Wenn Heinz Kuttin einen Fußballklub trainieren würde, dann wäre für ihn jetzt alles etwas einfacher. Dann könnte er in der aktuellen Krise zum Beispiel Änderungen beim Personal vornehmen oder seiner Mannschaft zumindest ein neues taktisches Konzept verpassen. Aber im Skispringen, diesem hochsensiblen und hochkomplexen Sport, hat Aktionismus noch selten jemandem weitergeholfen. Ganz im Gegenteil: Wenn die Betreuer jetzt auch noch ihren roten Faden verlieren und den eingeschlagenen Weg verlassen, dann wäre das Chaos im österreichischen Skisprungteam wohl endgültig perfekt.
"Arbeiten, arbeiten, arbeiten", gibt ÖSV-Sportdirektor Ernst Vettori deshalb als Marschroute vor. "Gespräche, Gespräche, Gespräche," ergänzt Coach Kuttin. Trotz der Turbulenzen strahlen die beiden immer noch eine erstaunliche Ruhe aus. "Weil alles andere auch nichts bringen würde", weiß Vettori.
Zumal es der Terminplan in diesem Winter auch nicht gerade gut meint mit Skispringern, die sich auf der leidigen Suche nach Sicherheit, Selbstvertrauen und Leichtigkeit befinden. Die Österreicher haben sich so ziemlich den schlechtesten Zeitpunkt für ein Tief ausgesucht. In der aktuellen Flaute würden den meisten ÖSV-Springern intensive Trainingseinheiten und eine Wettkampfpause durchaus guttun, aber der Kalender erlaubt schlicht keine Auszeit.
Nach dem Tournee-Finale in Bischofshofen, das ohne den verletzten Richard Freitag (GER) stattfindet, wartet mit dem Skifliegen am Kulm in Bad Mitterndorf für die Österreicher bereits ein nächstes emotionales Highlight. Eine Woche später werden in Oberstdorf Skiflug-WM-Medaillen vergeben. Und dann sind’s nur noch drei Wochen bis zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang.
"Über das Skifliegen am Kulm mache ich mir offen gesagt jetzt noch gar keine Gedanken", gesteht Ernst Vettori, der hofft, dass den Springern auf der Hausschanze in Bischofshofen ein erster Schritt aus der Krise gelingt. "Wir haben bei dieser Tournee am Beispiel von Stefan Kraft gesehen, wie schnell es in beide Richtungen gehen kann", sagt Vettori. "Wenn jemand in Oberstdorf nach dem ersten Durchgang noch führt, dann kann nicht alles falsch sein, was wir tun."