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Hannes Reichelt: In alter Frische zum Erfolg

1-12-2017, 08:00

Hannes Reichelt hatte eigentlich geglaubt, dass er in seiner Karriere schon alles gesehen und erlebt hätte. Wer kurz nach der Jahrtausendwende sein Debüt im Alpinen Skiweltcup gegeben hat und inzwischen in den Rang des ältesten Rennläufers aufgestiegen ist, der wird nicht mehr so leicht auf dem falschen Fuß erwischt.

Dann kam der Tag, an dem der Super-G-Weltmeister von 2015 Nachhilfe von einem Langläufer bekam und Hannes Reichelt machte auf seine alten Tage noch einmal eine neue Erfahrung.

Der ÖSV zog in der Vorbereitung einen Skating-Coach zurate, um den österreichischen Abfahrern beim Start Beine zu machen. Denn der neue Abfahrts-Trainer Sepp Brunner, der nach dem letzten Winter von der Schweiz zum ÖSV gestoßen ist, hatte bei seinen Analysen rasch herausgefunden, dass die Österreicher vor allem bei flachen Starthängen nicht so schnell Fahrt aufnehmen wie die ausländische Konkurrenz.

An diesem Wochenende wird sich nun zeigen, ob sich die Sonderschichten in Sachen Schlittschuhschritten und Stockschüben ausgezahlt haben. Ein Kriterium der legendären Birds of Prey-Piste in Beaver Creek, wo ein Super-G (Freitag, 18.45 Uhr, live ORFeins), eine Abfahrt (Samstag) und ein Riesentorlauf (Sonntag) auf dem Weltcup-Programm stehen, ist auch das lange, flache Gleitstück nach dem Start.

Erfolgsserie

Hannes Reichelt hatte freilich in Beaver Creek noch nie richtige Anlaufschwierigkeiten. Der 37-Jährige fliegt regelrecht auf die spektakuläre Raubvogel-Piste, auf der er bei der Weltmeisterschaft 2015 mit dem Super-G-Triumph den größten Erfolg seiner Karriere eingefahren hatte. Dazu kommen noch drei Siege im Weltcup (2005, 2007, 2014) und zwei dritte Plätze – nicht einmal der Mister Super-G Hermann Maier schlug sich in Beaver Creek in dieser Disziplin so erfolgreich wie sein Salzburger Landsmann.

Geschlechterkampf

Was für Hannes Reichelt die Birds of Prey, das ist für Lindsey Vonn die Abfahrtspiste in Lake Louise. Der beschauliche Wintersportort in Kanada müsste eigentlich längst Lake Lindsey heißen, als Tribut an die erfolgreichste Läuferin im Damen-Weltcup, die gleich 18 ihrer 77 Siege in Lake Louise errungen hat.

Kein Wunder also, dass die US-Skidiva ihre Lieblingsstrecke für den Geschlechter-Vergleich auserkoren hat. Seit Jahren schon hegt Vonn den Wunsch, sich in der Abfahrt mit den Herren zu messen, der US-Verband hat bei der FIS einen Antrag auf eine Ausnahmestartgenehmigung für 2018 eingebracht.

Und so kommt es, dass in Lake Louise vor der heutigen Abfahrt (20.30 Uhr, live ORFeins) nicht die Comebacks von Anna Veith, Lara Gut oder Cornelia Hütter das Thema sind, die sich alle nach schweren Knieverletzungen wieder über die Abfahrt wagen, sondern vielmehr die Sonderwünsche von Lindsey Vonn.

Diskussionsstoff

Mehr noch: Selbst die Herren in Beaver Creek führen eine Debatte über die Sinnhaftigkeit von Vonns Ansinnen. Zumindest in dieser Causa steht ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel ("in Lake Louise fahr’ sogar ich noch die Abfahrt runter, und nicht langsam") mit seiner Meinung nicht alleine da. Es regt sich durchaus Widerstand gegen ein Kräftemessen mit Vonn. " Wenn sie in der ersten Kompression auf die Schnauze fällt, möchte ich keine Verantwortung tragen müssen", sagte FIS-Renndirektor Markus Waldner gegenüber der APA. Auch Hannes Reichelt kann der "PR-Aktion" nichts abgewinnen. "Wenn Lindsey bei uns mitfährt, verliert der Weltcup an Wertigkeit."

Ohnehin beschäftigt sich der Routinier mit ganz anderen Projekten. Dieser Tage erst hat Hannes Reichelt angekündigt, die Karriere bis 2019 fortsetzen zu wollen. Und dann ist da noch das Privat-Duell mit Didier Cuche. Mit 37 Jahren und 192 Tagen ist der Schweizer der älteste Sieger im Weltcup.

Ein Weltcupsieg in Beaver Creek käme für diesen Rekord noch zu früh. In sieben Wochen ist Reichelt dann aber alt genug, um ältester Weltcupsieger der Geschichte zu werden. Pünktlich zu den Hahnenkammrennen in Kitzbühel.

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