Viel Luft nach oben hat Stefan Kraft nicht mehr. Im vergangenen Winter hat der 24-jährige Pongauer praktisch alle Titel und Trophäen gewonnen, die zu vergeben waren. Kraft holte den Gesamtweltcup, er wurde in Lahti als erster österreichischer Skispringer Doppelweltmeister und schnappte sich schließlich mit einer Weite von 253,5 Metern auch noch den Skiflugweltrekord.
KURIER: Wie schafft es ein Überflieger wie Sie, dass er nach so einer erfolgreichen Saison nicht in ein Motivationsloch fällt?
Stefan Kraft: Damit hatte ich überhaupt kein Problem.
Sie scherzen.
Nein, ganz im Gegenteil: Wenn’s nach mir gegangen wäre, hätte die Saison ruhig noch weiterlaufen können.
Wirklich? Marcel Hirscher etwa hat gemeint, dass er nach dem vergangenen Winter völlig ausgebrannt war und keine Skipiste mehr sehen wollte.
Aber ich war da gerade so richtig drin im Flow. Ich war auch überhaupt nicht müde oder ausgebrannt, sondern mir hat das Springen einen Riesenspaß gemacht. Ich tu’ eigentlich auch nichts anderes lieber. Außerdem: Wenn man weiß, dass eine Saison mit Olympischen Spielen und einer Skiflug-WM ansteht, dann muss man sich nicht großartig motivieren.
Foto: APA/EXPA/JFK Zumal Sie ja auch noch nie bei Winterspielen waren.
Auch deshalb steht Olympia bei mir ganz oben. Sotschi 2014 war, wenn man so will, der einzige kleine Knackpunkt in meiner Karriere. Da war ich nur der sechste Mann und durfte nicht mitfahren nach Russland, weil ich vor den Spielen so einen Schas gehupft bin.
Andererseits waren die Spiele in Sotschi auch eine Trendwende.
Ab dem Zeitpunkt ist es bei mir richtig dahingegangen. Und schon deshalb will ich alles unternehmen, damit ich in Südkorea dann unbedingt in Topform bin.
Kann man denn als Skispringer gezielt auf ein Großereignis hintrainieren?
Nein, das funktioniert so nicht. Und deshalb denke ich im Moment auch nicht großartig an Olympia. Das kommt sowieso früh genug. Vorher gibt es genug andere Ziele und Aufgaben. Olympia ist bei mir noch im Hintergrund.
Sind durch die letzten Saisonen Ihre Ansprüche gestiegen oder können Sie locker an die Sache herrangehen, weil Sie ohnehin schon so viel gewonnen haben?
Alles, was war, ist im Grunde genommen wurscht für die neue Saison und für meine Ausgangsposition. Mir ist schon klar, dass es nicht in der gleichen Tonart weitergehen wird und es passieren kann, dass ich nicht von Anfang an gleich unter die ersten drei springe.
Sagen Sie das aus Selbstschutz?
Die anderen trainieren ja auch sehr gut. Und so ein Lauf, wie ich ihn dann 2017 hatte, muss erst wieder einmal passieren. Ich kann eines versichern: Sollte ich in den ersten Springen Zehnter werden oder einmal nur 15., dann wird für mich die Welt nicht zusammenbrechen.
Foto: APA/BARBARA GINDL Spricht da aus Ihnen die Gelassenheit eines Seriensiegers?
Was mir sicher hilft, das ist die Erfahrung. Ich bin jetzt viel lockerer und ruhiger geworden. Auch durch das, was ich alles schon erreicht habe.
War der junge Stefan Kraft anders?
Wenn’s vor drei, vier Jahren einmal nicht so gelaufen ist, dann hat’s schon passieren können, dass ich manchmal total verkrampft war und mich gefragt habe: ,Wieso läuft’s nicht, warum funktioniert dieses und jenes nicht?‘ Aber heute bin ich mir sicher, dass ich nicht die Nerven verliere, wenn es nicht sofort perfekt läuft.
Was aber schon auffällt im Skispringen: Nach einer überragenden Saison tun sich manche Athleten schwer. Peter Prevc hatte 2015/’16 sämtliche Punkterekorde gesprengt, im vergangenen Winter war er aber nur eine Randerscheinung.
Stimmt, das ist wirklich schon einigen Skispringern passiert. Und das ist auch mein großes Ziel und mein Anspruch, dass ich das heuer vermeide. Deshalb habe ich im Sommer auch viele Termine abgesagt, die durchaus interessant gewesen wären.
Ist Ihnen das schwer gefallen?
Ich hätte praktisch jeden Tag irgendwo eine Einladung gehabt. Aber mir war von Anfang an wichtig, dass das nicht auf Kosten des Sports geht und dass ich nicht ein einziges Training auslassen muss. Mein Ziel war es, dass ich gesundheitlich und körperlich fit bleibe. Und wenn man dann im November zum ersten Weltcup fährt und weiß, dass man alles richtig gemacht hat, dann gibt das enorm viel Selbstvertrauen, Sicherheit und Ruhe.
Ganz so rar haben Sie sich dann aber doch nicht gemacht. Sie waren ja zum Beispiel zu Gast in der ORF-Sendung "Wir sind Kaiser".
Ja, und ich war wirklich meganervös. Das hat man glaube ich auch gesehen. Ich hab’ da auf einmal begonnen, ganz komisch Hochdeutsch zu sprechen. Und dann immer dieses ,Eure Majestät‘ – das war nicht einfach.
Einladungen zum Kaiser erhält natürlich auch nicht jeder. Hat sich denn durch all die Erfolge Ihr Leben verändert?
Ich merke schon, dass ich jetzt häufiger angesprochen werde und dass die Leute mehr auf mich schauen. Vor allem beim Einkaufen fällt mir das auf. Wenn ich allein unterwegs bin, dauert’s dann meistens länger als geplant. Interessanterweise reden mich aber weniger Leute an, wenn meine Freundin Marisa dabei ist.
Foto: APA/BARBARA GINDL Haben Sie sich persönlich vielleicht verändert?
Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, dass ich mein Leben genau so weiter lebe wie bisher. Und wenn ich einmal irgendwo mein Bier trinken will, dann tu’ ich das auch. Von dem her bin ich der Gleiche geblieben. Ich muss nur schauen, dass ich manchmal nicht zu streng zu mir selbst werde.
Zu streng?
Ja, ich muss schauen, dass ich meine Lockerheit und Unbekümmertheit nicht verliere. Dass ich einen Spaß habe und locker drauflos lebe. Diese Einstellung verliert man ja leicht im Alter. Ich möchte aber das Jugendliche in mir drinnen lassen.
Haben Sie sich nach dem letzten Winter irgendetwas Besonderes gegönnt?
Einen Malediven-Urlaub mit meiner Freundin Marisa, in so einem Wasserhäusl, all inclusive, pipifein, das war echt schön.
Und wie geht’s einem Adler so im großen Meer?
Ich bin ja so ein Hosenscheißer. Das Tauchen ist so ziemlich das Einzige, bei dem ich Angst habe. Einmal hatte ich dort richtig Panik.
Wie das denn?
Ich war vielleicht drei, vier Meter von unserem Häusl entfernt im Meer. Auf einmal ist ein kleiner Riffhai vorbeigeschwommen. Das war mir noch egal. Aber wie ich dann dahinter noch einen größeren Hai gesehen habe, da bin ich richtig panisch geworden. Ich hab’ mich umgedreht und bin Vollgas zurück ins Haus. Ich bin dann echt ungern ins Wasser gegangen, weil’s mir ein bisschen unheimlich war.