurden, die am Tag der Schulung gar nicht anwesend waren.
Die im Zentrum der Affäre stehende Bremer Bamf-Außenstelle darf vorerst keine Asylanträge mehr bearbeiten. Das Amt steht nach Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft im Verdacht, zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende Grundlage Asyl gewährt zu haben. Zu den Beschuldigten gehören Anwälte und die ehemalige Leiterin der Außenstelle.
Wie aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 3. April hervorgeht, wird ein unter der ehemaligen Bamf-Leiterin eingesetzter Dolmetscher verdächtigt, von Ausländern, die ihm ein zweiter Beschuldigter vermittelte, 500 Euro dafür erhalten zu haben, dass er "falsche Angaben insbesondere zur Identität und den Einreisedaten aufnahm, beziehungsweise übersetzte".
Der Vermittler soll von den Antragstellern angeblich selbst auch noch 50 Euro kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft stützt ihren Verdacht laut Beschluss sowohl auf Erkenntnisse aus Revisionsverfahren des Bamf als auch auf Zeugenaussagen.
Bamf-Präsidentin Jutta Cordt hatte im März 2017 in einem Brief an die langjährige Mitarbeiterin geschrieben, diese habe ohne Grund auch in abgeschlossene Asylverfahren, die nicht in Bremer Zuständigkeit lagen, eingegriffen und diese positiv entschieden. Auch nach Intervention eines Vorgesetzten habe die damalige Amtsleiterin "die beanstandete Verfahrensweise fortgesetzt", heißt es in dem Schreiben
Die AfD im Bundestag kündigte an, im Juni einen Antrag für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stellen. Dieser solle sich mit der "Flüchtlingspolitik im weitesten Sinne" befassen, einschließlich der Bamf-Problematik, sagte Fraktionsvize Beatrix von Storch der "Welt am Sonntag". Justizministerin Katarina Barley (SPD) regte an, Asylbescheide stichprobenartig in ganz Deutschland zu überprüfen. Dies könnte helfen, Vertrauen wiederherzustellen, sagte sie der "Bild am Sonntag".