Die großen separatistischen Parteien in Katalonien sind mit ihrem Versuch gescheitert, in einer eilig einberufenen Parlamentssitzung Ex-Regierungssprecher Jordi Turull zum neuen Regionalpräsidenten zu wählen.
Die linksradikale Partei CUP, auf deren vier Stimmen die separatistischen Listen JuntsPerCat und ERC im Parlament von Barcelona angewiesen sind, entschieden vor der Abstimmung am Donnerstag, sich der Stimme zu enthalten.
Damit erreichte Turull am Abend nicht die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit. Ein zweiter Wahlgang, bei dem eine einfache Mehrheit genügt, würde erst in 48 Stunden stattfinden - aber da könnte der 51-Jährige bereits im Gefängnis sein.
Der zuständige Richter Pablo Llarena hat Turull für Freitag zusammen mit weiteren katalanischen Ex-Ministern, die alle im Dezember nach einem Monat auf Kaution aus der U-Haft entlassen worden waren, zu einer Anhörung geladen. Dabei will er unter anderem entscheiden, ob die Politiker wieder inhaftiert werden. "Ergebnis der Anhörung kann durchaus wegen nunmehr eventuell bestehender Flucht- oder Wiederholungsgefahr die Anordnung der Untersuchungshaft sein", sagte der in Barcelona ansässige Anwalt Carlos Wienberg der Deutschen Presse-Agentur.
Die Parlamentssitzung war am Mittwoch im Schnellverfahren einberufen worden. Die beiden großen Separatisten-Lager wollten Turull ins Amt wählen, bevor auch dessen Kandidatur durch die spanische Justiz verhindert wird. Das Verfassungsgericht hatte entschieden, dass ein Kandidat persönlich im Parlament anwesend sein muss, um sich ins Amt wählen zu lassen. An dieser Regel waren bereits Ex-Regionalchef Carles Puigdemont, der nach Brüssel geflohen ist, und der in U-Haft sitzende Anführer der separatistischen Organisation ANC, Jordi Sanchez, gescheitert.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy sagte am Nachmittag eine bevorstehende Reise nach Angola ab - vermutlich wegen der unsicheren Lage in der Konfliktregion. Turull gab sich unterdessen in einer Rede vor dem Parlament vorsichtig und vermied gänzlich Begriffe wie "Unabhängigkeit" oder "Republik". Auch betonte er, ein Dialog und Verhandlungen mit Madrid seien der beste Weg vorwärts.
Die linksextreme CUP ist zwar die kleinste Partei im Bunde, aber sie gilt als Querschläger und hat ihren Separatisten-Kollegen schon mehrfach einen Strich durch die Rechnung gemacht. Bereits vor dem von der Justiz verbotenen Unabhängigkeitsreferendum vom Oktober 2017 waren die größeren Parteien auf die Stimmen der CUP angewiesen. Berichten zufolge hatten JuntsPerCat und ERC seit Mittwoch in aller Hektik versucht, die vier Abgeordneten auf ihre Seite zu ziehen und zur Unterstützung Turulls zu bewegen - vergeblich.
Rajoy hatte die Region im Herbst 2017 unter Zwangsverwaltung gestellt. Am 21. Dezember fand eine Neuwahl statt, bei der die separatistischen Kräfte sehr zum Unwillen Madrids erneut die Mehrheit der Sitze errungen hatten. Da viele Spitzenpolitiker der Region aber im Gefängnis oder ins Ausland geflohen sind, gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Regionalchef als extrem schwierig. Zwei in den vergangenen Monaten anberaumte Parlamentssitzungen waren in letzter Minute verschoben worden.
Ein Ende der schweren Krise in der Region ist somit nicht in Sicht. Die spanische Zeitung "El Pais" drückte es am Donnerstag am deutlichsten aus: Das einzige Ziel der Separatisten in Katalonien sei es, Chaos zu säen. Gleichzeitig würden sie die Bürger immer wieder einer "funktionierenden, legalen und würdigen Regierung" berauben, schrieb das Blatt.