Sie hüpften auf und ab, und herzten immer wieder "La Pulga", "den Floh". Lionel Messi strahlte über das ganze Gesicht. In einem seiner wichtigsten Spiele lieferte der fünfmalige Weltfußballer - und schoss Argentinien beim 3:1 gegen Ecuador in Quito mit einem Dreierpack doch noch zur Fußball-Weltmeisterschaft in Russland.
"Die Seele ist in die Körper zurückgekehrt", jubelte die größte Zeitung Clarín. "Ein übergroßer Messi lässt Argentinien zur WM fahren." Messis erleichterter Nationaltrainer Jorge Sampaoli, dem seit seinem Start im Sommer nur drei Unentschieden mit Argentinien geglückt waren, meinte: "Er ist der beste Spieler der Geschichte."
Ganz anders die Lage bei Copa-America-Sieger Chile. Durch ein 0:3 in Brasilien verpasst die "goldene Generation" die WM 2018 in Russland - Chiles Trainer Juan Antonio Pizzi erklärte seinen Rücktritt. Der gelbgesperrte Arturo Vidal vom FC Bayern München hatte zuvor schon mit dem Rücktritt geliebäugelt und meinte nach dem Spiel via Twitter: "Vielen Dank für alles". Er habe in jedem Spiel sein Leben gegeben.
Die Ausgangslage war klar, und doch so kompliziert. Je nach Ausgang des Spiels in Ecuador und der anderen vier Partien der zehn Teams umfassenden Südamerikagruppe war für Argentinien alles drin, von Platz drei bis sieben. Die ersten vier sind in Russland dabei, der Fünfte kann gegen Ozeaniensieger Neuseeland noch ein WM-Ticket lösen.
Brasilien war schon lange durch, Uruguay wurde souveräner Zweiter. Chile (26 Punkte) ging als Dritter in das Qualifikations-Finale, gefolgt von Kolumbien (26) und Peru (25). Argentinien (25) war wegen der weniger erzielten Tore im Vergleich zu Peru Sechster.
Am Ende wurde Argentinien (28 Punkte) durch den Sieg in Ecuador noch Dritter vor Kolumbien (27), das in Peru 1:1 spielte. Die Peruaner landeten mit 26 Punkten dank der um zwei Tore besseren Differenz noch vor Chile (26) - die "Inkas" können gegen Neuseeland noch ein WM-Ticket lösen, seit 1982 war man nicht mehr bei einer WM dabei.
Für Argentinien begann es denkbar schlecht - die Hintermannschaft patzte und wirkte reichlich unsortiert. Es waren 37 Sekunden gespielt, da stand es durch das Tor von Romario Ibarra 1:0 für die Gastgeber im Atahualpa-Stadion in 2800 Meter Höhe in Quito. Sogar die brasilianischen Journalisten von O Globo hatten Mitleid und kommentierten den Start mit den Worten: "Welch Drama, Freunde". Es war das schnellste Gegentor für Argentinien in 116 Jahren.
Mit diesem Spielstand war Argentinien als Sechster raus. In Buenos Aires herrschte lähmendes Entsetzen, ebenso im Estadio Unico in der Stadt La Plata, wo die irische Rockband U2 ihr Konzert extra auf 22.20 Uhr nach hinten verlegt hatte, damit die Musikfans zunächst auf vier riesigen Leinwänden das "Endspiel" gegen Ecuador sehen konnten. Unter dem Hashtag "#YoAmoMiSeleccion", "Ich liebe meine Nationalelf" wurde in den sozialen Netzwerken mitgefiebert und mitgezittert.
Riesiger Jubel dann, als Angel Di Maria (Paris Saint-Germain) in der 12. Minute von links scharf in den Strafraum passte, dort stand, na klar, Messi und chippte den Ball ins Tor. Doch die Messi-Show ging weiter. In der 20. Minute landete ein Zuspiel von Di María bei einem Ecuadorianer, der ließ den Ball abprallen, Messi schoss aus 14 Metern mit voller Wucht in den Winkel und ließ seinen ganzen Jubel raus.
Man konnte meinen, in dem Schuss steckte der ganze Frust über diese bisher so suboptimal verlaufene WM-Qualifikation. Plötzlich stand Argentinien in der Blitztabelle auf dem 3. Platz. Dabei blieb es, Messi krönte in der 61. Minute mit einem Lupfer seine Leistung. Mit 21 Toren ist er mit seinem Kollegen beim FC Barcelona, Uruguays Luis Suárez der erfolgreichste Torschütze in Südamerikas WM-Qualifikation.
Vor 733 Tagen hatte diese WM-Qualifikation, eine der spannendsten in Südamerika überhaupt, für Argentinien schlecht begonnen - in Buenos Aires verlor man 0:2 gegen Ecuador. Messi trat zwischenzeitlich zurück, war verletzt und oft genervt ob der wenig erbaulichen Leistungen der Mitspieler. Mit 30 Jahren geht es für den Star vom FC Barcelona praktisch um seine letzte Chance, wie Diego Maradona 1986 diese beispiellose Karriere noch mit einem WM-Titel zu krönen.
So wie auch Portugal mit seinem ewigen Widersacher Cristiano Ronaldo durch ein 2:0 gegen die Schweiz erst auf der Zielgeraden die direkte WM-Qualifikation schaffte, erging es Stunden später Messi mit der "Albiceleste". Messi habe die "epische Partie gespielt, die ihm noch fehlte", meinten Kommentatoren mit Blick auf oft enttäuschende Leistungen im Trikot der Nationalmannschaft. Vor dem Spiel ging es vor allem um die Torausbeute, nur 16 Tore in 17 Spielen - Trainer Sampaoli setzte sogar Extraschichten für bessere Torabschlüsse an.
Für Cesar Luis Menotti ist diese WM-Qualifikation aber ein absolutes Alarmsignal gewesen. "Das darf nie wieder passieren", meint der Fußballphilosoph und Weltmeister-Trainer von 1978. "Der argentinische Fußball hat sich zu einem Zirkus entwickelt, der nur dadurch am Leben wird, dass zwischen Ball und Publikum noch eine affektive Beziehung besteht." Diese besondere Beziehung hat einen Namen: Lionel Messi.