Der Tag der Nationalratswahl ist für Babler ein politischer Schicksalstag. Schafft er kein zumindest passables Ergebnis und bleibt der SPÖ eine Regierungsbeteiligung erneut verwehrt, ist eine neuerliche Vorsitzenden-Debatte vorprogrammiert.
Der Tag der Nationalratswahl ist für Babler ein politischer Schicksalstag. Schafft er kein zumindest passables Ergebnis und bleibt der SPÖ eine Regierungsbeteiligung erneut verwehrt, ist eine neuerliche Vorsitzenden-Debatte vorprogrammiert.
Der Sprung, den Babler im Vorjahr machen musste, war kein kleiner. Zwar war der 51-Jährige schon davor nicht müde gewesen, wenn es darum ging, der Bundespolitik auszurichten, welche Meinung aus seiner Sicht die richtige war. Doch Verantwortung hatte Babler bis dahin nur in der knapp 20.000 Einwohner starken niederösterreichischen Gemeinde Traiskirchen zu tragen, die er seit 2014 nicht nur am Wählerzuspruch gemessen erfolgreich lenkt.
Die Rolle des Stadtchefs passt Babler wie angegossen. Er ist leutselig, dementsprechend in der Bevölkerung präsent, spricht die Sprache seiner Bürger und schaffte es, trotz der größten Flüchtlingsunterkunft des Landes mit einem zuwanderungsfreundlichen Kurs seiner Partei Wahl-Erfolge zu verschaffen. Dass er sich zwischenzeitlich einen Doppelbezug gönnte, hatten seine Bürger ebenso schnell vergessen wie die Parteilinke, die in Babler schon seit langem einen Hoffnungsträger sah.
Während viele seiner Unterstützer eher dem Sektor der "Salon-Linken" zuzuordnen sind, gleicht die Vita des SP-Chefs einer erfolgreichen Aufsteiger-Saga. In eine Arbeiterfamilie hineingeboren wuchs er in finanziell schwierigen Verhältnissen auf, schmiss später die Schule, verdingte sich als Lagerarbeiter sowie als Zeitsoldat. Nebenbei war Babler politisch aktiv, in der Sozialistischen Jugend brachte er es bis zum Bundessekretär, selbst dort als Vertreter des linken Flügels.
Wenig überraschend haben seine Positionen seit damals die ein oder andere Kante verloren, aber Babler macht aus seinem linken Herzen auch als Bundesparteichef keine Mördergrube. Vermögenssteuern gehören ebenso zu seinem Credo wie Arbeitszeitverkürzung oder staatliche Eingriffe, wo es denn notwendig sei. In der Migrationspolitik ist die Partei, wenn man ihr Wahlprogramm ansieht, längst nahe der ÖVP gelandet, doch verbirgt das Babler lieber, ruft lautstark zur Menschlichkeit auf.
Lautstärke ist ohnehin etwas, das Bablers bisherigen Vorsitz mit charakterisiert. Die Herzen der Basis sicherte er sich als leidenschaftlicher Redner, der stets ein wenig an einen charismatischen Prediger erinnert, Gemeinschaft beschwört und wenn die Worte dann einmal versiegt sind, das Bad in der Menge sucht. Ganz anders ist Babler im Umgang mit Medien. Unsicher bis unwirsch kann er da sein, der sich an den Verlagshäusern den Wahlkampf für die Nationalratswahl hindurch ähnlich abarbeitet wie FP-Obmann Herbert Kickl am ORF.
Babler gilt dann auch als ein wenig dünnhäutig, als gerührt ohnehin, nicht nur von sich selbst. Emotional kann der SP-Chef auch auf andere Weise werden, aufbrausend nämlich, was sich beispielsweise in jener EU-kritischen Tirade äußerte, die erst im Laufe des parteiinternen Vorsitzenden-Dreikampfs so richtig das Licht der Öffentlichkeit erreichte.
Vieles an Babler ist klischeehaft, ob jetzt seine Anhängerschaft für den deutschen Kult-Fußballverein St. Pauli oder seine Vorliebe für Doc Martens. Andererseits bricht er auch Erwartungen. Babler war Ministrant, ist Jäger und lud zur eigenen Buschenschank. Als sein Hobby schlechthin gilt das Flippern.
Was sein Leben sauer macht, sind nicht nur Weltlage und politische Konkurrenz, sondern auch die eigenen Parteifreunde. Das Lager des Babler denkbar knapp unterlegenen burgenländischen Landeshauptmanns Hans Peter Doskozil (SPÖ) dachte nicht einmal daran, dem neuen Vorsitzenden Loyalität zu gönnen und die Wiener Stadtpartei unterstützte ihn schon im Vorjahr nicht aus Begeisterung, sondern als kleineres Übel.
In jüngster Zeit gibt Babler den starken Mann in seiner Partei, den Modernisierer und Aufräumer von alten Sitten. Da das auch auf Kosten von wahlkämpfenden Parteifreunden geht, tanzt der Parteichef aktuell auf der Rasierklinge. Die parteiinterne Lage unter Kontrolle brächte wohl nur ein überraschender Erfolg bei der Nationalratswahl.
Sollte der ausbleiben, wagt selbst in der Partei derzeit kaum jemand eine Prognose, wie es mit Babler weiter geht. Als Sicherheitsnetz hat er sich das Bürgermeisteramt in Traiskirchen behalten. Ob ihn die Rolle als Fulltime-Job nach dem Abenteuer Bund noch gefallen würde, ist unsicher. Drei würden sich wohl darüber freuen. Seine aus Vorarlberg stammende Frau Karin ist Stadtparteivorsitzende der Traiskirchener Roten und Tochter und Hund hätten sicher auch nichts dagegen, wenn Babler nach seiner nicht enden wollenden Tour zu Parteivorsitz und Kanzleramt wieder mehr Zeit daheim verbrächte.
Zur Person: Andreas Babler, geboren am 25. Februar 1973 in Mödling, verheiratet, Vater einer Tochter. Tätigkeiten unter anderem als Zeitsoldat und Lagerarbeiter. Abschluss eines berufsbegleitenden Lehrgangs Politische Kommunikation an der Kremser Uni. Ab 1996 Bundessekretär der Sozialistischen Jugend. Von 1995 an Gemeinderat und ab 2014 Bürgermeister von Traiskirchen. Seit April 2023 Mitglied des Bundesrats, seit 6. Juni 2023 Vorsitzender der SPÖ.
(APA/Red)