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Demokratie: Überparteiliche Initiative schlägt Alarm

12-09-2024, 13:59

Vor einer Bedrohung der parlamentarischen Demokratie warnen Nationalratsabgeordnete, Experten sowie Menschen aus der Zivilgesellschaft.

Bei einem überparteilichen Symposium des Netzwerks "Chance Demokratie" wurde am Donnerstag im Parlament über mögliche Schwachstellen im österreichischen System debattiert. Teilnehmende Vertreter von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS zeigten sich vor Beginn der Veranstaltung besorgt, dass Österreich in eine illiberale Demokratie abrutschen könnte.

Warnung von Krisper

Die meisten Demokratien seien seit Ende des Kalten Krieges nicht durch militärische Aktionen sondern infolge demokratischer Prozesse zusammengebrochen, warnte die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper bei einem Pressegespräch. Dies sei in der Regel nicht auf einmal passiert, sondern die Demokratie sei Stück für Stück ausgehöhlt worden, so Krisper. Anhand der Beispiele Ungarn und Polen könne man sehr gut nachvollziehen, welche Schritte gegangen werden, um Opposition, Zivilgesellschaft und die Medienlandschaft zu schwächen und am Rechtsstaat zu rütteln, sagte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic.

Die Demokratie sei ein "zerbrechliches Gut", meinte auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Bei der Debatte habe man aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass gesetzliche Maßnahmen eigentlich nicht ausreichen, um die Demokratie zu schützen. Deshalb gehe es darum, Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu schaffen, dass es Menschen brauche, "die respektvoll mit diesem zerbrechlichen Material umgehen", so Gerstl.

Ähnlich sah dies der Wiener SPÖ-Bezirksfunktionär und Nationalratskandidat Nikolaus Kowall. Gesetzliche Regelungen seien elementar, "aber das sind nie mehr als Rückenstützen, wenn es nicht mit Leben erfüllt ist, dann ist es totes Papier", so Kowall. Zwar könne man die Institutionen verbessern, aber letztlich gehe um die politische Kultur.

Abschluss von Diskussionsprozess

Das Symposium am Donnerstag in Wien war der Abschluss eines mehrmonatigen Diskussionsprozesses von mehr als hundert Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Eingeladen wurden von der "Chance Demokratie" gezielt Personen, die sich mit der Verfassung auseinandersetzen und denen Demokratie am Herzen liegt, wie Initiator Andreas Kovar erklärte, Vertreter der FPÖ seien keine darunter gewesen. Ergebnis ist der Entwurf eines Manifests, in dem Schwachstellen der Demokratie identifiziert werden: Darunter sind etwa die große Macht des Nationalratspräsidenten und von Ministerinnen und Ministern, die politische Abhängigkeit der Abgeordneten von ihren Parteien und der Einfluss der Regierung auf ORF und Justiz.

Bei der Frage darüber, welche konkreten Maßnahmen gesetzt werden müssen, um die Demokratie zu stärken, gingen die Ansichten der Parteienvertreter naturgemäß auseinander. So sieht die NEOS-Mandatarin Krisper die nächste Regierung in der Pflicht, dringend Maßnahmen zu setzen, darunter für mehr Transparenz, Bewusstseinsförderung für Demokratie durch ein eigenes Schulfach und die Stärkung der Medienfreiheit durch eine neue Medienförderung, die nach Qualitätskriterien ausgeschüttet wird, und die Entpolitisierung des ORF. Auch die Grüne Abgeordnete Ernst-Dziedzic sprach sich für eine Stärkung der Medienfreiheit und des Parlamentarismus aus - besonders indem die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung gestärkt würden.

Aufforderung an Wähler

ÖVP-Mandatar Gerstl appellierte dagegen in erster Linie an die Wähler, "denken wir darüber nach, wen wir wählen". Würde man jeden Missbrauch der Macht etwa durch Minister durch gesetzliche Regeln verhindern wollen, wäre der Spielraum so eingeschränkt, dass die Regierung nicht mehr rasch und effizient auf Krisen reagieren könnte, meinte Gerstl. Der SPÖ-Kandidat Kowall, der selbst einen Vorzugsstimmen-Wahlkampf führt, forderte eine stärkere Rolle des Parlaments und eine Personalisierung innerhalb der Parteien, "um die Qualität des politischen Personals im Nationalrat zu ändern".

(APA/Red)

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