Die Sache mit dem Tiefstapeln hat sich für Ivona Dadic erledigt. "Wenn ich eine Bestleistung erziele, ist wahrscheinlich viel drinnen", sagt sie vor ihrem Auftritt bei der Hallen-WM in Birmingham am Freitag im Fünfkampf ohne zu zögern.
Die Oberösterreicherin ist trotz ihrer erst 24 Jahre lang genug dabei, um die Mechanismen des Geschäfts zu kennen. Wer als Nummer zwei der Jahresweltbestenliste zu einem der Saisonhöhepunkte anreist, der braucht erst gar nicht von Top-10-Plätzen reden. "Wenn ich die Teilnehmerinnenliste betrachte, sehe ich starke, aber keine übermächtigen Mitbewerberinnen. Da Ivona eine absolute Wettkampfathletin ist, traue ich ihr alles zu", sagt daher auch Österreichs Cheftrainer Gregor Högler.
Mit vier Athleten stellt Österreich unter insgesamt 632 Teilnehmern ein kleines Aufgebot (siehe Zusatzartikel). Für die insgesamt fünfte Medaille in der rot-weiß-roten Sportgeschichte bei Hallen-Weltmeisterschaften (noch keine in Gold) kommt nur Dadic infrage. Dass bei Mehrkämpfen in der Halle zwei ihrer besten Disziplinen (Speerwurf, 200 Meter) nicht ausgetragen werden, stört die Vizeeuropameisterin kaum: "Es ist leichter, fünf Disziplinen hinzubekommen als sieben."
Die Belastungen für Körper und Geist sind dennoch enorm. Das Programm von Dadic am Freitag hat es in sich: 60 Meter Hürden, Hochsprung, Kugelstoßen, Weitsprung und 800-Meter-Lauf.
Oft lässt sich dieser Aufwand auf Weltklasse-Niveau nicht wiederholen. Mehr als eine Handvoll Mehrkämpfe pro Jahr lässt ein Körper nicht zu. Der Druck ist daher groß bei den wenigen Bewerben in einer Saison, neben der Hallen-WM an diesem Wochenende steht im Sommer für Dadic noch die EM in Berlin im Zentrum der Planungen: "Natürlich zählt Freiluft bei uns allen mehr, aber mir ist beides wichtig", sagt sie.
Für den österreichischen Verband ist jede Medaille Geld wert. "Wir wissen, dass wir am Abschneiden bei Olympia und Weltmeisterschaften gemessen werden. Ein neunter Platz bei einer Hallen-EM ist uns im Verband zu wenig", sagt Philipp Unfried, der Sprinttrainer von Ivona Dadic.
Insgesamt besteht das Trainerteam der zweimaligen Olympia-Teilnehmerin aus sechs Betreuern, jeder davon ein Experte in seiner Disziplin wie etwa die ehemalige WM-Medaillengewinnerin Sigrid Kirchmann im Hochsprung. "Österreichs Leichtathletik-Szene ist ja überschaubar. Wir sind daher auf jeden klugen Kopf angewiesen", sagt Chefcoach Högler.
Die klügsten Köpfe sind aber nicht immer günstig. Dazu kommt, dass in der Leichtathletik, einer alten und ausgereizten Sportart, schon kleine Verbesserungen maximalen Einsatz erfordern. "Wir wussten, wir können nicht alle Disziplinen fördern. Das würde den Verband ruinieren", beschrieb Högler bereits vor einiger Zeit die Verbandsstrategie.
Potenzial erkannten die Verantwortlichen in erster Linie im Mehrkampf – und die Rechnung ging voll auf. Mit der 18-jährigen Juniorenweltmeisterin Sarah Lagger hat der ÖLV eines der derzeit größten Talente der Welt in seinen Reihen. Die Qualifikation für die Hallen-WM in Birmingham verpasste die Kärntnerin mit 4319 Punkten um lediglich einen (!) läppischen Zähler.
Doch diese Konzentration auf den Mehrkampf hat auch negative Auswirkungen. Österreich fehlen die Spezialisten. Die österreichischen Staatsmeisterschaften im Vorjahr standen daher ganz im Zeichen der Alleskönner. Sarah Lagger gewann im Weitsprung, Ivona Dadic im Kugelstoßen und mit der Staffel, bei den Herren holte Dominik Distelberger, in Birmingham am Freitag und Samstag im Siebenkampf am Start, die Titel im Weitsprung und im Stabhochsprung.