Das Vertrauen der Trainer in die Fahrkünste von Katrin Beierl muss unerschöpflich gewesen sein. "Setz dich rein. Da zieh’ links, da zieh’ rechts, dann kommst du schon runter", gaben sie der jungen Frau mit auf den Weg durch den Eiskanal von Igls.
Katrin Beierl ließ sich nicht beirren, geschweige ließ sie sich aufs Glatteis führen. Unfallfrei steuerte sie bei ihrer Jungfernfahrt den Monobob ins Ziel. "Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick", erzählt Beierl.
Vier Jahre später ist aus der Fahrschülerin die Senkrechtstarterin der Bob-Szene geworden. Dass eine junge Pilotin in einem ihrer ersten Weltcuprennen gleich auf Platz fünf rast wie zuletzt in Winterberg, ist schon ungewöhnlich. Dass da dann aber auch noch eine Flachland-Steuerfrau mit der Konkurrenz Schlitten fährt, das ist wirklich kurios.
Katrin Beierl kommt aus Himberg im Wiener Becken, und bis zu ihrem Selbstversuch in Igls hatte sie keinen Bezug zum Eiskanal. Ihr Vater Michael, ein ehemaliger Hammerwerfer und Militärweltmeister, war zwar einmal für kurze Zeit Bremser im Bob von Gerhard Rainer, "aber ich hatte von dem Sport keine Ahnung", erinnert sich die Niederösterreicherin. Hätte sie ihr Jus-Studium nicht nach Innsbruck verschlagen, die 24-Jährige wäre heute wohl auf der Tartanbahn und nicht im Eiskanal zu finden. Beierl war österreichische Nachwuchs-Meisterin im Hürdensprint. In Tirol stieß sie beim Leichtathletik-Training auf die Bobfahrer – und schon war es um sie geschehen.
Wer hierzulande Bobpilot wird, der begibt sich zwangsläufig auf dünnes Eis. Preisgeld und Sponsoren sind überschaubar, die Kosten hingegen überbordend. Beierl investierte vor zwei Jahren 15.000 Euro in einen gebrauchten Zweierbob, für Schlitten der modernen Generation muss man mindestens 50.000 Euro berappen. Für einen Athleten ist das praktisch nicht finanzierbar. Beierl hat durch das Olympia-Projekt vom Verband einen neuen Schlitten zur Verfügung gestellt bekommen. "Das ist jetzt ein ganz anderes Fahren", erzählt sie, "und am Start waren wir sowieso immer schnell."
Mit "wir" meint sie Jennifer Onasanya, ihre Anschieberin. Auch wegen der Speerwerferin und Mixed-Martial-Arts-Kämpferin aus den Niederlanden hat Beierls Karriere nun so rasant Schwung aufgenommen. Beim Weltcup in Igls, wo am Samstag auch EM-Medaillen ausgefahren werden, wird Onasanya noch im Bob sitzen, ehe sie ihren Platz räumen muss; Für die Olympischen Winterspiele in Südkorea ist Viktoria Hahn als Anschieberin vorgesehen, eine Gewichtheberin. "Es ist nicht einfach, Leute zu finden, die das machen wollen. Im Bobsport brauchst du Idealisten", weiß Beierl.
Foto: /Zvg Aber auch Unterstützung aus dem Elternhaus. Beierls Eltern kommen beide aus dem Spitzensport, Mama Ulrike Kleindl war 1988 in Seoul Olympiateilnehmerin im Weitsprung. Die Beierls unterstützen die ungewöhnliche Leidenschaft ihrer Tochter, der Vater hat inzwischen sogar einen Verein gegründet, den ASKÖ Bob- und Skeleton Sportclub Himberg.
Katrin Beierl genießt es, dass sie nun ein wenig im Fokus steht. "Ich habe keinen Druck, weil plötzlich mehr über mich geredet wird. Ich finde das spannend und auch ein bisschen lustig."
Nach ihrem fünften Platz in Winterberg haben sich bei ihr alte Schulkollegen gemeldet. "Die wollten wissen, ob ich die Bobfahrerin bin."