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Strolz: Vom Kuschelbär zum Kanzlerjäger

19-09-2017, 16:42

(*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*)

"Auffallen um jeden Preis", das Politologe Peter Filzmaier kürzlich den Grünen für die TV-Konfrontationen. Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek fiel in ihrem mit "Titelverteidiger" Christian Kern, wie Moderatorin Corinna Milborn den SPÖ-Chef Kanzler titulierte, aber hauptsächlich damit auf, dass sie gut mit Kern kann.
Dass man am Anfang höflich Geschenke austauscht, will die Dramaturgie des Senders. Sätze wie folgender sind dann aber zu viel der Höflichkeit: „Viele der Dinge, die Herr Kern jetzt gesagt hat, teile ich“, sagte Lunacek. Das lockt weder Unentschlossene noch SPÖ-Wähler. Vielleicht war Lunacek aber auch einfach froh, diesmal keine Gehässigkeiten wie im Duell gegen FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ertragen zu müssen. Nach seinem ließ Strache vergangene Woche übrigens auch die Geschenke der Grünen im Studio liegen.


Show-Vorstellung

Matthias Strolz hingegen verkörperte in seinem darauffolgenden Duell mit Kern genau das Gegenteil von Lunacek. Der Neos-Chef ließ praktisch nichts gelten, was der SPÖ-Chef sagte. Auch nicht, dass Kern erklärte, er sei erst seit 15 Monaten in der Politik und nicht für jahrelangen Stillstand verantwortlich zu machen.

Strolz quittierte diese Verteidigungslinie mit dem Satz: "Was ist das für eine Show-Vorstellung?". Kern erwiderte: „Das frage ich mich auch gerade.“

Foto: /© PULS 4/Matthias Buchwald Streckenweise wurde Strolz richtig unhöflich: „Haben Sie Zeit zum Zuhören?  Sonst geh ich raus und gehe einen Kaffee trinken und komme dann wieder in fünf Minuten.“
Kern ließ die teilweise aggressive Kritik an sich kanzlerlike abprallen und sich nur selten aus der Reserve locken. „Fantasieren’s nicht wieder was daher“, sagte er dann.

Etwas untergriffig - wenngleich elegant gesetzt - war hingegen die Anmerkung, dass Strolz doch einmal der Rhetoriktrainer von Sebastian Kurz gewesen sei.

Programme im Plauderton

Strolz-Anekdoten wie diese bekam man zuvor in der ersten Ausgabe von "Nationalraten" in ORFeins serviert. Weil die voraufgezeichnete Quizshow zur Wahl aber nicht nur Unterhaltung, sondern auch politische Bildung vermitteln soll, wird auch Programmatisches abgefragt. Was zum Teil überraschend und erhellend rüberkommt.

Foto: ORF/Thomas Jantzen Premierengast Strolz wusste das Format weidlich zu nützen. Im lockeren Ton plauderte der Neos-Chef mit Lisa Gadenstätter über Cannabis-Legalisierung, über seine dichterische Ader und Jugendsünden in Vorarlberg. Mit den Quizkandidaten, die von Hanno Settele betreut und befragt wurden, tauschte Strolz spontan Nettigkeiten aus.
Während er im ORF-Hauptabend also den sympathischen, lässig im Lederfauteuil hängenden, pinken Kuschelbär gab, mutierte Strolz unmittelbar danach bei der Liveshow auf Puls 4 zum verbissenen Kanzlerjäger.

Wer beides gesehen hat, musste sich fragen, ob hier tatsächlich zwei Mal dieselbe Person zu sehen war. Da aber auch das Rechercheteam von „Nationalraten“ keinen Zwillingsbruder von Matthias Strolz gefunden hat, darf man annehmen, dass Strolz im konfrontativen TV-Duell gegen Kern einfach um jeden Preis auffallen wollte.

Kein Parteiprogramm

Wenig Ambitionen  in diese Richtung zeigte hingegen Neo-Listengründer Peter Pilz ab 22 Uhr in der "ZiB 2" auf ORF 2. Er beantwortete geduldig und ungewohnt brav die kritischen Fragen von Armin Wolf. Über seinen Ausschluss beim Eurofighter-Ausschuss sagte der Ex-Grüne kein Wort. Außer parlamentarischer Kontrolle legte Pilz auch keine programmatischen Ansagen vor. Man sei schließlich keine Partei und habe daher auch kein Parteiprogramm.

Als Pilz dann doch ein Papier zur Integrationspolitik auf den Tisch legte, zeigte sich Wolf verwirrt. Jetzt gibt es doch „ein Stück Parteiprogramm“?

"Kein Parteiprogramm, Herr Wolf  … Arbeitsprogramm!" erwiderte Pilz.

Pilz hatte sich lautstark über seine Nichtberücksichtigung bei Wahl-Konfrontationen beschwert. Wenn er rare Fernsehauftritte wie gestern Abend nicht besser nützt, wird ihn auch bei den TV-Duellen kaum jemand vermissen.

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