logo



[email protected]

Karl Nehammer: ÖVP-Spitzenkandidat für Nationalratswahl im Porträt

13-09-2024, 09:40

Bundeskanzler Karl Nehammer betritt im September 2024 Neuland: Erstmals ist der ÖVP-Chef Spitzenkandidat bei einer Nationalratswahl. Das war sein Weg dorthin.

Als Krisenmanager ist Bundeskanzler Karl Nehammer ins Amt gekommen, und Krisenmanager ist er fast bis zuletzt geblieben. Die Korruptionsaffäre rund um Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz führte zu seinem Aufstieg an Regierungs- (2021) und Parteispitze (2022), nach folgten Teuerung und Ukraine-Krieg.

ÖVP-Entwicklung unter Nehammer

Eigentlich ist der 51-Jährige gebürtiger Wiener, politisch sozialisiert wurde er aber in der niederösterreichischen Volkspartei. Nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz im Lichte der Inseratenaffäre erfüllte der ehemalige Berufssoldat dann Kriterien wie ausgezeichnete Kenntnis der Partei und Rückhalt in der mächtigen niederösterreichischen Landesgruppe.

Unter ihm entwickelte sich die von Kurz türkis angestrichene ÖVP langsam wieder in Richtung schwarz, wenngleich man die Farbe offiziell beibehielt. Die Länder haben unter Nehammer, dessen politisches Vorbild Leopold Figl ist, wieder mehr Gewicht, einige Kurz-Mitstreiter wie die frühere Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger verabschiedeten sich aus der Politik. Statt ihr holte Nehammer den Direktor des Bauernbundes Norbert Totschnig ins Amt. Auch den Posten von Nehammers Kabinettschef besetzt seit Ende 2022 kein Kurz-Vertrauter mehr.

Minister nach Nationalratswahl 2019

Zumindest Nehammers Anfänge in der Spitzenpolitik sind aber echt türkis. Schließlich war es die Kurz-Partie, die Nehammer 2018 zum Generalsekretär der ÖVP machte und ihn damit in die erste Reihe bugsierte. Auch wenn er nie dem innersten Zirkel um Kurz angehörte, ging der Aufstieg für den zackigen, aber leutseligen ÖAABler dann recht rasch: Im Jänner 2020 wurde Nehammer Innenminister. In seine Amtszeit fiel etwa der Terroranschlag in Wien, wobei die Opposition ihm Ermittlungspannen im Vorfeld vorwarf.

Die Arbeit des pflichtbewussten Krisenmanagers blieb während seiner Kanzlerschaft an Nehammer hängen. Auf die Aufgabe, die von Korruptionsvorwürfen gebeutelte ÖVP am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, folgten jene, das Land durch Coronapandemie und Teuerungskrise zu navigieren - unter beständiger Kritik der Opposition. Bei einem Corona-Aufarbeitungsprozess war sich Nehammer nicht zu schade, Fehler einzuräumen, betonte aber, dass man richtigerweise alles unternommen habe, um Menschen zu retten.

Nehammer und Inszenierung

Ganz wie sein Vorgänger setzt der Kanzler gerne auf Inszenierung. Man denke an seine Reise zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin oder seinen "Österreichplan", den er im Jänner bei einer Großveranstaltung in Wels vorstellte. Seine dort niedergeschriebenen Visionen - ein restriktiver Kurs bei der Migration, Steuersenkungen oder der leidenschaftliche Einsatz für den Verbleib des (Verbrenner-)Autos - flossen bereits in das EU-Wahlprogramm ein und bilden nun auch die Basis des Programms für die .

Öffentlich kann Nehammer auch emotional auftreten, einige unvorsichtige Sager bleiben in Erinnerung: Etwa, dass nur die Optionen "Alkohol oder Psychopharmaka" blieben, wenn man die Teuerung nicht zur Genüge ausgleiche. Oder aber jenes heimlich unter Parteifreunden aufgenommene Video, in dem er als billiges Essen für von Armut betroffene Kinder einen "Hamburger bei McDonalds" empfahl. Vor allem Letzteres sorgte umfassend für Aufregung, woraufhin Nehammer mit einem Diskussionsabend mit gemeinnützigen Organisationen Buße tat.

"Karl Nehammer - Die Volkspartei"

Politischen Einfluss auf ihn hat auch seine Frau Katharina Nehammer. Die selbstbewusste PR-Expertin soll im Kanzleramt ein- und ausgegangen und eine wichtige Beraterin ihres Mannes gewesen sein, hat sich laut eigenen Angaben mittlerweile aber aus dem Beraterfeld zurückgezogen. Die zwei Kinder hält Nehammer aus der Öffentlichkeit heraus, zeigt sich auf Instagram aber gerne mit Hündin Fanny.

Groß dürfte Nehammers Strahlkraft in die Partei sein, ist der Wahlkampf doch ganz auf den Kanzler zugeschnitten. Die ÖVP tritt unter dem Namen "Karl Nehammer - Die Volkspartei" an. Zudem hat er es geschafft, die innere Einheit der Partei - im harschen Gegensatz zu Prä-Kurz-Zeiten - zu bewahren. Das, obwohl er weniger als sein Vorgänger auf "Message Control" setzt. Einer der "Väter" dieser Art der Kommunikation, Kurz-Berater Gerald Fleischmann, ist unter ihm allerdings wieder Chefkommunikator in der ÖVP.

ÖVP bei Nationalratswahl wohl mit Minus

Nach außen scheint der Kanzler vor allem die Stammwähler anzusprechen. Die starken Umfragewerte unter Kurz konnte Nehammer nicht halten - Umfragen sagen einen Absturz um mehr als zehn Prozentpunkte und nur Platz zwei vorher.

Dass die Nationalratswahl erst nach der vollen Legislaturperiode am 29. September stattfindet, hat schließlich mit Nehammers hartnäckigem Festhalten an Schwarz-Grün zu tun. Differenzen gab es zuletzt mehr als genug.

Karl Nehammer, geboren am 18. Oktober 1972 in Wien, verheiratet, zwei Kinder. 2016 bis 2018 Generalsekretär des ÖAAB, von 2017 bis 2020 Abgeordneter zum Nationalrat, von 2018 bis 2020 Generalsekretär der ÖVP. Ab Jänner 2020 Innenminister. Seit Dezember 2021 Bundeskanzler, seit Mai 2022 ÖVP-Chef.

(APA/Red)

Nachrichtenquelle


© 2017-2024 wienpress.at [email protected]