Für Aberglaube ist in der hochtechnologischen Formel 1 weder Zeit noch Platz. Aber die kleine, weihnachtliche Journalistenrunde, die es seit dem ersten WM-Titel von Mercedes 2014 gibt, wollte Motorsportchef Toto Wolff dann auch nach der vierten Konstrukteurs-Weltmeisterschaft nacheinander nicht absagen. Trotz dichtem Programm. Der Aufenthalt in seiner Geburtsstadt Wien gleicht einem flotten Boxenstopp. Die Feiertage verbringt der 45-jährige Jung-Vater dann mit der neuen und alten Familie in Tirol.
"Klassisch Patchwork" nennt es Wolff, der aber auch in der besinnlichen Zeit die Füße nicht vom Gaspedal lassen kann. Den heutigen Freitag verbringt er mit seinem ältesten Sohn sowie mit Langzeitfreund Alexander Wurz und dessen Nachwuchs in einem Fahrtechnikzentrum, am Stefanitag steht Rallye-Fahren auf dem Programm. "Ein Riesen-Spaß im Schnee, aber nicht ganz ungefährlich." Die alten Weggefährten aus der rot-weiß-roten Rallye-Szene hat Ex-Pilot Wolff auch nach Dutzenden Pokalen und ebenso vielen Ehrungen in der Glamourwelt der Formel 1 nicht aus den Augen verloren.
Für den Mann, der die beste Siegquote aller Formel-1-Teamchefs vorweisen kann (fast 70 Prozent) und dabei Motorsport-Legenden wie Jean Todt, Frank Williams oder Colin Chapman überholt hat, wirkt Toto Wolff erstaunlich bodenständig. Voller Stolz zeigt er Handy-Videos seines acht Monate alten Sohnes im Kinderbett und gibt nebenbei einen Rück- und Ausblick. Der 45-jährige Österreicher über ...
... die Weihnachtszeit
"Es ist heuer definitiv weniger stressig als im vergangenen Jahr, da wir Ende 2016 völlig überraschend den zurückgetreten Nico (Rosberg, Anmerkung) ersetzen mussten. Aber wer weiß, was in den nächsten Tagen noch kommt. Bei Lewis (Hamilton, Anmerkung) weiß man ja nie, was ihm gerade im Sinn steht (lacht)."
... seinen Starpiloten Lewis Hamilton
"Seine Performance war unglaublich. An Motivation mangelt es ihn auch nach vier Weltmeisterschaften nicht. Ich habe nämlich das Gefühl, er spürt nun erstmals, dass die sieben Titel von Michael Schumacher in Reichweite sind. Er hat Lunte gerochen und wird diese Marke jagen. Und wir werden alles daran setzen, dass er dafür das passende Auto hat."
... die Gegner in der kommenden Saison
"Wir rechnen natürlich mit Ferrari und Red Bull. Sie waren diese Saison gefährlich und werden es auch 2018 sein. Aber wer von den beiden Teams schneller sein wird, bleibt abzuwarten. Unser Auto war nicht immer pflegeleicht. Wir sind gerade dabei, es besser zu verstehen. Gelingt uns das, kann ich versprechen, dass wir wieder sehr schnell sein werden."
... die Reformen, die der neue Eigentümer Liberty Media anstrebt
"Die abgelaufene Saison hat sich ganz gut entwickelt. Liberty ist neugierig, hört zu, verfolgt aber gleichzeitig einen klaren eigenen Plan. Sie wollen schon bald ein neues Übertragungsangebot präsentieren, das als Zusatz zum klassischen TV funktioniert. Wir von Mercedes freuen uns aber auch, dass die Formel 1 in den kommenden Jahren weiterhin im deutschen Free-TV zu sehen sein wird. Da geht es um Millionen Fans, auf die man nicht vergessen sollte."
... ein neues Motorenreglement ab 2021
"Die aktuellen Hersteller vertreten den Standpunkt, dass die Architektur des bestehenden Antriebs bestehen bleiben soll. Über alles andere kann man diskutieren, da sind wir offen für Neuerungen. Die Frage für Liberty wird wohl sein: Findet man mit den bestehenden Herstellern einen Kompromiss, der auch für Neueinsteiger realisierbar ist? Oder unternimmt man alles, um den einen möglichen neuen Motorenbauer anzulocken und damit vielleicht ein paar der alten verärgert?"
... das Aus von Niki Lauda als TV-Experte bei RTL
"Es war seine ganz persönliche Entscheidung, die Rolle als Mercedes-Aufsichtsrat hatte damit nichts zu tun. Das Gute für uns aber ist, dass er nun noch mehr Zeit hat für das Mercedes-Team. Obwohl er bereits in der Vergangenheit immer der erste im Fahrerlager gewesen ist. Wenn Niki ins Motorhome kommt, fahren üblicherweise noch die Putzmaschinen herum."