Die Grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling über Neutralität, Frieden und die Ukraine.
Die Unterstützung der Ukraine steht für die Grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling nicht zur Debatte. "Russland hat einen Angriffskrieg auf europäischen Boden gestartet gegenüber der Ukraine", sagte sie im APA-Interview. "Warum sollten wir jetzt eine Kehrtwende eingehen? Da ist ein großer Staat, der einen kleineren Staat angreift, wo Menschen leiden." Österreich sollte bei der Entminung und beim Wiederaufbau zerstörte Stromnetze in der Ukraine mithelfen.
Zur Frage, ob sie eine stärkere EU-Verteidigungspolitik unterstütze, räumte Schilling ein: "Für mich ist das total schwierig als junge Frau, die im Frieden aufgewachsen ist." Sie wünsche sich, "so wie alle Menschen Frieden, aber klar ist, wenn es einen Aggressor gibt, der angreift, muss man sich verteidigen können." Schilling: "Es wird mehr Verteidigung notwendig sein, eben im Rahmen von Österreich als neutralem Staat, aber das ist eine neue Realität, mit der wir uns befassen müssen, und da geht ja in erster Linie mal zum Beispiel um die Frage von gemeinsamer Beschaffung, von Rüstung, die dann für alle Staaten auch günstiger wird, wo man jetzt sehr viel Geld auch verschwendet."
Schilling stellt Neutralität nicht in Frage
Die Neutralität stellt die grüne Spitzenkandidatin nicht in Frage. "Österreich ist ein neutraler Staat und wird das auch bleiben." Dies bedeute, keine Militärbasen im Land, keine Waffen im Kriegsgebiete und keinem Militärbündnis beizutreten. Schilling wünscht sich eine aktive Neutralitätspolitik, mit der Österreich seine Verantwortung im Rahmen der gemeinsamen EU-Außen- und Sicherheitspolitik ernst nehme, also zum Beispiel, indem es die Ukraine mit Stromaggregaten in Krankenhäusern unterstütze.
Auch im Fall Österreichs erachtet Schilling eine Erhöhung der Rüstungsausgaben für notwendig. "Wir sehen, neutrale Staat müssen sich selber verteidigen können, und da wird es auch notwendig sein, ja, auch wenn ich mir wünsche, dass wir das Geld in den Klimaschutz stecken und dass wir das Geld in die Pflege stecken, das sollten wir alles auch tun, aber das ist in Zeiten wie diesen notwendig."
"In Sicherheitspolitik brauchen wir Einstimmigkeitsprinzip"
Eine erweiterte EU werde mehr Mehrheitsbeschlüsse - also ohne Möglichkeit einzelner Staaten, ein Veto einzulegen - brauchen, sagte Schilling. Sie erinnerte daran, dass Ungarn unter Premierminister Viktor Orban immer wieder Beschlüsse blockiert habe. "In der Sicherheitspolitik brauchen wir ein Einstimmigkeitsprinzip, anders wird es nicht gehen", betonte die grüne Politikerin in Hinblick auf die Neutralität. "Außenpolitisch kann ich mir vorstellen, dass qualifizierte Mehrheiten auch Sinn machen."
Grundsätzlich sei sie natürlich für eine EU-Erweiterung, "dass wir es schaffen, als europäischer Kontinent mehr Länder in die Europäische Union zu integrieren und eine gemeinsame Strategie weiter zu finden", so Schilling. Gerade in Georgien und der Ukraine sei die Situation allerdings auch sehr komplex und schwierig. Auch für die EU-Erweiterung um die Balkanstaaten "wird noch viel Arbeit notwendig sein". Ziel der Europäischen Union sei es, gemeinsam auf große Krisen, die den Kontinent betreffen, anzugehen. Die gelte für die Klimakrise, die soziale Krise und für Fragen der Außenpolitik. "Europa ist der Kontinent, der sich am meisten erhitzt und das wird uns alle gleichermaßen betreffe."
Schilling für legale Fluchtmöglichkeiten
Schilling verteidigte, dass die Grünen gegen die jüngst vom Europaparlament beschlossene Verschärfung der EU-Asyl- und Migrationspolitik gestimmt haben. "Wir haben ein Europäische Menschenrechtskonvention, wir haben uns auf Werte geeinigt, wir haben uns darauf geeinigt, dass wir mit Menschen entsprechend der Menschenrechte umgehen." Der Pakt hätte eine Chance sein können. Dazu hätte es auch einen für alle EU-Staaten bindenden Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge geben müssen, der auch für Ungarn gelten müsste. Menschenunwürdige Situationen dürften nicht als Lösung verkauft werden. Außerdem forderte Schilling legale Fluchtmöglichkeiten, etwa die Frage von Botschaftsasyl. EU-Gelder für Drittstaaten, die mit der EU im Bereich Migration kooperieren, seien an Bedingungen zu knüpfen. Man müsse darauf "schauen, dass es eben nicht nur die Politik und den Staat stabilisiert, sondern vor allem den Menschen vor Ort auch wirklich hilft".