Er steht nicht mehr zur Verfügung, wenn der ÖFB einen neuen Teamchef sucht. Josef Hickersberger inhaliert nach wie vor den Fußball, jedoch passiv und aus der Ferne. Dennoch kann der 69-Jährige mit Marcel Koller mitfühlen, sieht keine Krise des Nationalteams und macht sich Gedanken, wie man mit David Alaba umgehen könnte.
KURIER: Alle Jahre wieder gibt es im Lande eine Teamchef-Diskussion. Wie beobachten Sie die Situation aus der Ferne?
Josef Hickersberger: Alle Jahre wieder stimmt nicht, denn Marcel Koller ist nun schon seit sechs Jahren Teamchef. Drei, vier Jahre lang gab es keine Zweifel und kaum Kritik an ihm, jeder Österreicher war hoch zufrieden mit ihm nach einer sensationellen EM-Qualifikation. Leider ist das dann abgerissen. Von der enttäuschenden EURO hat man sich nicht erholt.
Könnten Sie verstehen, wenn Koller amtsmüde ist?
Aus seiner Sicht kann ich das nicht beurteilen, ich hatte in letzter Zeit keinen persönlichen Kontakt zu ihm. Aus seinen Aussagen höre ich aber keine Amtsmüdigkeit heraus. Wenn ein Trainer sechs Jahre bei einer Station ist, dann muss er viel Erfolg gehabt haben und über viel Qualität verfügen.
Hat ein Trainer grundsätzlich ein Ablaufdatum?
Grundsätzlich nicht. Es gibt das Beispiel Arsene Wenger, der eine gefühlte Ewigkeit bei Arsenal ist. Als Teamchef ist man auch vom Erfolg abhängig, weil sich die Fans oder der Präsident etwas wünschen.
Wie macht das Joachim Löw, der über ein Jahrzehnt die Deutschen dirigiert?
Ich halte ihn für einen außergewöhnlichen Trainer, der viele Erfolge gefeiert hat. Noch dazu ist er ein hoch intelligenter Mensch, sonst würde er sich nicht so lange halten.
Beischreiben Sie bitte das Teamchef-Dasein.
Man hat keine Zeit, eine Mannschaft vorzubereiten. Du hast ein paar Tage Zeit, da kannst du Spieler nicht verbessern, sondern nur im taktischen und psychologischen Bereich feilen. Außer man qualifiziert sich für ein großes Turnier, da bleibt in der Vorbereitung viel mehr Zeit als man sonst hat.
Einspruch! Österreich schoss sich zur EURO, und die ging dann nach langer Vorbereitung gründlich schief.
Das war für mich auch sehr verwunderlich nach der tollen Serie in der Qualifikation. Ich hätte erwartet, dass wir die nicht allzu schwere Gruppe überstehen werden.
Scheiterte man am selbst gemachten Druck?
Das kann sein. Aber den hat man sich zu Recht gemacht. Die Ergebnisse und die Leistungen in der Qualifikation haben Hoffnungen bei allen geweckt.
Was ist des Teamchefs Freud’?
Teamchef eines Landes zu sein ist eine große Auszeichnung, wie ein Preis, den man gewinnt. Es gibt so viele Trainer, aber nur einer darf Teamchef sein. Das ist eine sehr große Ehre.
Was ist des Teamchefs Leid?
Jeder Fan schaut sich die Länderspiele an, alle wissen nach einem Match alles besser. Waren Leistung und Resultat schlecht, dann gibt es heftigen Gegenwind, weil sich die große Masse für das Team interessiert. Das verspürt man nicht einmal als Rapid-Trainer. Der Job ist in den letzten Jahren schwieriger geworden, weil sich mit dem Internet die Medien verändert haben.
Fühlt man als Teamchef eine Ohnmacht?
Sicher ist es für einen Teamchef frustrierend, dass man abhängig ist. Vom Personal, von einer Generation an Spielern, die dir gerade zur Verfügung stehen. In Österreich hat man nicht auf allen Positionen Spieler, die den eigenen Vorstellungen zu 100 Prozent entsprechen. Als Vereinstrainer kann ich reagieren und gezielt Spieler kaufen. Für einen Teamchef gilt das Motto: Was da ist, ist da.
Ist das österreichische Nationalteam nun in einer Krise oder nicht?
Nein. Österreich hat eine Quali nicht geschafft in einer Gruppe, die auf dem Papier eine lösbare Aufgabe war. Aber deshalb gibt es keine Krise. Es ist schon genügend Klasse vorhanden. Das macht Hoffnung, dass es wieder aufwärts geht. Es gibt aber auf einigen Positionen Probleme.
Stichwort Alaba. Es wird diskutiert, ob er nicht Linksverteidiger spielen soll.
Die Diskussion ist nachvollziehbar. Er spielt das viele Jahre bei den Bayern, auf der Flanke mit Ribery. Im Team könnte er das mit Arnautovic spielen, mit dem er sich sehr gut versteht.
Und wenn er das nicht so sieht?
Dann muss man ihn davon überzeugen. Die Aufstellung macht immer noch der Teamchef. Auch die Mannschaft müsste deutlich Stellung beziehen. Da geht es um Kommunikation.
Sollte Koller weiter machen?
Dazu werde ich nicht Stellung nehmen. Ich war selbst immer verärgert, wenn Kollegen zu meiner Arbeit und mir Stellung bezogen haben. Die Entscheidung liegt vielmehr beim Präsidenten.