Auf dem Weg zur Präsentation von Stephan Auer in Hütteldorf wirkte ein Mann mittleren Alters auf der damaligen Stadion-Baustelle etwas verloren. "Ich kenn’ mich bei Rapid noch nicht so aus. Wo muss ich denn hin?" fragte der Herr, der sich als Vater des Spielers herausstellte.
Ähnlich ging es Stephan Auer selbst nach seinem Wechsel von der Admira im Sommer 2015. "Man braucht eine gewisse Zeit zur Orientierung, weil es bei Rapid um mehr geht. Bei der Admira spürst du überhaupt keinen Druck. Das ist hier schon etwas anderes. Diese Dynamik musst du selbst erleben", erklärt der Mittelfeldmotor vor dem heutigen Duell (16.30 Uhr) der einzigen beiden Klubs, für die der 26-Jährige in den letzten 15 Jahren gespielt hat.
Auer war bei Rapid lange auf der Suche nach seinem Platz, obwohl er auf dem Feld mit seinem Raumgefühl (ausgerechnet!) immer wieder eine besondere Fähigkeit aufblitzen ließ: "Ich kann gut antizipieren und das Spiel lesen. Mein Raumgefühl ist eine meiner Stärken, dadurch kann ich Bälle abfangen. Ich denke dann ein, zwei Schritte voraus."
Nach dem zweiten Bier im Stadion oder mit der eingeschränkten Optik einer TV-Übertragung war das für viele nicht zu erkennen: Auers Spiel ist eines, das andere besser aussehen lässt. Für Trainer Goran Djuricin zählt Auer deshalb zu den Schlüsselspielern. Offensichtlich wurde das im Derby beim Tor zum 2:0: Auer sprintete Serbest hinterher und gewann den Ball, nach dem Rettungsversuch von Hadzikic traf der umjubelte Schaub ins Tor.
Auer ist im 13. Bezirk, also nahe Rapid, aufgewachsen, Fußballspielen gelernt hat er aber in Schwechat. "Ein Arbeitskollege meines Vaters war Jugendleiter in Schwechat, meine Eltern haben viel Zeit mit dem Transport für mich verbracht", erzählt er über seine Anfänge als rechter Flügelstürmer und Mannschaftskollege von Freund Christopher Dibon: "Damals war ich im Vergleich zu den Kollegen noch größer, dann bin ich stehen geblieben."
Bei der Admira wurde der 1,76-Meter-Mann zum Sechser ausgebildet. Zoran Barisic holte den Allrounder ablösefrei (und wie bei Beric gegen Skepsis in der damaligen Scouting-Abteilung) – in erster Linie als linken Verteidiger. Knapp vor seinem Rauswurf meinte der Ex-Trainer, dass er bei Auer in der zweiten Saison eine Leistungsexplosion erwarten würde. Es kam anders: "Unter Herrn Büskens war es komisch: Ich hab’ richtig gut trainiert, viel mit ihm gesprochen, aber kaum gespielt." Beim Abgang meinte der Deutsche zum Reservisten: "Ich habe deine Qualitäten leider zu spät gesehen, das war ein Fehler."
Das Meinungsbild in den (un)sozialen Medien war hingegen klar. "Zu schwach für Rapid" war noch eines der am freundlichsten formulierten Urteile. "Ich habe die Kritik am Anfang gelesen. Das war ein Fehler. Es ist nicht leicht, wenn du so viel Negatives über dich liest", erzählt Auer, dessen Selbstvertrauen weiter absank.
Hilfe kam vom Ex-Kollegen und nunmehrigen Berater Markus Katzer: "Über ihn haben sie am Anfang auch viel geschimpft. Er hat mir den Tipp gegeben: ,Einfach nie hinklicken! Online nix lesen.‘ Das hat ihm und dann auch mir geholfen."
Vom Meinungsumschwung seit dem Wechsel zu Djuricin bekommt Auer dafür auch nicht viel mit. Direktes Lob gibt es von Athletiktrainer Toni Beretzki: "Schneck hat sich seit unserer Zusammenarbeit bei der Admira in allen Bereichen gesteigert." Der Spitzname "Schneck" ist übrigens an Herbert Prohaska angelehnt, weil Auers Haarpracht in unbeobachteten Momenten an den jungen "Schneckerl" erinnert.
Ein Vergleich mit Cristiano Ronaldo sorgte für noch mehr Motivation beim Kämpfer. "Mein Bruder spielt auch Fußball, er hat gesagt: ,Dein Körper ist dein Kapital, der muss eine Maschine sein. Warum schaut ihr bei Rapid nicht so aus wie Ronaldo?‘"
Seither trainiert der Dauerläufer privat extra und achtet noch mehr auf die Ernährung: "Vielleicht bin ich mit 26 Jahren reifer und denke mehr nach. Ich schaue jetzt sehr auf mich."
Die angriffige Spielweise unter Djuricin kommt dem Wiener ebenso entgegen: "Ich bin ein Pressingtyp. Mit ihm läuft es aber für die ganze Mannschaft gut – unser Trend zeigt nach oben."
Am Ende des Gesprächs meint Stephan Auer etwas verblüfft: "Ich hab’ gedacht, ich soll ein bisschen etwas über Rapid und die Admira erzählen. Aber da geht’s ja eigentlich um mich." Genau – und jetzt hätte der Unterschätzte auch noch die Chance, etwas loszuwerden. "Nein, danke. Ich bin nicht so der Typ, der sich mit Ansprüchen in den Mittelpunkt stellen will."