logo



[email protected]

Nationalratswahl: APA-Faktencheck zu ÖVP-Bilanz-Posting

3-09-2024, 10:53

Am 29. September findet die Nationalratswahl statt. Auf TikTok verbreitet sich ein Bild, das nach fast drei Jahren unter Bundeskanzler Nehammer (ÖVP) eine kritische Bilanz zieht, wobei es sich bei den Einschätzungen zu Themen wie Inflation, Armut und Gesundheitssystem oft um wenig fundierte Meinungen handelt.

Im Posting werden die Ausdrücke Inflationsrate und Teuerungsrate als unterschiedliche Aspekte genannt. Jedoch sind diese Begriffe in Wirklichkeit gleichbedeutend.

ÖVP-Bilanz-Posting: Österreich hat im EU-Vergleich nicht die höchste Inflationsrate

Im Vergleich mit anderen EU-Staaten befindet sich Österreich mit einer Inflationsrate von 2,9 Prozent im Juli 2023 auf Rang zehn. Dies ist zwar höher als der EU-Schnitt von 2,6 Prozent, jedoch entspricht die Behauptung auf TikTok, Österreich sei auf dem ersten Platz, nicht den Tatsachen. Derzeit führt Rumänien mit 5,8 Prozent, dicht gefolgt von Belgien mit 5,4 Prozent. Betrachtet man die jährlichen Inflationsraten seit dem Amtsantritt Nehammers im Dezember 2021, so verzeichnete Österreich zu keinem Zeitpunkt eine jährliche Inflationsrate, die höher war als die in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Zahlen zu Armutsgefährdung weitgehend konstant

Die Behauptung rund um eine stark gestiegene Armut innerhalb der österreichischen Unter- und Mittelschicht lässt sich durch Zahlen nicht belegen. Was schon stimmt, ist, dass im Jahr 2023 die Anzahl der Menschen in absoluter Armutslage gewachsen ist. Laut Statistik Austria stieg die Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung in Österreich von 2021 bis 2023 um 0,2 Prozentpunkte an. Der Zuwachs von 2022 auf 2023 wurde von der sozialen Organisation "Die Armutskonferenz" als nicht signifikant eingestuft. Allerdings merkte die Organisation an, dass 3,7 Prozent der Bevölkerung "erheblich materiell depriviert" seien und auch der Anstieg von 2022 auf 2023 um etwa 1,5 Prozentpunkte "erheblich" gewesen sei.

Als armutsgefährdet gelten in Österreich laut Sozialbericht 2024 des Sozialministeriums Menschen, die (in einem Ein-Personen-Haushalt) pro Monat weniger als 1.392 Euro brutto verdienen. Diese Haushalte mit niedrigem Einkommen werden in Medien auch als Unterschicht bezeichnet. Als Mittelschicht gelten umgangssprachlich Ein-Personen-Haushalte, die über dieser Schwelle bis knapp über 50.000 Euro Jahreseinkommen liegen. Für Mehrpersonen-Haushalte gelten andere Schwellenwerte.

ÖVP-Bilanz-Posting: Aussage zu Gesundheitssystem schwer überprüfbar

Der letzte Punkt zum "desolaten Gesundheitssystem" lässt sich faktisch schwer überprüfen. Feststellbar ist, dass die Zahl der Krankenhausbetten konstant rückläufig ist, die Gesamtanzahl an Krankenanstalten seit 2018 aber unverändert. Das lässt sich auf der Webseite der Statistik Austria nachlesen, die diese Daten in Österreich seit dem Jahr 1985 erhebt. Die Anzahl an Ärztinnen und Ärzten sowie an nichtärztlichem Gesundheitspersonal ist in den letzten Jahren gestiegen.

Gemäß dem "State of Health in the EU"-Bericht der EU-Kommission von 2023 gibt es in Österreich eine "hohe Ärztedichte", aber "regionale Ungleichgewichte und nur wenige Allgemeinmediziner". Im Jahr 2021 hätten die Gesundheitsausgaben pro Kopf nach Deutschland und den Niederlanden zu den höchsten in der EU gehört. Die Ausgaben für die stationäre Versorgung würden trotz eines rückläufigen Trends nach wie vor über dem EU-Durchschnitt liegen.

Drei Viertel der Gesundheitsausgaben stammen demnach aus öffentlichen Mitteln und Pflichtversicherungen. Die Sterblichkeit aufgrund behandelbarer und vermeidbarer Ursachen könnte weiter gesenkt werden und es seien "weitere Anstrengungen erforderlich, um die Krankenhauslastigkeit zu verringern", heißt es in dem Bericht. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung wird allgemein als "gut" angesehen.

Das im Posting angeführte Zitat von Karl Nehammer lässt sich auf ein Interview der Tageszeitung "Heute" am Neustifter Kirtag in Wien-Döbling im August 2024 zurückführen. Der Wortlaut im TikTok-Beitrag ist zwar nicht ganz korrekt, transportiert aber die sinngemäße Bedeutung des Zitats "Ich lebe nicht vom Problem, ich löse es".

(APA/Red)

Nachrichtenquelle


© 2017-2024 wienpress.at [email protected]