Peter Schröcksnadel reist am Tag der Eröffnung nach Südkorea. Sein Skiverband stellt auch bei diesen Winterspielen wieder die meisten österreichischen Olympia-Starter.
KURIER: Was verbinden Sie mit Olympia?
Peter Schröcksnadel: Mir persönlich fallen da natürlich als erstes die Spiele 1964 und 1976 in Innsbruck ein. Olympia vor der Haustüre, das war für uns alle etwas Besonderes. 1964 war ich in der Axamer Lizum dabei, 1976 bin ich zu Fuß den Patscherkofel hinauf – das sind bis heute meine prägendsten olympischen Erlebnisse. Es war eine andere Zeit, Olympia hatte damals etwas Einzigartiges. Inzwischen ist die Situation leider anders.
Welche Faszination übt Olympia heute auf Sie aus?
Die Faszination ist bei mir schon sehr lange nicht mehr da, die ist mit der Zeit verloren gegangen. Andererseits ist das auch nachvollziehbar.
Wieso das denn?
Weil ich jetzt, wenn man so will, beruflich mit Olympia verbunden bin. Als Präsident des Skiverbandes bin ich in offizieller Funktion bei den Spielen. Dann siehst du Olympia zwangsläufig mit anderen Augen. Auf jemanden, der die Spiele von außen betrachtet und verfolgt, der als Fan mitfiebert, übt Olympia sicher einen viel größeren Reiz aus als auf mich. Für mich hat Olympia längst nicht mehr den Glanz der Vergangenheit.
Warum ist das so?
Vielleicht hängt es wirklich damit zusammen, dass es für mich ein Job ist, dass ich in offizieller Funktion in Korea bin. Aber es hat sicher auch damit zu tun, dass Olympia einfach zu groß geworden ist.
Zu groß?
Es gibt inzwischen viel zu viele Bewerbe, Olympia ist in meinen Augen unüberschaubar geworden. Es ist nicht mehr greifbar. Ich finde diese Entwicklung schade.
Ist das der Grund, weshalb sich in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern die Bevölkerung gegen Olympische Spiele ausgesprochen hat?
Mag sein. Ich habe außerdem das Gefühl, dass gerade bei uns in Europa die Leute auch den Nutzen an Großveranstaltungen nicht mehr erkennen. Die fragen sich: Was bringen Olympische Spiele? Was habe ich, was hat unser Land davon? Wozu brauchen wir das?
Trotzdem überlegt die Steiermark eine Bewerbung für die Winterspiele 2026.
Das kann ich nachvollziehen. Steiermark ist jetzt kein Hochtourismusland wie zum Beispiel Tirol. Die Steirer sehen touristisch noch Potenzial und Entwicklungsmöglichkeiten. Das war und ist in Tirol anders, auch aus diesem Grund ist im Herbst die Abstimmung negativ ausgegangen. Es herrscht die Meinung: Wir brauchen nicht mehr, wir haben eh schon alles. Nach dem Motto: Ein Satter braucht nichts zum Essen.
Glauben Sie denn, dass Olympia auch für die Sportler den Glanz verloren hat?
Ganz bestimmt nicht. Ein Olympiasieg ist noch immer das Höchste, was du als Sportler erreichen kannst. Das hat sich nicht verändert.
Obwohl ein Olympiasieger keinen Cent für seine Goldmedaille erhält. Sie haben sich zuletzt für Prämien ausgesprochen.
Wir reden hier nicht darüber, ob Olympiasieger unterbezahlt sind. Sie kriegen ja sogar überhaupt nichts. Und das geht so nicht, da müssen unbedingt Prämien her. Die Athleten werden angehalten, bei den Spielen ihre Sponsoren nicht herzuzeigen, und dann haben sie am Ende nichts davon. Wenn du, sagen wir einmal im Surfen oder was-weiß-ich-wo eine Olympiamedaille holst, was bringt dir das finanziell für dein Leben? Nichts. Eigentlich erstaunlich: Du hast keinen großen finanziellen Nutzen, aber trotzdem strebt jeder den Olympiasieg an.
Nicht jeder. Marcel Hirscher hat gemeint, dass ein Gesamtweltcupsieg wertvoller wäre.
Ich weiß, was er meint. Den Gesamtweltcup zu gewinnen ist sicher eine größere Leistung als punktuell ein Rennen, wenn du von der Piste, der Tagesform und dem Wetterglück abhängig bist. Bei Olympia hat es immer wieder Zufallssieger gegeben, den Gesamtweltcup gewinnt keiner einfach so.
Apropos gewinnen: Sie streben mit dem Skiverband 15 Medaillen an. Ist das realistisch, einige ÖSV-Sparten schwächeln.
Natürlich sind wir mit den Skispringern und den Kombinierern bis jetzt nicht zufrieden. Da hätten wir uns mehr erwartet. Andererseits sind dann wieder unsere Snowboarder sehr erfolgreich.
Ihre Snowboarder? In Sotschi haben Sie die Boarder noch öffentlich kritisiert und wollten ihnen Nachhilfe beim Präparieren der Bretter geben.
