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Lindsey Vonn und der Reiz des Unbekannten

3-10-2017, 08:00

Es gibt nicht mehr allzu viele Ziele, die Lindsey Vonn in ihrer Karriere tatsächlich noch ernsthaft anstrebt. Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Gesamtweltcupsiegerin, erfolgreichste Rennläuferin der Weltcuphistorie (77 Siege) – das alles ist sie bereits. Bleiben eigentlich nur noch der Allzeitrekord des Schweden Ingemar Stenmark (86 Weltcupsiege) und: das Prestigeduell mit den Männern.

Diesen Plan verfolgt Lindsey Vonn seit Jahren mit einer unglaublichen Konsequenz. Diese Woche unternehmen die 32-Jährige und der US-Skiverband einen weiteren Anlauf, um bei der FIS eine einmalige Starterlaubnis für die Herren-Abfahrt in Lake Louise zu erhalten. Auf der Strecke, auf der Vonn bereits 18 Mal gewonnen hat.

Auch ihre Teamkollegin Mikaela Shiffrin hatte schon den Wunsch geäußert, einmal in einem Herren-Slalom an den Start zu gehen. Im Idealfall beim berühmten Nightrace in Schladming, wo 2012 bereits Marlies Schild den Vergleich mit den Herren aufnahm – und so manchem ein Licht aufging. Mit ihrer Zeit, die sie als Vorläuferin bei perfekter Piste markiert hatte, hätte sich Schild sogar für den zweiten Durchgang qualifiziert. Auf Sieger Marcel Hirscher fehlten der Pinzgauerin damals keine drei Sekunden.

Battle of the Sexes

Der Kampf der Geschlechter im Sport fasziniert und irritiert zugleich. Zumal in fast allen Fällen die PR im Mittelpunkt steht. Um nichts anderes dürfte es offensichtlich auch Lindsey Vonn gehen, wie US-Alpinchef Patrick Riml kürzlich gegenüber www.skionline.ch unumwunden zugab: "Wenn die beste Abfahrerin sich mit den Männern misst, sorgt das für Aufmerksamkeit und unterstützt den Sport. Außerdem hat es das in anderen Sportarten auch schon gegeben."

Eine der berühmtesten Tennispartien der Geschichte war das Duell zwischen Billie Jean King (damals 29) und Bobby Riggs (55) im Jahr 1973. Der Schlagabtausch zwischen der zwölffachen Grand-Slam-Gewinnerin und der früheren Nummer eins lockte 40 Millionen Amerikaner vor die Fernseher. Die sogenannte "Battle of the sexes" endete mit einem 6:4-6:3-6:3-Erfolg für Billy Jean King, nachdem Riggs zuvor die Nummer eins im Damen-Tennis, Margaret Court, noch 6:2 und 6:1 abgefertigt hatte. Später hieß es, Riggs habe gegen King absichtlich verloren, um damit seine Wettschulden zu begleichen.

Jahrzehnte später matchte sich der deutsche Tennisprofi Karsten Braasch mit den Williams-Schwestern. Serena ging gegen die damalige Nummer 203 der Welt mit 1:6 unter, ihre ältere Schwester Venus machte immerhin zwei Games. "Die Runde Golf am morgen war anstrengender", gab Braasch nach den Partien zu Protokoll. Serena Williams wäre bei den Herren "bestenfalls die Nummer 700 der Welt", meinte John McEnroe erst diesen Sommer abfällig und erntete Kritik.

Pionierleistungen

Denn es gibt genug Beispiele von Frauen, die sich im Geschlechterkampf behaupten und die Preise einheimsen. Die Deutsche Jutta Kleinschmidt sorgte etwa für Furore, als sie 2001 die berühmte Rallye Paris–Dakar gewinnen konnte. Als erste und bislang einzige Frau.

Foto: /Patrick Hertzog Jutta Kleinschmidt gewann als erste Frau die Rallye Paris Dakar. Auch Jasmin Ouschan erregte 2008 weltweit Aufsehen und schrieb Schlagzeilen: Vor der Kärntnerin hatte noch keine Poolbillardspielerin jemals bei einer WM eine Medaille gewinnen können.

Im Dressurreiten, in dem Frauen und Männer traditionell gemeinsam antreten, haben die Reiterinnen überhaupt die Zügel fest in der Hand: Seit 1972 gelang es nur einem Mann, Olympia-Gold in der Dressur zu gewinnen.

Aber selbst in Elementarsportarten gelingt es Frauen mitunter, mit den Herren Schritt zu halten. So kraulte die chinesische Schwimmerin Ye Shiwen 2012 in London bei ihrem Weltrekord über 400 Meter Lagen die letzte Bahn schneller als der US-Olympiasieger Ryan Lochte.

Bisweilen wirft der direkte Vergleich kein gutes Licht auf die Athleten. So überquerte Marija Lassizkene, die beste Hochspringerin der Welt, in dieser Saison 2,06 Meter. Die österreichische Jahresbestleistung liegt bei 2,03 Metern. Bei den Herren.

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