NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger plant nun eine Wahlkampftour an Orte mit besonders großer EU-Skepsis.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger plant nun eine Wahlkampftour an Orte mit besonders großer EU-Skepsis.
Kaum geändert hat sich im Fünf-Jahres-Vergleich der Anteil jener, die der EU sehr oder ziemlich vertrauen (36 Prozent gegenüber 39 im Jahr 2018). Der Wegfall der Grenzkontrollen oder die Bewältigung großer Zukunftsfragen wie der Kampf gegen den Klimawandel oder die Sicherung der Energieversorgung wurde von den allermeisten Befragten als Nutzen der EU gesehen. Der Aussage, dass die EU zusätzliche Möglichkeiten und Freiheiten bedeute bzw. den wirtschaftlichen Wohlstand Europas sichere, stimmte hingegen nur die Hälfte der Befragten zu. Hier übertrage sich die aktuelle wirtschaftliche Lage auf die Bewertung der EU, so Sozialforscher Günther Ogris bei der Pressekonferenz. Besonders viele Vorteile durch die EU sahen Jüngere und höher Gebildete, Männer, Menschen aus dem obersten Einkommensdrittel und jene, die der Meinung sind, dass sie durch ihre politische Beteiligung etwas bewirken können.
Das Freiheitsgefühl im Land hat sich laut Studie im Vergleich zu den vergangenen Jahren etwas erholt, 66 Prozent fühlen sich demnach (eher) frei. Die Zahlen sind laut Ogris aber immer noch nicht auf dem Stand vor der Pandemie und die Mehrheit sei weiter pessimistisch, wie sich Österreich weiterentwickeln wird. Außerdem zeigen die Zahlen eine Kluft zwischen dem hohen Vertrauen der Befragten darin, ihre Probleme selbst bzw. mit Hilfe von Freunden oder Verwandten lösen zu können, und dem Vertrauen in die Politik: Nur vier von zehn Befragten waren der Meinung, dass sie durch politische Beteiligung etwas bewirken können. Besonders groß war das Ohnmachtsgefühl bei Menschen mit den geringsten Einkommen. Unter ihnen fühlte sich auch mehr als jeder Vierte von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Für Lukas Sustala, Leiter des Thinktanks von NEOS, muss die Europäische Union effektive Lösungen gegen hohe Preise schaffen, etwa die Nutzung aller Möglichkeiten des Energiebinnenmarkts. Immerhin würden vor allem jene Menschen die EU kritischer sehen, die sich durch die aktuelle Inflation und fehlendes Vertrauen in die Politik generell eingeschränkt fühlen.
Parteichefin Meinl-Reisinger forderte angesichts der Ergebnisse erneut einen "Pakt des Vertrauens". Politik müsse auf Augenhöhe, transparent agieren und dürfe auch nicht mehr unter Korruptionsverdacht kommen. Es sei auch nicht mehr zeitgemäß, unter politischer Teilhabe zu verstehen, alle paar Jahre in die Wahlkabine zu gehen. Die Politik müsse "Macht abgeben", etwa durch Einbindung von Bürgerräten. Das würde auch jene Menschen einbinden, die man über Wahlen nicht erreiche, etwa weil sie keine österreichische Staatsbürgerschaft haben.
Die wachsende EU-Skepsis führte Meinl-Reisinger u.a. darauf zurück, dass Österreichs Regierungen Europa oft nur vor der hochhielten, sonst aber das Gute der EU gerne innenpolitisch verwerten und bei Unangenehmem die Schuld nach Brüssel abschieben würden. Als Beispiel nannte sie das "schäbige Spiel" mit dem Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens, wo die ÖVP "aus rein innenpolitischen Motiven" den Beitritt blockiere. Durch solche Aktionen werde "der Boden vorbereitet für Nationalisten".
Gegen die EU-Skepsis will Meinl-Reisinger im Wahlkampf auch persönlich ankämpfen und "dorthin gehen, wo es wehtut": Gemeint sind Orte mit besonders geringer Beteiligung bei den EU-Wahlen, das können auch Hochburgen der FPÖ sein. "Wer Europaskepsis in Österreich bewirtschaftet, ist nichts anderes als der verlängerte Arm Vladimir Putins und des Kremls und nährt diesen Boden", so die NEOS-Bundesobfrau in Richtung der Freiheitlichen. Angesichts der EU-Skepsis sei es auch nicht überraschend, dass Österreich "Zielgebiet Nummer eins" für russische Destabilisierungsversuche und Spionage sei.
(APA/Red)