
Ein Team rund um Doktorand Mohammed Al-Mosaiwi konnte eine Reihe von konkreten Begriffen und Ausdrucksformen identifizieren, die eine zuverlässige Diagnose zulassen – also sichere Anzeichen dafür sind, ob jemand depressiv ist oder nicht.
Dank computerbasierter Analysemethoden konnten riesige Datenmengen aus Online-Gesundheitsforen auf Sprachmuster untersucht werden. Es zeigte sich, dass es "klare und einheitliche Sprachunterschiede" zwischen Menschen mit und ohne Depressionen gibt, schreibt Al-Mosaiwi . Sowohl inhaltlich als auch bezüglich der Tonalität.
In puncto Inhalt offenbarte die Analyse, dass depressive Menschen – und das ist per se wenig überraschend – übermäßig oft von negativen Gefühle berichteten. Besonders häufig wurden den Forschern zufolge die Begriffe "einsam", "traurig" und "unglücklich" verwendet.
Spannendes zeigte sich bei der Verwendung von Pronomen, also Wörtern, die anstelle von Nomen verwendet werden. Depressive Menschen verwendeten signifikant öfter Personalpronomen in der 1. Person Singular, wie "ich", "mein" und "meine". Signifikant seltener kamen Pronomen der 2. und 3. Person, wie "sie", "euer" oder "eure" zum Ausdruck.
Dies würde nahelegen, dass depressive Menschen stärker auf sich selbst fokussiert sind und weniger Interaktion mit anderen pflegen. Das Grübeln als Form des Nachdenkens, bei dem die Gedanken um Probleme kreisen, ohne dabei zu einer Lösung zu gelangen, sei bekanntermaßen symptomatisch für Depressionen. Ebenso wie soziale Isolation. In welcher Weise sich Symptome und Sprachgebrauch bedingen, konnte im Zuge der aktuellen Untersuchung aber nicht erhoben werden. Ob die Depression Menschen dazu veranlasst, sich selbst in den Mittelpunkt ihres Denkens zu rücken oder Menschen, die auf sich selbst konzentriert sind, eher depressiv werden, sei zum Beispiel unklar.
Die Verwendung von Pronomen sei unterm Strich aber aussagekräftiger in der Identifizierung einer Depression als negative Inhalte allein.
Der Sprachstil der untersuchten Texte zeichnete sich vor allem durch eine "absolutistische" Tonalität aus. Wörter wie "immer", "nichts" und "völlig" wurden besonders häufig verwendet. Je stärker die Depression, desto häufiger fanden die Wörter Eingang in Texte von Betroffenen. In Foren für Menschen mit Angstzuständen oder depressiven Verstimmungen wurden sie bis zu 50 Prozent öfter genutzt. Auf Plattformen, wo Betroffene Suizidgedanken äußerten, stieg dieser Wert auf 80 Prozent.
Die vor der Analyse aufgestellt Hypothese, dass depressive Menschen zu Schwarz-Weiß-Denken neigen und sich dies auch in ihrer Sprache niederschlägt, wurde damit bestätigt.
Die neuen Erkenntnisse würden in erster Linie wichtige Einblicke in die Denkmuster depressiver Menschen geben, betont Al-Mosaiwi. Die Relevanz gehe jedoch darüber hinaus. So könnten Sprachanalysen künftig bei der Bestimmung diverser psychischer Störungen angewandt werden – und letztendlich die Diagnosen geschulter Therapeuten ergänzen oder gar ersetzen.
Neben dem Sprachgebrauch kann auch die Selbstdarstellung auf sozialen Medien Hinweise auf psychische Probleme liefern. Eine Erhebung der University of Vermont zeigte vergangenes Jahr, dass die Art und Weise, wie sich User auf Instagram präsentieren, Hinweise auf ihre psychische Gesundheit geben könnte. Dabei sind ehrliche Bekenntnisse und/oder Erfahrungsberichte von Betroffenen eher nebensächlich. Vielmehr können auf den ersten Blick unwichtig wirkende Details auf seelische Probleme hindeuten ().
Weltweit sind über 300 Millionen Menschen von Depressionen betroffen. Tendenz steigend. In Österreich leiden geschätzte 800.000 Menschen an einer Form von Depression. Jede vierte Frau aber "nur" jeder zehnte Mann ist einmal im Leben davon betroffen. 60 Prozent der Selbstmorde sind Experten zufolge auf Depressionen zurückzuführen. Als Auslöser von Depressionen gelten meist traumatische Erlebnisse, Beziehungsprobleme, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO werden Depressionen in den kommenden 20 Jahren zur Volkskrankheit - zur häufigsten Erkrankung nach Krebs und Herz-Kreislauf-Problemen.
Über das Krankheitsbild und mögliche Ursachen weiß unterdessen jedoch nur ein Bruchteil der Gesellschaft Bescheid, wie eine Umfrage aus Deutschland vor Kurzem zeigte ().
