Am liebsten würde er noch einmal in einer Bundesregierung mitgestalten. Ob und wann er das Zepter in der Partei weiterreichen wird, lässt der 62-Jährige offen. Die Frage auch nur anzusprechen, ist bei den Grünen fast ein Tabuthema.
Am liebsten würde er noch einmal in einer Bundesregierung mitgestalten. Ob und wann er das Zepter in der Partei weiterreichen wird, lässt der 62-Jährige offen. Die Frage auch nur anzusprechen, ist bei den Grünen fast ein Tabuthema.
Kogler war lange ein Mann in der zweiten Reihe und unterschätzt, bevor er seine Partei zu neuen Erfolgen führte, indem er sie zur Öffnung zu NGOs und zivilgesellschaftlichen Initiativen zwang. In den 1980er-Jahren war er einer der Gründer der Alternativen Liste in der Steiermark und auf Bundesebene. Vom Gemeinderat in Graz wechselte der Volkswirt 1999 in den Nationalrat, ab 2009 war er Stellvertreter von Parteichefin Eva Glawischnig. In der dunkelsten Stunde, als die Grünen bei der Nationalratswahl 2017 aus dem Parlament flogen, krempelte er die Hemdsärmel auf und übernahm die am Boden liegende Partei.
Er verzichtete temporär auf ein Gehalt und schaffte es mit seiner mitunter sympathisch-kauzigen Art innerhalb von zwei Jahren die außerparlamentarische Kraft nicht nur zurück ins Parlament, sondern sogar in die Regierung zu führen. Überraschend leicht gelang ihm dann auch die Verwandlung vom Underdog mit Lederjacke und grüner Brille zum seriösen und letztlich doch noch ergrauten Vizekanzler im Anzug, der als ÖVP-Koalitionspartner viele für die Basis schmerzhafte Kompromisse etwa in der Migrationspolitik schlucken musste. Die Grüne Basis dankt es ihrem Bundessprecher und belohnt ihn regelmäßig mit Zustimmungswerten von weit über 90 Prozent.
Zu profitieren scheint Kogler davon, dass ihn seine politischen Gegner nicht für voll nehmen, hat er doch den Hang zu überlangen, tief steirisch gefärbten und oft schwer verständlichen Wortgirlanden, die Interviewer beim Entwirren schier zur Verzweiflung treiben und an denen KI-Transkriptionssysteme bis heute zerschellen. Geschützt durch diese Nebelwand des lauten Denkens hat Kogler in den vergangenen Jahren aber viel politisches Gespür, strategisches Kalkül und vor allem ein gutes Händchen in der Auswahl seines Teams bewiesen. Gepolt nicht nur auf Klimaschutz, sondern auch auf Antikorruption, war es nicht zuletzt Kogler, der 2021 ÖVP-Strahlemann Sebastian Kurz aus dem Bundeskanzleramt drängte.
Auf seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die mit ihm das grüne Team seit dem Beginn der Koalition mit der Volkspartei prägten, kann sich Kogler vorbehaltlos verlassen: Klubobfrau Sigrid Maurer, mit der er sich in spätnächtlichen Telefonaten regelmäßig abstimmt, gehört ebenso dazu wie die ehemalige Peter-Pilz-Mitstreiterin Alma Zadić, Gesundheitsminister Johannes Rauch und die aus der Ökobewegung geholte Umweltministerin Leonore Gewessler. Mit letzterer eng abgestimmt gelang zuletzt der große Coup, indem Österreich den Ausschlag für den Beschluss des EU-Renaturierungsgesetzes gab. Das Wutgeheul der ÖVP war für Kogler mit einkalkuliert. Der Jubel der eigenen Parteibasis fiel umso frenetischer aus.
Dennoch stehen die Zeichen nicht auf Sieg. Die 13,9 Prozent der Nationalratswahl 2019 sind außer Reichweite, und viele Wählerinnen und Wähler scheinen von den Herausforderungen einer Wende zur Klimafreundlichkeit ermüdet. Fünf Jahre der Koalition haben nicht nur die Grünen ausgezehrt, der größere Koalitionsgegenüber hat sein Auge schon längst auf andere, vielleicht einfacher zu handhabende Regierungspartner geworfen. Auch handwerkliche Fehler wurden in der inzwischen so geeint auftretenden Partei gemacht, etwa bei der überraschend langwierigen Suche nach einer EU-Spitzenkandidatin, was prompt in die Turbulenzen rund um Lena Schilling mündete.
Sollte es Kogler trotzdem schaffen, eine Koalition gegen die FPÖ zu schmieden, dabei auch noch die NEOS auszubooten und die Grünen ein weiteres Mal in die Bundesregierung zu bugsieren, wäre wohl sein Meisterstück geschaffen. Zuvor muss allerdings das Ergebnis bei der Nationalratswahl passen. Toppen könnte er das nur noch, wenn Kogler danach für eine geordnete Hofübergabe bei den Grünen sorgt. Die Kandidatinnen und Kandidaten stünden bereit, von Gewessler über Zadić, bis zum oberösterreichischen Landesrat Stefan Kaineder.
Zur Person: Der am 20. November 1961 in Hartberg geborene Kogler studierte Volkswirtschaft und war in den 1980er-Jahren Gründungsmitglied der Alternativen Liste Steiermark und Österreich. Von 1985 bis 1988 war der Gemeinderat in Graz. Seit 1999 saß er im Nationalrat, unter anderem als Leiter des Rechnungshofausschusses, Budget- und Finanzsprecher seiner Partei und Stellvertreter von Eva Glawischnig. Nach dem Debakel 2017 übernahm er zunächst interimistisch die Partei, seit Herbst 2018 ist er gewählter Bundessprecher. Nach der Nationalratswahl 2019 verhandelte er erfolgreich eine Regierungskoalition mit der ÖVP, der er seit 2020 als Vizekanzler und Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport angehört.
(APA/Red)