In der österreichischen Sportgeschichte ist’s nur einmal passiert, dass an einem Ländermatch-Tag im Prater-Stadion eine weiblicher Leistung die Fußball-Machos lauter aufschreien ließ als das österreichische Siegestor.
Das 1:0 gegen Schweden wurde am 4. September 1971 kurzfristig zur medialen Nebensache. Ilona Gusenbauer hatte als hochkarätiger "Pausenfüller" gleich im ersten Versuch ihre Körpergröße um elf Zentimeter übersprungen und mit 1,92 Meter Weltrekord erzielt.
Heute begeht die großgewachsene einstige Ausnahmeathletin, die mit dem gleichnamigen SPÖ-Ex-Kanzler nicht verwandt und mit ihrem Trainergatten Roland nicht mehr zusammen ist, ihren 70. Geburtstag.
Dennoch: Den Wiener Rekord hält sie immer noch. Ihn sprang Ilona im Herbst 1972 mit 1,93 bei einem vergleichsweise unbedeutenden Prater-Meeting fast aus dem Stand, hatte sie doch wenige Stunden davor noch bei einem Bau mitgeholfen und schwere Waschbetonplatten geschleppt.
Ihre Fabelleistungen im Hochsprung waren zu diesem Zeitpunkt schon Selbstverständlichkeit. Mehr noch: Die olympische Bronzemedaille wenige Wochen zuvor (und einen Tag vor dem Terroranschlag) in München wurde vom kritischen Boulevard als Enttäuschung interpretiert, während die 16-jährige Deutsche Ulrike Meyfarth per Flop nicht zum Flop sondern zur Sensations-Olympiasiegerin wurde.
Der Flop-Stil (= sich rücklings über die Latte wuchten) galt, wie sich Ilona erinnert, unter Experten damals noch eher als Alternative für die "Patscherten", während Gusenbauer bis zum Finish ihrer auch durch EM-Titeln gekrönten Karriere dem Straddle treu blieb.
Unabhängig vom Sprungstil war Ilona allein schon optisch genau der Typ, nach dem sich die westliche Leichtathletik-Welt sehnte in Zeiten, in denen der Ostblock mit maskulin wirkenden Staatssportlerinnen den Damensport zu manipulieren versuchte. Im Hot-Pants-Look zierte die langbeinige Österreicherin die ganze Titelseite der französischen Sportbibel L’Equipe.
Obwohl vor Wettkämpfen extrem fokussiert, ehrgeizig und auch nervös, empfand Gusenbauer den Sport nie als Beruf. Gleiches behauptet die vielseitige begabte Grand Dame auch über die Malerei, der sie sich lang nach Ende einer ungewöhnlichen Sportlerinnen-Laufbahn (Gusenbauer wurde als Teamplayerin auch sechsfache Meisterin im Basketball) verschrieben hat.
Foto: APA/PFARRHOFER HERBERT Sie lässt sich lieber als glückliche mehrfache Oma denn als Künstlerin bezeichnen, obwohl ihre Werke schon mehrmals bei Ausstellungen zu bewundern waren. Die nächste ist im niederösterreichischen Absdorf im November vorgesehen.
Ein hartnäckiges, tückisches Rückenleiden hat sie mit ähnlicher Konsequenz wie seinerzeit so manch sportliches Zwischentief überwunden. Nur dass die feinfühlige Frau die wiedergewonnene Gesundheit heute mit ungleich mehr Demut genießt. "Ich habe sogar wieder mit dem Skifahren angefangen."
Standesgemäß aktiv zelebriert Omi Ilo ihren heutigen 70er: Rackettschwingend auf einem Tennisplatz vor dem südlichen Stadtrand Wiens.