Ganz ehrlich, ich mag die Snowboarder und unterstütze sie auch, wo immer ich kann. Für die Anna Gasser zum Beispiel haben wir eine spezielle Mattenanlage gekauft, damit sie ihre Tricks einstudieren kann. Das hat 150.000 Euro gekostet. Da tun wir extrem viel.
Wenn es wie jetzt gerade im Skispringen nicht läuft: Melden Sie Sich als Präsident dann intern zu Wort?
Wir haben das in der Vergangenheit immer so gehandhabt und machen das auch weiterhin so: Während der Saison wird es keine Schnellschüsse geben. Weil wir alle der Überzeugung sind, dass das nichts bringt. Schon gar nicht in so einer Gefühls- und Kopfsportart wie dem Skispringen.
Sie gelten als Förderer von Gregor Schlierenzauer. Trauen Sie ihm zu, dass er wieder der Alte wird?
Der Gregor liegt mir sehr am Herzen. Ich hoffe, dass er es wieder zurück schafft. Für mich ist die Anna Veith ein gutes Beispiel. Die hatte so eine schwere Verletzung, war so weit weg und gewinnt heuer wieder. Da sieht man dass es funktionieren kann. Der Gregor kann wieder ganz nach oben kommen, aber dafür muss er die Leichtigkeit wieder finden. Ohne die geht im Skispringen gar nichts.
Themenwechsel: Freuen Sie sich auf Olympische Spiele in Korea oder blutet Ihnen bei solchen Destinationen das Herz?
Ich werde mir antrainieren, dass ich mich freue.
Wie bitteschön trainiert man sich Freude an?
Ich erklär’s: Bei den Spielen 1992 in Albertville haben rund um mich alle nur gejammert. Was das doch nicht für eine Scheiß-Abfahrt ist. Da werden wir nichts reißen, und, und, und ...
Und was haben Sie gesagt?
Ich habe gesagt: Der Berg gehört uns. Und dann hat der Patrick Ortlieb Gold geholt und der Günther Mader die Bronzemedaille.
So einfach geht das. Heißt das, Sie sagen jetzt: PyeongChang gehört den Österreichern?
Richtig. Was ich damit sagen will: Bevor man mit einer negativen Einstellung hinfährt, sollte man besser gleich daheim bleiben.
Können Sie dem Trend etwas abgewinnen, Spiele an Orte wie PyeongChang und Peking zu vergeben?
Grundsätzlich ist das durchaus zu begrüßen. Auch wenn Korea jetzt nicht der große Markt ist, aber China bietet dafür enorme Möglichkeiten. Die Spiele nach Peking zu bringen, das ist vielleicht gar kein so großer Fehler. Wenn 200 bis 300 Millionen Chinesen Wintersport betreiben, dann muss man das begrüßen. Es kann nichts Besseres passieren, gerade in der heutigen Zeit.
Sind die Zeiten für den Skisport denn gerade so schlecht?
Das Skifahren und der Wintersport werden ja praktisch nur noch schlechtgeredet. Ich höre immer, Skifahren liegt im Sterben, hat keine Zukunft. Aber wir lassen uns den Sport nicht totreden.
Aus Ihrer Sicht lebt also der Skisport?
Und wie er lebt. Man muss sich nur einmal anschauen, wie voll in den Skigebieten die Parkplätze und die Pisten sind. Wir haben heuer sehr viel Schnee und einen hervorragenden Winter, alle Skigebiete boomen. Dann kann ich doch nicht sagen, der Sport hätte keine Zukunft. Wir haben mittlerweile in den Skigebieten im Durchschnitt 25 Betriebstage mehr als früher. Das ist wichtig und gut. Würde der Wintersport in Österreich ausbleiben, dann würden wir alle am Hungertuch nagen. Gar keine Frage. Gerade in den Tourismusregionen hängen alle direkt oder indirekt davon ab.
Wird Ihnen dann nicht Bange? Stichwort: Klimawandel.
Wenn es zwei Grad wärmer werden sollte, dann tut das dem Skisport noch überhaupt nichts. Und man kann jetzt auch nicht so einfach sagen, dass alle Skigebiete unter 1000 Meter in Zukunft ein Problem kriegen werden. Ich erzähle jetzt was, auch wenn ich weiß, dass dann sicher wieder viele auf mich böse sein werden.
Machen Sie nur.
In den 1970er und 1980er-Jahren hat es am Arlberg die Wedelwochen gegeben. Die waren Ende November, weil dort um diese Zeit schon immer viel Schnee war. Damals haben die Zeitungen geschrieben, dass eine neue Eiszeit kommen würde. Ist alles nachzulesen, ich hab’ die Artikel alle gesammelt. Das soll mir jetzt einer erklären. 1980 heißt es, die Eiszeit kommt. Zehn Jahre später prognostizieren sie dann die globale Erwärmung. Ich bin mit diesen Prognosen mittlerweile sehr vorsichtig. Weil eines weiß ich: Die neue Eiszeit ist nicht eingetreten.