Da ist er also, der Neue von Red Bull Salzburg, ein echter Kicker. Weiße Sneakers, Trainingshose, Trikot mit Sponsor-Logo, Fußballer-Frisur, dicke Kopfhörer um den Hals. Andres Torres, in Wien geboren, der Vater aus der Türkei, die Mutter aus Spanien, wurde im Mai von den Salzburgern verpflichtet. Der 22-Jährige gilt als ganz große Hoffnung. Jung, ambitioniert und ein Talent sei er, heißt es von offizieller Seite des Vereins. "Wir haben immer den Anspruch, Titel zu holen", sagt Christoph Glasner, der Marketingleiter von Red Bull Salzburg auf . "Es war wichtig, einen Spieler zu verpflichten, der sich hundertprozentig mit dem Verein identifiziert."
Seine Klasse hat Andres Torres unlängst bewiesen bei einem Einladungsturnier in der Ukraine, wo er auf Teams wie Dynamo Kiew und Ajax Amsterdam traf. "Ich war eigentlich in Deutschland unter Vertrag", sagt Torres. "Doch dann ist mein Manager mit Salzburg in Kontakt getreten, und danach ist es recht schnell gegangen. Für mich hat sich ein Traum erfüllt." Rasch war der Vertrag unterschrieben, seitdem ist der junge Wiener Österreichs erster eSportler bei einem Fußballklub.
Torres beherrscht das FIFA-Spiel auf der Gaming-Konsole wie nur wenige. Bei der am 14. Oktober startenden eBundesliga (Details siehe Zusatzkasten unten rechts) zählt er zu den Favoriten, das Finale am 8. Dezember im Studio 44 in Wien, möchte er gewinnen. "Ich spüre schon jetzt den Druck", sagt Torres. "Aber ich lerne gerade, damit umzugehen."
Foto: APA/AFP/CHRISTOPHE SIMON Natürlich hat Torres auch auf dem Fußballplatz in der realen Welt gespielt. Als Fünfzehnjähriger stieß er zur Wiener Viktoria mit Trainer Toni Polster, doch eine Verletzung stoppte die Karriere.
Daraufhin wechselte er auf die Fußballplätze in den virtuellen Raum, spielte Turniere mit Freunden. "Aber ich habe wirklich immer gewonnen", erzählt er. Irgendwann haben die Freunde die Turniere hinter Torres’ Rücken ausgetragen – und ihm den Tipp gegeben, bei einem größeren Turnier mitzuspielen. Bei einem Sieg solle er das Preisgeld nehmen und seine Freunde in ein Restaurant einladen.
Kurze Zeit später waren alle gemeinsam essen.
Torres unterschrieb seinen ersten Vertrag bei einem deutschen Verein und fing an, professionell zu trainieren, nach einem genauen Plan, bis zu zehn Stunden pro Tag. "Natürlich geht es vor allem um die Fähigkeiten mit dem Controller", sagt er. "Aber man muss schon auch körperlich fit sein. Sonst steht man Turniere, die bis zu zwölf Stunden lang sein können, nicht durch." Auch auf die Ernährung achtet er. "Fastfood gibt’s bei mir sehr selten. Dafür esse ich viele Nüsse und Studentenfutter." Förderlich sei das für die nötige Konzentration.
Die intensive Vorbereitung auf die eBundesliga-Saison startete am 29. September. Da erschien "FIFA 2018". Zuvor hatte Torres das Privileg, das Spiel in Frankfurt vorab zu testen. "Als Profi merkt man, dass es komplett anders ist, als die 17er-Version. Zufallssieger wird es mit diesem Spiel nicht geben."
Den Bezug zum echten Fußball hat Torres nicht verloren. Zurzeit macht er eine Trainerausbildung, und im Sommer traf er die Salzburger Profis im Trainingslager. Mit den Ghanaern David Atanga und Samuel Tetteh hält er engen Kontakt, regelmäßig gehen sie gemeinsam essen. Und dann gibt’s da noch Munas Dabbur. Der israelische Stürmer ist auch ein Treffass auf der Konsole. "Gegen ihn will ich demnächst ein offizielles Spiel austragen, vor Publikum."
