Eine Waffenruhe im Gaza-Krieg wird nicht von allen bei der Nationalratswahl antretenden Parteien befürwortet.
ÖVP-Spitzenkandidat Karl Nehammer etwa sieht die Freilassung der Geiseln als "oberste Priorität", ergab ein APA-Fragebogen zu außenpolitischen Themen. FPÖ-Chef Herbert Kickl sagt: "Solange die Terroristen der Hamas israelische Geiseln gefangen halten, ist ein Waffenstillstand unwahrscheinlich." Alle anderen Parteien beantworten die Frage nach einer sofortigen Waffenruhe mit Ja.
Grünen-Spitzenkandidat Werner Kogler, SPÖ-Chef Andreas Babler und NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger verweisen in ihrer schriftlichen Antwort gleichzeitig auf die palästinensische Terrororganisation. "Es braucht eine sofortige Waffenruhe und die Freilassung aller Geiseln genauso wie umfassende Maßnahmen zur schnellen Verbesserung der katastrophalen humanitären Krise im Gazastreifen. Die Hamas muss ihre Waffen niederlegen", formuliert es Kogler.
"Keine von denen"-Listenchef Fayad Mulla verlangt zudem einen UNO-Blauhelmeinsatz, einen internationalen Friedensprozess für eine Ein- oder Zweistaatenlösung und einen atomwaffenfreien Nahen Osten. Madeleine Petrovic fordert Österreich auf, "sich seiner neutralitätspolitischen Verpflichtungen und Traditionen" zu besinnen. "Derzeit stellt sich Österreich selbst außerhalb die internationale Staatengemeinschaft, wie zum Beispiel die Abstimmungsergebnisse betreffend eines Waffenstillstands in Gaza in der UNO-Generalversammlung zeigen." Dabei hat sich Österreich enthalten. Kritik an der Israel-Politik Österreichs kommt auch von der KPÖ-Spitze Bettina Prochaska und Tobias Schweiger.
Bundeskanzler Nehammer verteidigt dagegen die Israel-Politik seiner Regierung, auch wenn er die humanitäre Situation in Gaza und die "viel zu hohe Zahl an zivilen Opfern" als "zutiefst besorgniserregend" bezeichnet. "Israel hat selbstverständlich das Recht, sich im Einklang mit dem Völkerrecht gegen den Terror der Hamas zu verteidigen. Daher stehen wir weiterhin solidarisch an der Seite Israels", betont der ÖVP-Chef. "Terrorismus, radikale und extremistische Ideologien enden nicht an Staatsgrenzen." Es gelte nun alles daran zu setzen, den Druck auf die Hamas weiter zu erhöhen, um die Annahme des von US-Präsident Joe Biden initiierten Deals zu erreichen, um mehr humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen, die Geiseln zu befreien sowie um eine regionale Eskalation zu vermeiden. FPÖ-Chef Kickl erklärt, dass Österreich "grundsätzlich um gute bilaterale Beziehungen zu anderen Staaten im Allgemeinen bemüht sein soll, selbstverständlich auch weiterhin zu Israel". Kogler bekennt sich zur Solidarität mit Israel, "schon aus der historischen Verantwortung Österreichs heraus". Auch das Selbstverteidigungsrecht Israels ist für den Vizekanzler "unbestreitbar". Gleichzeitig äußert er Kritik an der Regierungspolitik von Premierminister Benjamin Netanyahu. "Selbstverständlich verlangen wir, dass das humanitäre Völkerrecht im Gazastreifen eingehalten wird und dass die notleidende Zivilbevölkerung vor Ort geschützt wird. Unsere Kritik gilt darüber hinaus Netanyahus Versuchen, den Rechtsstaat im eigenen Land durch eine Justizreform deutlich zu schwächen, den Gewaltakten radikaler Siedler in den besetzten Gebieten, die politisch und rechtlich nicht ausreichend unterbunden werden, sowie dem weiteren Ausbau der Siedlungen im Westjordanland." Keine-Chef Mulla spricht sogar von "Netanyahus korrupter Regierung", für die er Österreichs Unterstützung ablehne.
Meinl-Reisinger meint, dass sich Österreich nach dem "Terror vom 7. Oktober zurecht mit Israel solidarisch gezeigt" hat. "Wichtig wäre es, auf europäischer Ebene auf eine gemeinsame Position hinzuarbeiten, um auf die Beendigung der Gewaltspirale und des Hamas-Terrors mit einer Stimme einwirken zu können." Babler ergänzt: "Österreich tritt jedenfalls für das Existenzrecht Israels ein und für gute Beziehungen zu diesem Staat." Der SPÖ-Spitzenkandidat verweist in seiner Antwort ausdrücklich auf die Zwei-Staaten-Lösung, auf deren Grundlage sich Österreich für einen nachhaltigen Frieden im Nahen Osten engagiere.
Zur Zwei-Staaten-Lösung - also einem palästinensischen Staat neben einem israelischen - bekennen sich alle befragten Spitzenkandidaten. Eine Einschränkung bringt Kogler aufs Tapet: Es erscheine "in der gegenwärtigen Situation, in der Israel nach wie vor täglich mit Raketen aus dem Gaza-Streifen und aus dem von der Hisbollah kontrollierten Süden des Libanon beschossen wird und der Iran Vergeltungsaktionen ankündigt, wenig zielführend, die bilateralen Beziehungen zu Israel von einem solchen Bekenntnis abhängig zu machen."
Nach Ansicht Meinl-Reisingers kann die Zwei-Staaten-Lösung "nur durch ein gemeinsames Vorgehen aller EU-Staaten im Rahmen eines gesamthaften Friedensplans sinnvoll und nachhaltig vorangetrieben werden". Petrovic und Kickl sprechen sich dafür aus, dass Österreich hier als Verhandler aktiv auftreten soll. Die KPÖ-Spitze fordert darüber hinaus eine Anerkennung Palästinas durch Österreich, wie es bereits ein großer Teil der EU-Mitgliedsländer tue.
Bierpartei-Spitzenkandidat Dominik Wlazny hat eine Beantwortung des außenpolitischen Fragebogens der APA verweigert.
Der APA-Fragebogen wurde den Spitzenkandidaten und Spitzenkandidatinnen der bei der Nationalratswahl bundesweit antretenden Parteien am 9.9. zugeschickt.