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EU zieht Botschafter aus Moskau ab

1-01-1970, 00:00

Der Streit um den Giftanschlag von Salisbury wächst sich zu einem Konflikt zwischen der EU und Russland aus. Die Staats- und Regierungschefs der Union stellten sich bei ihrem Gipfel in Brüssel klar an die Seite Großbritanniens und schlugen eine härtere Gangart gegen Russland ein.
 
Dessen Verantwortung erklärten sie für "höchstwahrscheinlich". Die EU berief ihren Botschafter aus Moskau zurück. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte weitere Schritte in Aussicht.
 
Es sei "höchstwahrscheinlich, dass die Russische Föderation verantwortlich ist", heißt es in einer am Donnerstagabend von allen 28 EU-Staaten verabschiedeten Erklärung. Für den Anschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal gebe es "keine andere plausible Erklärung". Den Briten sicherten die Staats- und Regierungschefs "uneingeschränkte Solidarität" zu.
 

Merkel kündigt Maßnahmen an

Die Staats- und Regierungschefs signalisierten ihre Bereitschaft, den Konflikt, der bisher vor allem zwischen Russland und Großbritannien ausgetragen wurde, auf die europäische Ebene zu heben. Kanzlerin Merkel sagte zum Abschluss der Gipfelberatungen, dass es womöglich nicht bei der bloßen Verurteilung Moskaus bleiben werde. Die EU-Staaten seien bereit, "gegebenenfalls auch durch weitere Maßnahmen einheitlich zu reagieren".
 
Mit der Rückberufung des EU-Botschafters zu Konsultationen wollten die EU-Staats- und Regierungschefs nach Angaben aus EU-Kreisen ein Zeichen der Entschlossenheit setzen. Demnach erwägen "einige Mitgliedsstaaten" zudem, russische Diplomaten auszuweisen oder eigene Vertreter zurückzubeordern. Frankreich und Litauen zeigten sich in Brüssel offen für einen solchen Schritt.
 
Nachdem sich die EU-Chefs auf dem Gipfel in der Frage der russischen Verantwortung geeinigt hätten, drehe sich die Diskussion um die Frage, "wie man den Worten konkrete Taten folgen lassen könnte", sagte ein hochrangiger EU-Diplomat.
 
Die einmütige Erklärung der 28 EU-Staaten ist ein diplomatischer Erfolg Großbritanniens, das auf eine möglichst scharfe Verurteilung Russlands gepocht hatte. Der Gipfelerklärung ging ein langes Ringen voraus. Mit der direkten Nennung Russland als Hauptverdächtigen und der Ankündigung diplomatischer Maßnahmen gingen die Staats- und Regierungschefs weit über die gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister vom Montag hinaus.
 
Die britische Premierministerin Theresa May begrüßte die Reaktion der EU. Diese habe demonstriert, "dass wir zusammenhalten, um unsere Werte gegen die russische Bedrohung hochzuhalten", sagte sie in der Nacht.
 

Kanzler Kurz: Verurteilen Giftanschlag

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat Großbritannien vor dem EU-Gipfel Solidarität nach dem Giftanschlag in Salisbury versichert. "Wir verurteilen diese Giftgasattacke, und wir sind solidarisch mit Großbritannien", sagte Kurz am Donnerstag in Brüssel.
 
Merkel hob hervor, die EU-Staaten hätten sich "sehr einheitlich" in der Einschätzung gezeigt, dass "mit aller Wahrscheinlichkeit" Russland "in Verbindung mit diesem Giftanschlag steht". Dies sei nun "von allen Staaten so gesehen worden".
 
May hatte zum Auftakt der Beratungen in Brüssel eindringlich vor einer Bedrohung durch Russland gewarnt. Der Giftanschlag von Salisbury füge sich ein in eine Politik "russischer Aggression gegen Europa und seine Nachbarn", sagte May. "Es ist klar, dass die Bedrohung durch Russland keine Grenzen respektiert."
 

Dreirtreffen May, Macron, Merkel

Vor Verabschiedung der Erklärung stimmte sich May bei einem Dreiertreffen mit Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ab. Sie erklärten danach zusammen, sie wollten "eine starke gemeinsame Botschaft" der EU an Moskau.
 
Der frühere russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März in Salisbury vergiftet worden. Sie liegen weiter im Koma. London zufolge wurden beide mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet, das zu Zeiten der Sowjetunion entwickelt wurde.
 
Ein britisches Gericht gestattete am Donnerstag Chemiewaffenexperten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), Blutproben der Vergifteten zu untersuchen. OPCW-Spezialisten waren zu Wochenbeginn in Großbritannien eingetroffen. Die Auswertung der Proben soll bis zu drei Wochen dauern.
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