Es ist, man weiß das, die Medienwelt derzeit im Umbruch. Kaum wo ist das so deutlich wie beim Bewegtbild: Die älteren Semester schauen Fernsehen im Fernseher, die mittleren am Laptop, die jungen am Handy.
Und dann gibt es noch die, für die Fernsehen etwas ganz Neues bedeutet: Nämlich anderen Menschen beim Computerspielen zuzusehen. Es gibt, natürlich, eigene Apps dafür. Und die Zahlen sind durchaus erstaunlich: Zehn Millionen tägliche Nutzer hat etwa Twitch, das Game-Streaming-Angebot von Amazon.
Und die schauen nicht nur kurz vorbei, sondern konsumieren im Durchschnitt mehr als 100 Minuten am Tag. Tendenz, zumindest im Medienmix junger Männer, steigend.
Eine Milliarde Dollar war die App im Jahr 2014 wert.
Mehr als eineinhalb Stunden also schauen diese Nutzer anderen dabei zu, wie die ein Spiel spielen. Das mag für Außenstehende unverständlich sein, was aber egal ist: Gamestreaming ist ein wachsender Bewegtbildmarkt, und daran ist das Silicon Valley gerade interessiert wie an kaum etwas anderem.
Foto: AP/Martin Meissner Die Gamer selbst sind eine Mischung aus YouTube-Stars und professionellen Sportlern: Zuseher kann man entweder durch originelle Spielweise, durch launige Kommentare – die Zuseher können den Gamer reden hören – oder durch außergewöhnlich erfolgreiches Spielen versammeln.
Beim letzteren wird es dann sportlich – und lukrativ. Die besten unter den Spielern sind Vollprofis, im wahrsten Sinne des Wortes: Stundenlanges Training jeden Tag wird mit teils fürstlichen Summen entlohnt.
Das mag vielleicht keine körperliche sportliche Leistung im herkömmlichen Sinn sein, aber eine Konzentrationsleistung und Fingerbeherrschung, die außergewöhnlich ist. Und bei der am höchsten Niveau nur wenige mithalten können.
Wer aber in diesem neuen Zirkus erfolgreich ist, kann viel, viel Geld verdienen.
Eine Online-Liste führt Kuro Takhasomi als bestverdienenden Spieler an: Der habe mit Spielen insgesamt fast 3,4 Millionen US-Dollar an Preisgeld verdient.
Und zwar mit jenem Game, das auch regelmäßig das meistgesehene auf Twitch ist: "Dota 2" ist eine Online-Arena, in der Spieler gegeneinander antreten können. Sportsimulationen spielen im eSport eine eher untergeordnete Rolle. Weitere beliebte Spiele für Profi-Gamer sind "League of Legends", "Counter-Strike", "StarCraft" und "Call of Duty". Zumindest am westlichen Markt.
Denn wie so viele Neuerungen in der digitalen Welt ist das professionelle Spielen vor allem in Asien, und dort in Südkorea, Japan und China, ein noch größerer Markt als hierzulande. Die westlichen Spiele sind dort allerdings nicht besonders beliebt: Es gibt eigene Ligen für hier kaum gespielte Games.
Aber Gamestreaming ist bei weitem nicht der einzige Markt, der sich um das professionelle Gaming entwickelt hat. Andere gehen dafür in ein Stadion, wo vor Tausenden Zusehern Game-Turniere abgehalten werden.
Dort gibt es dann Sponsorlogos auf den T-Shirts, jubelnde Fans, echtes Sportfeeling – und hohe Preisgelder. "The International", das Dota-Turnier des Herstellers, war zuletzt mit sagenhaften 20 Millionen Dollar dotiert.
Gewonnen hat ein chinesisches Gamer-Kollektiv, auf den ersten Platz entfielen mehr als neun Millionen Dollar. Für viele Menschen ist Gamen inzwischen ein Traumjob.