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Vierschanzen­tournee: Überragend, unterirdisch

8-01-2018, 06:00

Die 66. Vierschanzentournee war eine, die in die lange Geschichte dieser Traditionsveranstaltung eingehen wird. Weil zum zweiten Mal ein Springer alle vier Bewerbe gewinnen konnte. Weil das erste Mal ein Türke über die Schanze ging. Und weil die Österreicher das schlechteste Ergebnis seit Skisprunggedenken einfuhren.

Wer fabrizierte einen Absturz? Wer schwebte auf Wolke sieben? Wer fiel positiv auf, wer unten durch? Der KURIER spielt wie jedes Jahr Wertungsrichter und vergibt auch für diese Vierschanzentournee wieder Haltungsnoten.

Die Finnen 0,5
Den halben Punkt bekommt das zerrupfte finnische Skisprungteam nur aus Mitleid. Von solchen Debakeln, wie sie Österreich gerade erlebt, können die Skandinavier nur träumen. Mit 151 Weltcupsiegen mag Finnland zwar noch immer die Nummer zwei im ewigen Ranking sein, doch die einst stolze Skisprungnation verkommt zu einem Niemandsland. Antti Aalto war als 57. der Gesamtwertung der beste der schlechten Finnen.

Das US-Luftloch 6,0
Die amerikanischen Skispringer hatten am Bergisel Flugverbot. Da waren die Athleten erst zur Tournee-Halbzeit direkt von den US-Meisterschaften angereist, und dann mussten sie erst recht wieder am Boden bleiben. Der Grund: Die Sprungski waren auf dem Weg von Übersee nach Innsbruck nicht rechtzeitig am Bergisel angekommen.

Alexander Pointner 10,0
Dafür, wie er sein Schicksal bewältigt, gebührt dem früheren Chefcoach der Österreicher eine 20,0. Wie er hingegen seit Jahren seine Nachfolger schlechtredet, ist unter jeder Kritik. Nur zu Erinnerung: Einen Skiflugweltrekordler und einen Doppelweltmeister konnte auch der erfolgreichste Coach der Skisprunggeschichte nicht vorweisen. Während der Tournee erklärte der Tiroler nun auf krone.at, dass ÖSV-Direktor Ernst Vettori "keine Eier" habe. Ein Beweis, dass Pointner unter der Gürtellinie agiert.

Gregor Schlierenzauer 12,5
Er spüre, dass er sehr nah dran sei. Er merke, dass nicht viel fehle. Das war von Gregor Schlierenzauer während dieser Tournee zu hören. Fragt sich nur: Nah dran woran? Bei den Heimspringen am Innsbrucker Bergisel und in Bischofshofen reichte es für den zweifachen Tourneesieger nicht einmal für die Teilnahme am Finaldurchgang.

Die Österreicher 16,5
Wenn man etwas Positives an dieser 66. Tournee finden will, dann: Die Österreicher haben die Latte für die 67. Tournee nicht sehr hoch gelegt. Kein Podestplatz, keiner in der Gesamtwertung unter den ersten Zehn, nur ein Springer, der in allen vier Bewerben in den Finaldurchgang kam (Michael Hayböck). Absturz ist noch ein Kompliment für die Performance in den letzten zehn Tagen. Kann, ja darf man im Adlerhorst angesichts des Tiefs zur Tagesordnung übergehen? Man muss. Denn mit dem Skifliegen am Kulm und der Skiflug-WM in Oberstdorf warten schon die nächsten Saisonhöhepunkte. Für Kurskorrekturen bleibt im Olympiawinter kaum Zeit.

Fatih Arda Ipcioğlu 18,0
Der Türke war einer der gefragtesten Männer bei der Tournee. Immer wieder musste der 20-jährige Mann aus Ostanatolien seine Geschichte erzählen. Er berichtete, dass er vor neun Jahren mit dem Skispringen begonnen hatte; dass er sich bei einem Sturz schon einmal beide Beine gebrochen hatte; dass seine Mama ihn anflehte: "Hör sofort auf damit!" Doch Fatih Arda Ipcioğlu fliegt nun einmal auf das Skispringen – und wird deswegen in einem Monat in Pyeongchang auch der erste türkische Springer bei Olympischen Spielen sein.

Kamil Stoch 20,0
Eigentlich müsste man für den Polen ja sogar ausnahmsweise einmal eine 20,5 zücken. Als Tribut an diese Ausnahmeerscheinung aus Zakopane. Adam Malysz war der Mann, der das Skispringen in Polen populär gemacht hat, aber Kamil Stoch hat den Pionier der Lüfte mittlerweile längst überflügelt. "Willkommen im Klub", sagte Sven Hannawald, der bis zum Dreikönigstag der einzige Springer war, der bei einer Tournee alle vier Bewerbe gewinnen konnte. Stoch fehlt nun nur noch ein einziger Titel, um alle wichtigen Trophäen zu besitzen, die es im Skispringen gibt: Gold bei der Skiflug-WM. Auch abseits der Schanze konnte der 30-Jährige einen Prestigeerfolg einfahren: Stoch ist zu Polens Sportler des Jahres gewählt worden. Noch vor Bayern-Goalgetter Robert Lewandowski.

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