Skisprungstar Gregor Schlierenzauer hat sich im Interview mit der APA über geänderte Prioritäten nach seiner Auszeit samt schwerer Knieverletzung geäußert. Der frühere Seriensieger sprach nach der Premiere des Dokumentarfilms "Weitergehen" über seinen Weg aus der Krise auch über neu gewonnene Motivation, Ziele und den nötigen Killerinstinkt.
Wo sehen Sie sich momentan auf Ihrem Weg aus der Krise? Ist sie schon überstanden, ist es noch eine Entwicklung?
Gregor Schlierenzauer: Jetzt geht es mir schon wieder sehr gut. Es war eine herausfordernde Zeit die letzten eineinhalb Jahre. Es ist sehr viel passiert in meinem Leben. Ich habe mich auch sehr geöffnet, versucht an mir zu arbeiten, und das hat mir sehr gut getan. Jetzt spüre ich wirklich wieder die Energie und die Freude, jeden Tag aufzustehen, jeden Tag das machen zu dürfen, was mir wirklich Spass macht, in dem Fall Spitzensport und Skispringen. Es ist für mich schon auch berührend und inspirierend, dass man innerhalb von eineinhalb Jahren so extreme Gefühlswelten durchlebt, einmal oben, einmal unten. Jetzt bin ich wieder da, zurück. Jetzt ist es ist so, dass ich mich wieder auf alles freue, was kommt.
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER Wohin haben sich Ihre Prioritäten durch die schwierige Zeit verschoben?
Man sieht natürlich das Leben mit anderen Augen, wenn man erwachsen wird, wenn man reift. Was aber nicht heißt, dass der Erfolgshunger nachlässt. Das Ziel, Springen zu gewinnen, ist nach wie vor da. Aber man lernt, man hat eine andere Sichtweise, wenn es einmal weniger gut läuft. Man sieht auch die Dinge neben dem Sport anders und vielleicht auch wieder intensiver, das macht das Ganze eigentlich schöner.
Sie werden sich aber auch sportliche Ziele gesetzt haben. Wie soll die Olympiasaison in Ihrer Idealvorstellung ablaufen?
Ich habe auf jeden Fall Ziele im Sport, das ist auch das, was ich gebraucht habe: mich an Punkten zu orientieren. Es ist so viel passiert in meiner Karriere mit so vielen Erfolgen, dass ich nach der herausfordernden Zeit, der Verletzung, der Auszeit, den größten Sieg eigentlich schon erreicht habe, indem ich weitergegangen bin, indem ich mich der Herausforderung gestellt habe und für mich gesagt habe: Ich will es noch einmal wissen. Im Idealfall ist die Saison sicher so, dass ich sagen kann, ich habe richtig lässige Sprünge, was mir richtig taugt. Wenn das Ganze belohnt wird mit tollen Platzierungen und auch mit Siegen, dann habe ich, glaube ich, wieder einiges richtig gemacht die letzten Monate.
Ist das noch fehlende Olympia-Gold weiterhin im Hinterkopf?
Natürlich spukt das im Hinterkopf, so soll es auch sein. Es ist genauso eine Triebfeder, eine extreme, aber ich ordne jetzt nicht alles dem unter, weil ich genau weiß, dass im Leben und in einer Saison so viel passieren kann. Man weiß im Endeffekt nicht, was im Februar ist, ob wir überhaupt rüberfliegen. Gut hineinzustarten, gesund zu sein, das ist für mich jetzt das Wichtigste. Natürlich wäre es extrem befriedigend oder erfüllend bei Highlights, sei es Tournee, Kulm, Skiflug-WM oder Olympia, wieder das Potenzial abzurufen und Erfolge zu feiern, dafür tut man es ja.
Derzeit ist Stefan Kraft die herausragende Figur im Team, wie wirkt sich das auf Sie aus?
Ich habe damit überhaupt kein Problem. Natürlich will jeder, wenn er an sich denkt, der Beste sein. Natürlich hat es das Duell, den Konkurrenzkampf speziell mit Thomas Morgenstern gegeben, das ist medial sehr entfacht worden. Aber ich habe nie ein Problem damit gehabt, wenn einer besser war. Ich freue mich extrem, wenn den Jungen, wie dem Stefan, so eine Saison passiert, wenn andere die erfüllenden Emotionen spüren und erleben dürfen. Jeder hat als Kind den Traum, er will es nach oben schaffen. Darum vergönne ich es auch jedem, weil es einfach geil ist, aber mir selber am meisten, alles andere wäre gelogen. Das ist auch die Wahrheit im Spitzensport - Ego ist ein großes Wort, man braucht aber eben den Killerinstinkt in sich, um zu sagen, heute will ich der Beste sein. Das spornt dich an.
Woran wollen und müssen Sie bis zum Saisonbeginn in einem Monat noch arbeiten?
Im Training bin ich teilweise echt sehr zufrieden. Ich habe auch die Bestätigung, dass ich auf einem guten Weg bin. Wie weit es schlussendlich reicht, wird man im Winter sehen. Aber ich bin doch sehr zuversichtlich.