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Nach Nationalratswahl: Stärkste Partei stellte nicht immer Bundeskanzler

3-10-2024, 11:29

Es gibt keine Regel, dass die stärkste Partei im Nationalrat den Bundeskanzler stellen muss. Vor 25 Jahren wurde Wolfgang Schüssel (ÖVP) mit Unterstützung der FPÖ vom dritten Platz aus Kanzler. Auch auf Länderebene gab es schon Fälle, in denen der Landeshauptmann nicht von der siegreichen Partei kam.

In der Geschichte der Zweiten Republik wurden bis Sonntag 23 abgehalten. In 22 Fällen wurde der Bundeskanzler von der parteistärksten Partei gestellt. Obwohl die SPÖ 1953 und 1959 den höchsten Stimmenanteil erhielt, konnte die ÖVP aufgrund der Wahlmathematik mehr Mandate gewinnen und stellte daher den Bundeskanzler. Bislang gab es auch einen Fall, in dem ein Kanzler vereidigt wurde, dessen Partei nicht die größte Gruppe im Nationalrat bildete.

Nationalratswahl 1999: FPÖ machte Drittplatzierten Schüssel zum Bundeskanzler

Die Situation nach der Nationalratswahl 1999 war vertrackt: die stimmenstärkste SPÖ schloss eine Koalition mit der zweitgereihten FPÖ aus, die drittgereihte ÖVP beschloss den Gang in die Opposition. Bundespräsident Thomas Klestil erfand daher den "Sondierungsauftrag". Dem SPÖ-Chef Viktor Klima erteilte er damit zunächst den Auftrag, mit den übrigen Parteien die Möglichkeiten für eine Regierungsbeteiligung auszuloten. Erst 67 Tage nach der Wahl folgte ein formaler Regierungsbildungsauftrag. Die folgenden Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP scheiterten, ebenso wie Bemühungen um eine SPÖ-Minderheitsregierung. 124 Tage nach der Wahl wurde ÖVP-Chef Schüssel, der bereits parallel mit der FPÖ verhandelt hatte, dann als Kanzler angelobt.

Wahlen seit 1945, angelobte Bundeskanzler und stimmenstäŠrkste Partei

Kärnten: FPÖ-Chef Jörg Haider wurde nach zweitem Platz bei Landtagswahl Landeshauptmann

Ähnliche Konstellationen, wo nicht die stärkste Partei zum Zug kam, gab es in den Bundesländern bereits einige Male. In Kärnten ging zweimal die SPÖ als Erstplatzierte leer aus. Nach der Landtagswahl 1989 schnappte sich der Chef der zweitstärksten FPÖ, Jörg Haider, mithilfe der ÖVP den Landeshauptmann-Sessel. Zwei Jahre später wurde Haider von SPÖ und ÖVP wegen seines Ausspruchs über die "ordentliche Beschäftigungspolitik" in der Nazi-Zeit per Misstrauensvotum vom Landtag abgewählt. Sein Nachfolger wurde Christof Zernatto von der ÖVP. Nach der Wahl 1994 einigten sich die wieder erstplatzierte SPÖ (37,37) und die drittplatzierte ÖVP (23,79) auf eine neuerliche Wahl Zernattos - der bis heute einzige von der ÖVP gestellte Landeshauptmann in Kärnten.

ÖVP stellte in Oberösterreich und der Steiermark nach Platz zwei den Landeshauptmann

In Oberösterreich war es ebenfalls die SPÖ, die einmal übergangen wurde. Bei der Wahl 1967 landeten die Sozialdemokraten mit 45,95 Prozent knapp vor der ÖVP (45,21), dennoch sicherte die ÖVP durch einen Pakt mit den Freiheitlichen ihrem Langzeit-Landeschef Heinrich Gleißner erneut den Sessel des Landeshauptmanns. Das dritte Bundesland, wo nicht immer alles den Usancen gemäß ablief, ist die Steiermark - allerdings nicht gegen den Willen des Erstgereihten. Nach der Landtagswahl 2015, bei der die SPÖ vor der ÖVP lag, überließ Landeshauptmann Franz Voves freiwillig seinem bisherigen Stellvertreter und "Reformpartner" Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sein Amt. 1953 lag es nur an der Wahlarithmetik, dass die zwar stimmenmäßig stärkere SPÖ der an Mandaten überlegenen ÖVP den Landeshauptmann doch nicht abknöpfen konnte.

(APA/Red)

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