Es ist schon Tradition, dass der KURIER vor Winterspielen in die Glaskugel schaut und die Medaillen-Zukunft prophezeit. Kritische Stimmen behaupten, wir betrieben Kaffeesudleserei, unsere Antwort darauf: Wir haben sämtliche Ergebnislisten durchforstet, Teilzeiten studiert, Windpunkte analysiert und sind so zu diesem Ergebnis gekommen.
Ohne Anspruch auf Richtigkeit, die Diskussion ist erwünscht. Und wahrscheinlich kommt ohnehin wieder einmal vieles anders.
Ski alpin Damen
15 Medaillen werden vergeben, als erklärte Favoritin geht freilich keine Österreicherin in die Bewerbe in Yongpyong (Technik) und Jeongseon (Speed). Aber hat es das nicht auch vor der WM in St. Moritz geheißen? Und dann holten Nicole Schmidhofer Gold im Super-G, Stephanie Venier Silber in der Abfahrt und Michaela Kirchgasser Bronze in der Kombination. Im Gegensatz zum vergangenen Winter haben Cornelia Hütter und Anna Veith schon Siege eingefahren, dazu ist Nicole Schmidhofer mehrfach und Bernadette Schild einmal aufs Podest gefahren. Zwei Medaillen sollten sich somit ausgehen, vielleicht auch drei. Eine Goldene aber nicht.
Ski alpin Herren
Eines wird in Südkorea nicht passieren: Dass nämlich die österreichischen Alpin-Herren leer ausgehen wie seinerzeit in Vancouver (2010). Dafür hat sich die Mannschaft in diesem Winter zu stark präsentiert. Im Gegensatz zu vergangenen Jahren ist Marcel Hirscher nicht der Alleinunterhalter, auch wenn er mit seinen Seriensiegen allen die Show stiehlt. Im Normalfall holt der Salzburger zumindest zwei Medaillen, im Idealfall kommt eine dritte in der Kombination dazu.
Der KURIER rechnet jedenfalls mit Medaillen in allen fünf Herren-Bewerben. Und das ist keineswegs weit hergeholt: Im Super-G holten die Österreicher sieben von zwölf möglichen Podestplätzen, in der Abfahrt fehlt zwar noch der erste Saisonsieg, aber alle vier ÖSV-Läufer (Max Franz, Hannes Reichelt, Matthias Mayer, Vincent Kriechmayr) waren bereits in den Top drei. Und auf noch etwas legen wir uns fest: Im Teambewerb wird die Skination Nummer eins leer ausgehen.
Skispringen
Was war in diesem Winter nicht schon alles zu hören. Es fehle nicht viel, es brauche nur einmal ein wenig mehr Glück, es sei alles nur eine Frage der Zeit. Mehr als Durchhalteparolen ist den Österreichern nicht geblieben nach dieser bislang so vermurksten Saison. Drei dritte Plätze durch Stefan Kraft, dazu ein zweiter Rang im ersten Teamspringen – das ist die dürftige Ausbeute der früheren Skisprung-Großmacht, die bei den letzten Winterspielen stets ein verlässlicher Medaillenlieferant gewesen war.
Wenn es nun in PyeongChang normal zugeht, wenn nicht noch ein Wunder geschieht oder vielleicht ein Punkterichter bei den Sprüngen der Österreicher plötzlich die Note 25,0 gibt, dann werden die Springer erstmals seit 2002 bei Olympia wieder leer ausgehen. Dafür waren die bisherigen Leistungen schlicht zu schwach, und dafür ist vor allem auch die Konkurrenz aus Polen, Norwegen oder Deutschland viel zu stark und übermächtig.
Foto: APA/AFP/JURE MAKOVEC Die größte Hoffnungsträgerin ist eine, die man bis vor wenigen Wochen gar nicht auf der Medaillen-Rechnung hatte. Dass Daniela Iraschko-Stolz nach ihren neuerlichen Knie-Operation überhaupt wieder über die Schanze springt, ist an sich schon eine Sensation. Dass die 34-Jährige dann aber bei ihrem Comeback auch gleich die Olympia-Generalprobe gewinnen konnte, macht Iraschko-Stolz schon jetzt zu einer Siegerin. Von der Lockerheit der Eisenerzerin könnten sich die Herren etwas abschauen. Der KURIER-Tipp: Daniela Iraschko-Stolz rettet der österreichischen Skisprung-Familie Olympia.
Nordische Kombination
Gold im Mannschaftsbewerb wie 2006 und 2010 wird’s diesmal in Südkorea mit Sicherheit nicht spielen, aber eine Teammedaille erscheint realistisch. Realistischer jedenfalls als ein Podestplatz in einem der Einzelbewerbe. In diesem Weltcup-Winter hat es bislang lediglich Lukas Klapfer unter die ersten drei geschafft.
