Was liegt in Italien näher, als Dinge mit einem bildlichen Vergleich sprachlich zu verdeutlichen? "Milan ist wie ein Ferrari, der in der Garage war. Aber ein Ferrari gehört frei auf die Straße", meinte vor kurzem Milan-Geschäftsführer Marco Fassone. Wehe, wenn die Pferdestärken der Mailänder einmal losgelassen...
Am Donnerstag feiert jener Verein in Wien bei der Austria Premiere in der Gruppenphase der Europa League (19 Uhr/live Puls 4 und Sky), der den modernen Fußball, wie er heute gespielt wird, eingeläutet und mit den Holländern Gullit, Van Basten und Rijkaard unter Trainer Sacchi lange dominiert hat.
18 Mal holte Milan insgesamt den Scudetto, die Liga in Italien, und sieben Mal den Landesmeister-Pokal, sprich die Champions League. Damit sind die Rossoneri hinter Real Madrid die Nummer zwei in Europa. Das war die Zeit, als der Ferrari auf Hochtouren der Konkurrenz davon brauste. Am Steuer saß Silvio Berlusconi, unter dessen Führung Milan in 31 Jahren 29 Trophäen in die Vitrinen stellte.
Bis sich Signor Berlusconi den Sprit für seinen teuren Ferrari nicht mehr leisten konnte und das Gefährt in die Garage stellte. "Ich gehe im Schmerz", meinte er beim Abschied. "Aber es braucht im modernen Fußball Investitionen, die eine einzelne Familie nicht mehr aufbringen kann."
Nach Jahren ohne Mitspracherecht bei der Vergabe der italienischen Meisterschaft und drei Saisonen ohne Europacup-Teilnahme rollt der Flitzer wieder zurück auf die Straße, weil die chinesische Investorengruppe rund um Li Yonghong knapp eine Milliarde Euro in den Verein pumpte, darunter 220 Millionen für Altlasten und 240 Millionen für Neuverpflichtungen allein in diesem Sommer aufbrachte.
"Wie viel wir ausgeben, ist uns egal", tönt Fassone plötzlich wieder. "Wir wollen Milan wieder groß machen." Es handelte sich im Falle Milan um die zweitgrößte Vereinsübernahme in der Geschichte des Fußballs nach Manchester United durch die Glazer-Familie.
Der Vierjahres-Plan sieht vor, dass Milan wieder einmal die Champions League gewinnt. Paolo Maldini, Klub-Legende ohne aktuelle Funktion im Verein, formuliert die Ziele für diese Saison noch vorsichtig. "Vielleicht ist es für die Meisterschaft noch zu früh. Aber ein Champions-League-Platz sollte drinnen sein." Sprich, Milan müsste in der Serie A unter die Top 4 kommen, was schwer genug wird, wie das 1:4 am Sonntag bei Lazio Rom unter Beweis stellte.
Die Mannschaft erhielt ein neues Gesicht, ist im Vergleich zur Vorsaison kaum wieder zu erkennen. Man holte Bonucci als Königstransfer für 42 Millionen von Juventus, für Musacchio blätterte man 18 Millionen hin, für Conti 25, für Rodriguez 18, für Biglia 17, für Kessie 28, für Calhanoglu 22, für Andre Silva 38 und für Kalinic 25 Millionen. Die zusammen gewürfelte Truppe ist derzeit alles, nur keine eingespielte Mannschaft. Die lukrative Champions League scheint aufgrund der Investitionen mehr Pflicht als Ziel zu sein.
Foto: APA/AFP/Livio ANTICOLI/LIVIO ANTICOLI Über den neuen starken Mann in Rot-Schwarz, Li Yonghong, ist erstaunlich wenig bekannt. Sein vieles Geld soll er mit Immobilien gemacht haben, seine Wege dürften sich mit jenen des Gesetzes durchaus ab und an gekreuzt haben. In Mailand lässt er sich zudem wenig blicken, was die Milanisti ebenso irritiert wie der Umstand, dass Li den wirtschaftlichen Doppelpass mit dem amerikanischen Hedgefonds Elliott Management spielt.
Der handelt im großen Stil mit Ramschanleihen von Unternehmen in Argentinien, Peru oder Kongo. Li lieh sich 300 Millionen, zurück zu zahlen bis Oktober 2018. Im schlimmsten Fall, so gibt sogar Fassone zu, würde dann Elliott Management das Steuer des Ferrari namens AC Milan übernehmen.