Andreas Prommegger musste 36 Jahre alt werden, um endlich bei einem Großereignis den großen Erfolg einzufahren. Wie Marcel Hirscher im Skifahren und Stefan Kraft im Skispringen wurde der Pongauer Snowboarder im letzten Winter Doppelweltmeister. Beim Weltcup-Auftakt am Donnerstag in Carezza (Italien) trägt Prommegger im Parallel-Riesentorlauf das Weltmeister-Trikot.
KURIER: Sie fahren tatsächlich noch mit?
Andreas Prommegger: Wie soll ich das verstehen?
Es heißt ja, dass man aufhören soll, wenn es am Schönsten ist.
Im heurigen Frühjahr wäre es definitiv der schönste Zeitpunkt gewesen, um die Karriere zu beenden. Doppelweltmeister, das werde ich nicht mehr toppen können. Vor allem aus emotionaler Sicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich noch einmal solche Momente erlebe.
Was war so besonders?
Ich fahre jetzt seit 15 Jahren bei Großereignissen. Oft war ich knapp dran an einer Medaille, aber am Ende bin ich immer enttäuscht worden. Im Grunde hat keiner mehr daran geglaubt, dass ich noch etwas reiße. Ich ehrlich gesagt auch nicht mehr. Und dann so zurückzuschlagen, das hat mich sehr bewegt. Mag sein, dass für die Öffentlichkeit ein Olympiasieg mehr wert ist. Für mich sind die beiden WM-Titel das Größte. Und das Gute ist: Jetzt muss ich mir auch nicht mehr die Fragerei anhören.
Welche Fragen denn?
Wann ich denn endlich eine Medaille gewinne. Bei mir hat’s immer geheißen: ,Der gewinnt ja nichts bei Großereignissen.‘ Es wäre ein kleiner, bitterer Beigeschmack gewesen, wenn ich ohne Medaille hätte aufhören müssen. So, wie’s jetzt ist, wäre ich sowieso blöd, wenn ich es lassen würde.
Wie meinen Sie das?
Mir geht’s körperlich gut, ich bin konkurrenzfähig, und ich kann endlich einmal ohne Druck in ein Großereignis gehen. Unter dem Kapitel Medaille habe ich ja jetzt ein Hakerl gemacht. Und eines darf man auch nicht vergessen: Als Doppelweltmeister ist man klarerweise auch für die Medien und Sponsoren interessanter.
Sie haben’s angesprochen: Wie gut kann ein Snowboarder von seinem Sport leben?
Natürlich stehe ich finanziell nicht so da wie zum Beispiel ein Skifahrer, der Doppelweltmeister geworden ist. Der muss sich nach der Karriere vermutlich nicht mehr so viele Gedanken machen. Bei uns rechnet es sich nur für die Sieger. Wenn du den ganzen Winter auf den achten Platz fährst, was ja jetzt echt nicht schlecht ist, dann kommst du am Ende auf 2000 Euro Preisgeld. Ich bin ein Familienvater mit zwei Kindern, wenn ich nicht den Job bei der Polizei hätte und abgesichert wäre, dann wäre ich heute wahrscheinlich nicht mehr Snowboarder.
Fehlt dem Snowboardsport in Österreich und beim ÖSV denn die Lobby?
Die Leute sollen sich die letzten Großereignisse ansehen: Wir liefern ständig ab. In Relation gesehen sind wir sogar die erfolgreichste Sparte des ÖSV. Natürlich stehen wir im medialen Fokus weit hinter den Skifahrern und Springern. Daran wird sich wohl auch nie etwas ändern. Aber ich beschwere mich da nicht. Ich hätte es mir zum Beispiel nie vorstellen können, dass ich einmal in Wien in die U-Bahn einsteige und mich Leute erkennen. Seit den beiden WM-Titeln werde ich plötzlich angesprochen. Das ist eine Form der Anerkennung und die Bestätigung, dass ich in der Karriere die richtigen Entscheidungen getroffen habe.
Sie wollten hinschmeißen?
Ich habe mir immer wieder einmal Gedanken über das Karriereende gemacht. Auch wegen der Familie. Mein Vorteil ist: Weil ich eh schon Polizist bin, wäre für mich der Schritt raus aus dem Sport kein Problem. Ich würde nicht vor einem Loch stehen wie andere Sportler, die sich schwer tun, wenn nach 20 Jahren im Sport auf einmal der Alltag auf sie wartet.
Spricht da aus Ihnen auch die Gelassenheit des Routiniers?
Mich haut nichts mehr so schnell aus der Bahn. Ich weiß, was ich brauche und worauf es ankommt.
Und worauf kommt es in den K.-o.-Duellen in den Parallelrennen besonders an?
Jeder sagt dir, dass du den Gegner nicht beachten sollst, aber das geht nicht: Du spürst ihn, er beeinflusst dich extrem. Wenn er vorne ist, dann fängst du leicht an zu hasardieren. Wenn du voraus bist, denkst du dir: ,Wo ist er jetzt, was macht er, holt er mich noch ein?‘ Aber das ist ja genau der Reiz, denn nur alleine runterzufahren, das wäre mir zu langweilig.