Biathlon
Es ist mittlerweile bereits ein Running Gag im Biathlon-Lager. "Bei uns geht es nur um Bronze. Gold und Silber sind schon vergeben", erklärt Simon Eder und spricht die Dominanz von Martin Fourcade und Johannes Thingnes Bø an. Der Franzose und der Norweger machten sich in diesem Winter die Siege untereinander aus – nur Tarjei Bø konnte die Phalanx einmal sprengen.
Die Österreicher laufen in diesem Winter dem ersten Podestplatz noch hinterher, konnten aber immer wieder Teilerfolge verbuchen. Es stimmt schon, man kann nicht mit einer österreichischen Biathlon-Medaille rechnen. Warum der KURIER trotzdem an eine glaubt? Weil Südkorea ein guter Boden für die heimischen Loipenjäger ist: 2009 wurde Dominik Landertinger hier in PyeongChang Weltmeister.
Langlauf
Mit ihren spektakulären Auftritten bei der Tour de Ski und konstanten Platzierungen in den Top Ten hat sich Teresa Stadlober ins Rampenlicht gelaufen und wird von einigen als erste Herausforderin der Norwegerinnen gepriesen. Das zeigt, wie viel Fahrt die Karriere der 25-Jährigen zuletzt aufgenommen hat. Der KURIER-Tipp: Stadlober wird sich heute im Skiathlon (8.15 Uhr, live ORFeins) und im 30-Kilometer-Rennen am Schlusstag in Szene setzen und im Vorderfeld ins Ziel kommen, die Medaille hebt sie sich aber für die Heim-WM 2019 in Seefeld auf.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER
Snowboard
2014 in Sotschi hatte Peter Schröcksnadel die Brettartisten noch kritisiert, in PyeongChang wird er froh sein, dass die gescholtene Sparte Mitglied seiner ÖSV-Familie ist. Denn die Boarder werden die Medaillenbilanz aufpolieren. Es müsste schon mit dem Snowboard-Teufel zugehen, sollte Anna Gasser im Big-Air-Bewerb keine Medaille holen. Die Kärntnerin hat sogar das Zeug zum österreichischen Superstar dieser Spiele, in der Nacht auf Sonntag bestreitet sie die Slopestyle-Qualifikation (5 Uhr MEZ). Angesichts des bisherigen Saisonverlaufs wäre es eine Enttäuschung, sollten nicht auch die Alpinboarder eine Medaille holen. Die KURIER-Prognose: Die Boarder werden ähnlich erfolgreich abschneiden wie die Ski-Herren.
Kunstbahnrodeln
Seit 1992 (Albertville) war auf die Rodler bei Olympia Verlass, und diese Erfolgsserie wird auch im anspruchsvollen Eiskanal von PyeongChang nicht reißen. Die Doppelsitzer Peter Penz und Georg Fischler waren in diesem Winter ein Muster an Konstanz und nahezu bei jedem Rennen auf dem Podest. Wenn den Routiniers nicht ein Missgeschick wie bei ihrer Olympia-Premiere vor vier Jahren passiert (Sturz auf der Fahrt zur Medaille), dann steht einer Medaille nichts im Wege. Ähnliches gilt für Doppelweltmeister Wolfgang Kindl, der schon an diesem Wochenende im Einsatz ist.
Skeleton
Zwei Weltcupsiege, aber auch ein Sturz und Platzierungen jenseits der Top Ten – Janine Flock war in diesem Winter bislang eine Wundertüte. Warum der Tirolerin diesmal trotzdem die große Stunde schlägt? Weil sie bei ihren zweiten Winterspielen die Gelassenheit in Person ist und ihr die schwierige Bahn in PyeongChang liegt.
Eisschnelllauf
Die Frau ist amtierende Europameisterin und hat heuer auch schon einen Weltcup gewonnen, aber das macht Vanessa Herzog noch lange nicht zu einer Mitfavoritin über die 500 Meter, geschweige zu einer Medaillenbank. Bei ihren beiden Triumphen hatten die schnellen asiatischen Sprinterinnen gefehlt, die noch eine Klasse über der Österreicherin stehen. Die KURIER-Prognose: Vanessa Herzog wird definitiv ihre Olympia-Medaille gewinnen, aber noch nicht in PyeongChang. Das Plus der Tirolerin ist ihre Jugend: Mit ihren 22 Jahren ist sie mit Abstand die Jüngste in der Weltspitze.