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Marcel Hirscher: "Nie wieder kurze Stangen"

29-09-2017, 06:00

Ein einziges Mal hat Marcel Hirscher dann doch seinen prinzipientreuen Weg verlassen und ein Schmerzmittel genommen: Am 17. August nämlich, nachdem er sich am Vormittag an seinem ersten Schneetag den Außenknöchel im linken Fuß gebrochen hatte und ins Spital eingeliefert worden war.

Dabei hatte doch alles so gut begonnen, die Sonne schien auf den Mölltaler Gletscher, und wie stets bestritt der sechsfache Gesamtweltcupsieger sein erstes Slalomtraining der Saison mit den kurzen Stummelstangen, die sonst im Kinder- und Jugendbereich verwendet werden.

"Im Slalom musst du so viele Körperteile koordinieren, mit den kurzen Stangen brauchst du dich aber schon einmal nicht auf die Hände zu konzentrieren, das macht es einfacher." Zu einfach an diesem Tag, der mit einem Sturz und Schmerzen im linken Knöchel endete. Ein Flüchtigkeitsfehler mit Folgen: "Ich hatte erst gehofft, es wären die Bänder, die hätte man zutapen können und nach zwei Wochen wäre ich wieder gefahren."

Sie waren es nicht.

Hischer zog sich "sofort" den Skischuh aus, eine Lehre aus seinem Kahnbeinbruch in Hinterstoder, der ihn um die WM 2011 gebracht hatte. Damals wurde ihm der Schuh erst ausgezogen, als der Fuß schon geschwollen war, "das war mir eine große Lehre". Die Lehre aus dem 17. August? "Ich werd’ nie, nie, nie wieder um die (hier möge sich der Leser ein nicht druckreifes Wort mit A denken) kurzen Stangen fahren. Nie."

Kleine Schritte

Die Bänder waren nicht lädiert, der Knochen hingegen schon. Eine Operation wäre möglich gewesen, Marcel Hirscher verzichtete wie vor sechseinhalb Jahren darauf. Stattdessen durfte er regelmäßig den Gips wechseln ("jede Lage Binde, um die der nächste dünner wurde, war ein Erfolg"), doch wer nun geglaubt hätte, Hirscher würde auf der faulen Haut liegen oder sich wie die Schweizerin Lara Gut (Kreuzbandriss) der Selbstfindung widmen, der kennt den 28-jährigen Salzburger schlecht: Training, Therapie, Essen, Schlafen, Training, Therapie, so sah und so sieht sein Tagesablauf aus. Den Gips braucht er nicht mehr, die Krücken schon gar nicht, dafür aber viel Geduld. Die zahlt sich aus: "Es bringt nichts, wenn ich morgens aufstehe und Schmerzen habe", kleine Helferlein aus der Apotheke lehnt er wie erwähnt ab, der Körper gibt das Tempo vor. "Für meinen Körper bin ich dankbar", sagt Hirscher, der ansonsten von Blessuren verschont worden ist. Keine Selbstverständlichkeit im alpinen Skirennlauf.

Großer Aufholbedarf

Gänzlich undankbar ist natürlich der Zeitpunkt, zu dem Marcel Hirscher jetzt außer Gefecht ist. "25 bis 30 Schneetage fehlen mir im Vergleich zu den anderen", und das just in jener Saison, in der im Riesenslalom wieder auf kürzeren Skiern gefahren wird. "Ich kann die nicht aufholen", ist sich der zweifache Weltmeister von St. Moritz bewusst, und was die neuen Skier angeht, ist er vorläufig auf die (gespaltene) Meinung der Kollegen angewiesen. "Die eine Hälfte sagt, es ist lässiger zu fahren, die andere sagt, es ist gefährlicher", weiß Hirscher. "Die Kräfte entwickeln sich wieder punktueller. Aber das ist eine Momentaufnahme, das wird sich noch entwickeln, es kann auch positiv sein."

Heute, Freitag, geht es wieder zum Röntgen, in sieben bis zehn Tagen hofft Hirscher, "richtige Kniebeugen" machen zu dürfen. Den Weg danach bestimmen die Schmerzen. "Kann ich einen Skischuh anziehen?", Hirscher weiß es nicht. Für den Bau eines Spezialschuhs ist alles vorbereitet, "aber brauch’ ich den? Ich weiß es nicht."

Keine Hoffnung

Geduld ist das Gebot der Stunde, und wenn alles ideal läuft, könnte er nach dem Weltcup-Auftakt in Sölden Ende Oktober erstmals wieder auf Schnee trainieren, selbst ein Start im Slalom von Levi Mitte November scheint Marcel Hirscher an diesem sonnigen Donnerstag in Wien möglich. "Aber da reden wir von mitfahren. Mit-fah-ren", betont er. Wahrscheinlicher ist ein Start in Beaver Creek in den USA, ob im Super-G, ob im Riesenslalom, auch das werden die nächsten Wochen zeigen.

"Es kann sein, dass ich heuer nur Slalom fahre", sagt Hirscher im Bewusstsein, dass die große Kristallkugel wohl an einen anderen geht, etwa den Franzosen Alexis Pinturault oder den Norweger Henrik Kristoffersen, der zuletzt auch wieder Super-G trainiert hat. Eines aber weiß Marcel Hirscher schon: "Es wird spannend."

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