Man könnte jetzt alle Titel, Triumphe und Trophäen aufzählen, die er seit 1962 eingeheimst hat. Aber dann wäre die Seite voll. Also lassen wir Peter Kleinmann zu seinem Abschied als Präsident des Österreichischen Volleyballverbandes lieber zu Wort kommen.
KURIER: Können Sie Sich vorstellen, dass Sie manchen Leuten auf die Nerven gegangen sind?
Peter Kleinmann: Wahrscheinlich bin ich vielen sogar sehr auf die Nerven gegangen. Politikern, Sponsoren, auch euch Journalisten. Ich habe geredet, geredet, geredet. Aber ich habe das, was ich unbedingt wollte, alles erreicht.
Was war denn Ihr Antrieb?
Es war nicht mein vorrangigstes Ziel Spiele zu gewinnen. Mir ging es in erster Linie darum, Volleyball in Österreich populär zu machen. Ich erzähle Ihnen eine kurze Anekdote: Wie ich noch Spieler war, habe ich bei einem bekannten österreichischen Sportjournalisten angerufen und ihn gefragt, warum nie etwas über Volleyball in der Zeitung steht. Er hat mich gefragt: ,Ist das ein Ball aus Wolle?’ Das hat mich so motiviert, dass ich mir geschworen habe: ,Das werde ich ändern!’
Was verspüren Sie nun zum Abschied: Wehmut? Genugtuung?
Ich bin stolz und habe eine Riesenfreude darüber, was wir bewegt haben. Das Herren-Nationalteam kratzt an der Weltspitze, wir haben in den letzten 16 Jahren 29 Medaillen geholt, der Verband hat heute 50 bezahlte Mitarbeiter,wir haben zwei Volleyballakademien. Aber wissen Sie was das Allerwichtigste ist?
Verraten Sie’s.
Die Infrastruktur ist der wichtigste Punkt. Aber das kapieren viele nicht. Die glauben, dass man zuerst einmal starke Sportler braucht.
Und was sagen Sie?
Was nützt mir ein Topschwimmer in einem Schwimmbecken, in dem kein Wasser ist? Ich brauche erst die richtigen Sportanlagen, damit ich den Sport gescheit ausüben kann.
Wo wir gerade beim Thema Infrastruktur sind: Ist Österreich in Ihren Augen ein Sportland?
Da müssten wir definieren, was überhaupt ein Sportland ist. Meiner Meinung nach ist Österreich aber kein Sportland.
Woran machen Sie das fest?
Eben vor allem an unseren Sportstätten. Die Sportinfrastruktur in Österreich ist eine der schlechtesten in ganz Europa. Peter Schröcksnadel hat mir erzählt, dass sie in Österreich nicht einmal richtig Abfahrt trainieren können. Das muss man sich einmal vorstellen. Nicht einmal unsere populärste und wichtigste Sportart, die Seele Österreichs, hat eine Infrastruktur. Wir haben in Wien keine Ballsporthalle, wir haben kein Fußballstadion, in dem wir ein Champions-League-Finale austragen können. Das ist einmal der erste von drei Punkten, warum Österreich kein Sportland ist.
Und die anderen beiden Punkte?
Nur 28 von 100 österreichischen Kindern bewegen sich regelmäßig. In Holland sind es 90. Es ist schon möglich, dass wir Talente haben, nur die bewegen sich gar nicht. Dann gibt es bei uns nicht den sozial abgesicherten Beruf des Jugendtrainers. Du kannst in Österreich nicht davon leben. Solange wir solche Probleme haben, kann sich Österreich nicht als Sportland entwickeln. Aber da reden wir jetzt von einem gesellschaftspolitischen Thema.
Im aktuellen Wahlkampf scheint der Sport aber nicht Thema zu sein.
Weil die Politiker offenbar nicht das Gefühl haben, dass sie mit dem Thema Sport auch nur eine Stimme gewinnen können. Aber das ist ein schwerer Irrtum. Ich sage immer Sport und Bewegung sind die Stiefkinder der Innenpolitik. Der Sport war in acht verschiedenen Ressorts, wie eine heiße Semmel haben sie ihn herumgeschoben. Und genau deswegen kann der Sport in Österreich auch keine Lobby bilden.
Warum sind Sie eigentlich nie selbst in die Politik gegangen?
Erstens hätte ich keine Zeit gehabt. Und zweiten hätte ich in der Politik einen Haufen Probleme, weil ich dafür zu konsequent und zu ehrlich bin. Da setze ich lieber Dinge im Volleyball um.
Wie die EM in vier Ländern.
Das war meine Idee. Dass sich dadurch, weil ich ja bekanntlich ein schlimmer Bub bin, die österreichischen Chancen auf eine Teilnahme vervielfacht haben, ist ein schöner Nebeneffekt. Im Volleyball ist meistens das geschehen, was ich unbedingt wollte.
Genau aus diesem Grund polarisieren Sie ja auch so. Sie haben sich nicht nur Freunde gemacht.
Wenn ich will, dass mich alle mögen, dann müsste ich immer zu allem Ja sagen. Das will ich nicht, und mit dieser Einstellung wirst du auch nichts erreichen. Wenn früher einer gesagt hat, ,Kleinmann du bist ein Arschloch’, dann hat es mir zu schaffen gemacht. Ich bin dann draufgekommen, dass es egal ist, was die anderen denken.
Hat’s Ihr Nachfolger leicht?
Volleyball ist mein Kind, ich kann sagen, dass ich dieses Kind gut erzogen habe. Ich habe jetzt ein Jahr daran gearbeitet, das Kind in gute Hände zu geben. Einen Besseren wie Gernot Leitner hätte ich nicht finden können. Er ist ein Geschenk für den ÖVV.
Es konnte schon passieren, dass an einem Sonntag in aller Herrgottsfrüh das Handy klingelte und er an der anderen Leitung war. In den seltensten Fällen verliefen diese Gespräche harmonisch, im Fernsehen hätte der Dialog wohl mit einem durchgehenden Piepston unterlegt werden müssen.
So war er, der Kleinmann. Ein unerbittlicher und unermüdlicher Kämpfer für seine Sache. Und wenn in seinen Augen dem Volleyballsport, seinem Volleyballsport, in einem KURIER-Zeitungsartikel übel mitgespielt worden war, dann konnte er groß aufdrehen.
Umgekehrt konnte es dann aber auch passieren, dass Stunden später wieder das Handy klingelte, er sich entschuldigte und sich im selben Atemzug bedankte. Denn bei allem Ärger war ihm sehr wohl bewusst: Ein zynischer Zeitungsartikel übers Volleyball ist besser als gar kein Artikel. So war er eben auch, der Kleinmann. Streitbar, aber nicht nachtragend.
Man kann Peter Kleinmann für eine Nervensäge halten. Vielleicht auch für einen Selbstdarsteller. Nur eines kann man ihm nicht vorwerfen: Dass er nichts erreicht hätte. Dass der Volleyballsport heute in Österreich so gut dasteht, dass es Nachwuchsakademien gibt und hauptamtliche Nachwuchstrainer, dass in diesem Jahrtausend 29 Medaillen gewonnen wurden, das ist auch ihm und seiner Besessenheit zu verdanken.
Nur an einem ist der Mann, der Österreich Volleyball nähergebracht hat, kläglich gescheitert. Peter Kleinmann mag ja einige Trends gesetzt haben, aber seine eigenwillige Art, das Sakko als Umhang zu tragen, hat sich in all den Jahrzehnten nicht durchgesetzt.