Zeitenwende im erzkatholischen Irland: Bei dem Referendum über ein Ende des strengen Abtreibungsverbots hat ersten Prognosen zufolge eine breite Mehrheit für eine Liberalisierung gestimmt. Wie eine landesweite Nachwahlbefragung von 4.000 Wählern durch das Institut Ipsos/MRBI im Auftrag der Zeitung "Irish Times" ergab, stimmten 68 Prozent der Befragten für eine Aufhebung des Abtreibungsverbots.
32 Prozent votierten dagegen. Eine ähnliche Prognose lieferte eine weitere Nachwahlbefragung des Instituts Behaviour & Attitudes für den Fernsehsender RTE. Demnach stimmten von 3.800 Befragten 69,4 Prozent für die Liberalisierung, 30,6 Prozent waren dagegen. Regierungschef Leo Varadkar, der für die Reform ist, bedankte sich am Freitagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter bei allen Iren, die sich an der Abstimmung beteiligten. Das Referendum sei "Demokratie in Aktion". "Es sieht so aus, als würden wir morgen Geschichte schreiben", fügte der Regierungschef hinzu.
Fast 3,5 Millionen Bürger zu Wahlen aufgerufen
Fast 3,5 Millionen Bürger waren aufgerufen, über den achten Zusatzartikel der Verfassung zu entscheiden, der Schwangerschaftsabbrüche strikt untersagt. Die Auszählung der Stimmen beginnt am Samstagmorgen, ab Mittag werden Teilergebnisse aus den einzelnen Landesteilen erwartet. Das Endergebnis soll im Laufe des Tages im Dublin Castle verkündet werden.
Schon in den Umfragen vor der Abstimmung hatten die Befürworter einer Lockerung vorne gelegen, viele Stimmberechtigte waren aber bis zuletzt unentschlossen gewesen.
Wie die Befragung von Ipsos/MRBI ergab, votierten 70 Prozent der Frauen für eine Lockerung, 30 Prozent sprachen sich dagegen aus. Bei den Männern stimmten demnach 65 Prozent mit "Ja" und 35 Prozent mit "Nein". Bei älteren Wählern überwog demnach die Ablehnung: Eine Mehrheit der Wähler über 65 Jahre stimmte gegen die Liberalisierung. Bei den 18- bis 24-Jährigen dagegen überwog dem Institut zufolge das "Ja" mit 84 Prozent.
Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen seit 1983 Verfassungsrang
In der katholisch geprägten Republik Irland hat das strikte Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen seit einem Referendum 1983 Verfassungsrang. Abtreibungen sind selbst bei Vergewaltigung, Inzest oder einer Missbildung des Fötus untersagt. Bei einer Abtreibung drohen Frauen bis zu 14 Jahre Haft. Seit 2013 sind Abtreibungen in seltenen Fällen erlaubt, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist.
Die Kampagne wurde sehr emotional geführt. Anders als vor dem Referendum 1983 hielt sich die katholische Kirche diesmal zurück - mehrere Skandale um Kindesmissbrauch hatten den Einfluss der einst in Irland übermächtigen Institution zuletzt schwinden lassen.
Die Regierung hat angekündigt, im Falle eines Siegs des Ja-Lagers Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen straffrei zu stellen. Bei bestimmten Indikationen soll sie bis zur 24. Woche erlaubt sein. Im irischen Parlament gibt es eine Mehrheit für das Ende des Abtreibungsverbots.